Mi 12.07.2017
Wenn Bilder von Bombenattentaten und anderen spektakulären Kriminalfällen die Schlagzeilen dominieren, kann der Staat von seinem eigentlichen Charakter als Instrument der herrschenden Klasse gegen die Interessen der ArbeiterInnen und Armen ablenken und sich als Hüter von Frieden und Sicherheit im Interesse der Allgemeinheit präsentieren. Oft steigt die Akzeptanz des bürgerlichen Staates, seiner Polizei und Justiz in Zeiten von Terror und (gefühlt) steigender Kriminalität. Aber der Staat ist nicht Wahrer der allgemeinen Interessen der Gesellschaft, sondern Instrument einer bestimmten Klasse, nämlich der Bourgeoisie. Solange er das bleibt, besteht die Hauptaufgabe seiner Polizei und Justiz in der Verteidigung der bestehenden Eigentumsverhältnisse, d.h. in erster Linie im Schutz der Reichen gegen die Armen. Friedrich Engels definiert den Klassenstaat folgendermaßen:
"Das zweite ist die Einrichtung einer öffentlichen Gewalt, welche nicht mehr unmittelbar zusammenfällt mit der sich selbst als bewaffnete Macht organisierenden Bevölkerung. Diese besondre, öffentliche Gewalt ist nötig, weil eine selbsttätige bewaffnete Organisation der Bevölkerung unmöglich geworden ist seit der Spaltung in Klassen[...] Diese öffentliche Gewalt existiert in jedem Staat; sie besteht nicht bloß aus bewaffneten Menschen, sondern auch aus sachlichen Anhängseln, Gefängnissen und Zwangsanstalten aller Art, von denen die Gentilgesellschaft nichts wusste." (Friedrich Engels: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staats, 1884)
Diese "besondre öffentliche Gewalt" des bürgerlichen Staates, deren Hauptinteresse in der Sicherung der bestehenden Eigentumsverhältnisse besteht, ist aber ganz ungeeignet, für die dauerhafte Sicherheit der einfachen Bevölkerung zu sorgen. Darauf kann die ArbeiterInnenbewegung nicht reagieren, indem sie im bürgerlich-kapitalistischen Rahmen eine eigene, bessere Polizei aufbaut. Nicht, dass die Bevölkerung eines proletarischen Viertels sich bspw. nicht solidarisch gegen rechtsradikale Übergriffe verteidigen sollte. Aber das reicht nicht. Wenn die Massen der ArbeiterInnen und Armen ihre Sicherheit erkämpfen wollen, dann ist dafür sowohl Vertrauen in den bürgerlichen Staat als auch die Idee des Aufbaus einer Gegenpolizei das falsche Rezept. Eine starke ArbeiterInnenbewegung kann die Organe des bürgerlichen Staates unter demokratische Kontrolle zwingen – etwa durch Wähl- und Abwählbarkeit in Polizei und Heer und Zwang zur Transparenz. Das kann bedeutende Verbesserungen bringen, doch der Charakter dieser Organe als Instrumente des bürgerlichen Staates bleibt bestehen. Die ArbeiterInnenklasse muss deswegen weiter gehen und Ursachen von Terror und Kriminalität beseitigen, d.h. ein System besiegen, das Imperialismus, Rassismus, Arbeitslosigkeit und Armut notwendig erzeugt. In solchen revolutionären Phasen baut die ArbeiterInnenbewegung durchaus demokratisch organisierte Sicherheitsorgane als Gegenstrukturen zur bürgerlichen Polizei auf. Freilich ist das nur möglich mit einer kämpferischen proletarischen Massenbewegung im Rücken – mit rechten "Bürgerwehren“, wie wir sie heute beobachten können, hat eine ArbeiterInnenmiliz nichts zu tun.