Mi 01.03.2000
Seit Monaten ist der CDU-Spendenskandal das bestimmende innenpolitische Thema in Deutschland. Und trotzdem konnte die CDU ihr Ergebnis von 1996 bei den Wahlen in Schleswig-Holstein fast halten. 35,2 % jener, die Ende Februar gewählt haben, gaben somit einer Partei die Stimme, die sich durch die Aufdeckung der Spendenaffäre in einer existenzbedrohenden Krise befindet .
Der Marketingwert des CDU-Spendenskandals für die SPD steigt ins Unermessliche: Die Wahl von Schleswig-Holstein ist die erste seit 1998, die die SPD „für sich” entscheiden konnte. Aber dazu bedurfte es – ihre Politik war kaum der Grund dafür – eines Korruptionsskandals, der einer „Systemkrise” gleichkam (Zeit, Nr. 51/99).
Die angebliche Überraschung war nach Bekanntwerden der Spendenaffäre groß. Was eigentlich verwunderlich ist: Watergate stellt ein immer noch bekanntes Schlagwort dar, die Dutroux-Affäre 1996 brachte den belgischen Staat gehörig ins Wanken und erst im Februar 2000 hob die EU-Kommission als Spätfolge des letztjährigen EU-Skandals zum ersten Mal die Immunität eines ehemaligen Mitglieds auf.
Korruption - das „Amen” nach dem Gebet
„Survival of the fittest” als oberste Maxime im herrschenden System hat seine Konsequenzen: Korruption wird zum lebensnotwendigen Mittel im Konkurrenzkampf der Konzerne um öffentliche Aufträge und Subventionen. Und Bestechung, ob nun legal via Parteien- finanzierung oder eben illegal, ist ein vitales Werkzeug bei der Übereinstimmung von Politiker- oder Regierungs mit Firmeninteressen - Korruption ist kein Auswuchs sondern integraler Faktor des Systems.
Regierungswechsel – Zeit des Aufdeckens
Der Zeitpunkt, zu dem die CDU-Affäre ins Rollen geriet, ist kein ungewöhnlicher. Ein Regierungswechsel zieht teilweise das Auflösen und Neuknüpfen von Verbindungen zwischen Politik und Wirtschaft nach sich. Hinzu kommt noch, daß sich das bürgerliche System insgesamt in einer Krise befindet. Auf Basis immer offensichtlicher ökonomischer Unzulänglichkeit wächst der Unmut über das System - der Ausdruck sind sinkende Wahlbeteiligung, Parteiaustritte aber auch aktiver Widerstand. Da es auch den Förderern von Korruption manchmal zu bunt wird, fungieren sie selbst als Aufdecker, am besten in einer günstigen Phase.
Eine solche finden wir aktuell in Deutschland – auf die SPD ist Verlass, Vertreter der Wirtschaft müssen um die ökonomische und politische Stabilität nicht fürchten. Schröder ist ihr Mann in der Regierung, die Gewerkschaft kuscht und soziale Eskalationen wie noch unter Kohl zeichnen sich nicht ab.
In Belgien 1996 war die Situation eine andere: Die Dutroux-Affäre führte zu einer Welle der Empörung und der darauffolgende Justizskandal verwandelte angestaute Wut in eine soziale Explosion: Es kam zu spontanen Schul- und Betriebsstreiks, dem „Weißen Marsch” und einem Generalstreik; das Land bewegte sich für einige Tage am Rande der Unregierbarkeit.
Das Gegenbeispiel erleben wir nun in Deutschland. Der Skandal manifestiert den Wechsel der Eliten, stärkt die Regierenden – konkret Schröder und die SPD. Es kommt zur oberflächlich betrachtet paradoxen Situation, dass der Niedergang DER rechtskonservativen Partei zu einem Rechtsruck führen kann. Der fehlende Druck von vor allem den Gewerkschaften gepaart mit den aktuellen Forderungen bereitet ein Klima für zukünftige law-and-order-Politik, statt tatsächlicher Transparenz und dem in Frage stellen von Millionengagen für Politiker steht das Eingreifen einer starken Hand im Vordergrund - ein nahezu idealer Nährboden für rechte Parteien.
So oder so vermindern Korruptionsskandale das ohnehin schon angekratzte Vertrauen der Menschen in die etablierte Politik. Was Chancen und Risiken in sich birgt. Es kann rechtsextreme Politiker à la Haider stärken, öffnet das Feld aber auch für neue, linke Kräfte. Gibt es ausreichenden Druck von „unten”, so kann die Wut, die durch Korruption aufkommt, in sozialen Protest umgewandelt werden. Und diesen Druck gilt es zu erzeugen.
Wir fordern:
- vollständige Offenlegung der Finanzen aller Parteien und Politker.
- Gehälter für Funktionäre und Abgeordnete, die einem Durchschnittsgehalt entsprechen und
- jederzeitige Wähl- und Abwählbarkeit
Das als selbstverständliche Maßnahmen, um ein Abheben und eine Entfremdung von Politikern verhindern zu können.