Mi 01.12.1999
Angesichts des „Turbokapitalismus“ besinnen sich viele der „guten alten Zeit“. Damals, als Kreisky sagte, ihm seien Arbeitsplätze wichtiger als Schulden, war die Welt noch in Ordnung. Also wieder zurück zu Keynes?
Was ist Keynesianismus?
Angesichts der Unzulänglichkeiten und der Krisenhaftigkeit des Kapitalismus haben Ökonomen verschiedene Modelle als Handlungsanleitungen entwickelt. Im wesentlichen gibt es zwei Denkrichtungen, die sich v.a. in der Frage „Staatsintervention: Ja oder Nein“ unterscheiden. Während die (Neo-)Liberalen den staatlichen Eingriff auf die Kontrolle der Geldmenge beschränken, hat dieser bei den (Neo-)Keynesianern eine weit größere Rolle. Er soll Nachfrage erzeugen, die die Wirtschaft ankurbeln und die Spitzen der Konjunkturzyklen abmildern. Finanziert werden soll diese Politik durch Verschuldung in Abschwungzeiten, die durch erhöhte Steuereinnahmen in Aufschwungzeiten wieder wettgemacht werden soll. Soweit die Theorie.
Der spezielle Nachkriegsaufschwung
Staatsinterventionismus an sich ist nichts „linkes“. Die Kriegswirtschaft sowohl der Nazis, als auch die US-Militärprogramme unter Reagan beruhten auf Intervention des Staates in die Wirtschaft. Die Politik der Kreisky-Ära ist typisch für den Keynesianismus der 70er Jahre. Der langanhaltende Nachkriegsaufschwung hatte Illusionen in einen „funktionierenden“ Kapitalismus geschaffen, man hoffte mittels „Deficit-Spending“ die Krise der 70er Jahre zu übertauchen und auf einen weiteren, langen Aufschwung zuzusteuern. Der Boom nach 1945 hatte aber ganz spezielle Vorraussetzungen (v.a. die enormen Zerstörungen durch den 2. Weltkrieg), die einmaligen waren. Ab den 70er Jahren kehrte der Kapitalimus zu seiner krisenhaften Realität zurück. Und befindet sich seither in einer langanhaltenden Depressionsperiode. Einer Zeit, in der immer schwächere Aufschwünge durch häufige Krisen unterbrochen sind. Wo trotz „Aufschwung“ die Arbeitslosigkeit zum Massenphänomen geworden ist und die Armut auch in den „reichen“ Ländern wieder alltäglich ist.
Der Ruf nach Neo-Keynesianismus
Wenn heute keynesianische Maßnahmen gefordert werden, so müssen wir zwei Dinge fragen: wie sieht der ökonomische Rahmen aus und wer soll diese durchsetzen? Die Verteilungsspielräume sind heute im Vergleich zu den Jahrzehnten nach dem 2. Weltkrieg wesentlich geringer. Eben weil der Kapitalismus international am Rande einer Weltwirtschaftskrise entlangbalanciert, hat er keine Ressourcen für „soziale Rüscherln“.
Natürlich gäbe es eine Reihe von Maßnahmen, die zu einer Umverteilung von oben nach unten führen würden - Steuerreformen, Arbeitszeitverkürzung, Reallohnerhöhungen etc. Alles Maßnahmen, die als Schritte genannt werden, um die Inlandsnachfrage zu steigern und damit die Wirtschaft anzukurbeln. Der Haken dabei - Jeder Kapitalist wird ihnen zustimmen, solange er selbst davon nicht betroffen ist. Eben weil der ökonomische Spielraum enger ist, muß der Kampf für solche Schritte viel härter sein als in der Vergangenheit.
Aber welche Organisationen sollen diesen Kampf führen? Die Sozialdemokratischen Parteien stehen auf der Seite des Kapitals, selbst ihre „keynesianischen“ Maßnahmen sind Neoliberalismus durch die Hintertür: die 35-Stunden-Wochen der Jospin-Regierung war das trojanische Pferd für Flexibiliserung und Deregulierung. Die Gewerkschaften sind selbst noch stark in ihrer systemerhaltenden Rolle verhaftet - z.B. bei der Standortlogik.
Aber selbst wenn keynesianische Maßnahmen eingeführt würden, die kurzfristig Verbesserungen für (Teile) der ArbeiterInnenklasse bedeuten könnten, würde das längerfristig keinen Kapitalismus mit menschlichem Anlitz schaffen. Maßnahmen, die eine Umverteilung hin zur ArbeiterInnenklasse bringen, beschneiden die Profite und damit die Rentabilität des Kapitals. Faktoren, die Ursachen und Auslöser für Krisen sind, und diese nicht verhindern können.