So 01.10.2000
In diesem Sommer wurden acht Menschen durch Neonazis ermordet. Faschistische Gewalttaten sind in Deutschland an der Tagesordnung, allein im ersten Halbjahr 2000 wurden 5.223 rechtsextreme Straftaten registriert. Gleichzeitig vergeht kaum eine Woche, in der die NPD, Sammelbecken militanter Neofaschisten, keine Aufmärsche anmeldet. Laura Rafetseder berichtet.
Die NPD zählt 6000 Mitglieder, Tendenz steigend. 1964 gegründet, war die NPD lange Zeit die Partei der Alt- Nazis mit Wahlerfolgen bis zu maximal 10 Prozent in den 60er Jahren. Dem Scheitern bei den Bundestagswahlen 1969 folgte ein Tief, aus dem die Partei sich erst mit Aufbau der "Jungen Nationaldemokraten" zur Kaderorganisation Anfang der 90er Jahre erholen konnte. Heute macht die NPD die wichtigste Anlaufstelle für "Stiefelfaschisten" aus.
Kennzeichnend für die Propaganda der NPD sind heute nicht mehr nur extremer, biologistisch begründeter Rassismus sowie autoritäre Staatsfixierung und Relativierung des historischen Faschismus, sondern antikapitalistische Propaganda von rechts. Vor allem im Osten setzen NPD und Kameradschaften zunehmend auf radikale Phrasen, die sich scheinbar gegen das Großkapital richten. Der "völkische Antikapitalismus" kombiniert bekannte Parolen wie "Arbeitsplätze zuerst für Deutsche" mit aggressivem Protektionismus, der transnationale Konzerne und das globale Kapital angreift. Thematisiert werden weder Produktionsverhältnisse noch Eigentumsfrage, die soziale Frage wird lediglich für propagandistische Zwecke mißbraucht.
Besorgniserregend ist jedoch das rasche Mitgliederwachstum der NPD, die sich offen dazu bekennt, sich weniger auf die Wahlebene als auf die außerparlamentarische Verankerung in der rechten Szene zu konzentrieren. Die Ursachen sind hausgemacht: Vor dem Hintergrund von Massenarbeitslosigkeit und Restaurierung des Kapitalismus in Ostdeutschland setzten die Bürgerlichen in den 90er Jahren mehrmals auf die rassistische Karte, um von der eigenen Verantwortung abzulenken. Asylpolitik und Staatsrassismus schufen die Voraussetzungen, von denen der Aufschwung der Rechten jetzt profitiert. Ein entscheidender Faktor ist auch die Schwäche der Linken, der es nicht gelungen ist, der neoliberalen Offensive etwas entgegenzusetzen. Auch der Wahlerfolg der FPÖ gab der extremen Rechten in Deutschland Auftrieb.
Wie widersprüchlich die Haltung des Kapitals zur rechten Szene ist, zeigt die Verbotsdiskussion. Eine Funktion von Faschisten ist es, Linke einzuschüchtern und ImmigrantInnen abzuschrecken. Ihr Ziel ist die Zerschlagung aller ArbeiterInnenorganisationen und die Errichtung einer Diktatur. Die Kapitalisten haben heute kein Interesse an einer faschistischen Massenbewegung. Dennoch hält der bürgerliche Staat die Faschisten bewußt am Leben, um sie bei einer Zuspitzung der Klassenkämpfe als Hilfstruppen des Kapitals benutzen zu können. Allerdings hat der Staatsapparat die Nazi-Szene nicht völlig unter Kontrolle. Darum geht er auch gegen sie vor, wenn sie ihm zu weit geht. Die Sorge des Kapitals richtet sich im Augenblick auf den Wirtschaftsstandort Deutschland, für den negative Auswirkungen der faschistischen Übergriffe befürchtet werden.
Wie ambivalent ein Verbot der NPD ist, zeigt, daß selbst ein Hilmar Kabas für ein Verbot ist, mit dem Zusatz, ebenso gegen linke Gruppen vorgehen zu müssen. Das zeigt, in welche Richtung die Vorstöße in Richtung Verbot gehen: Eine Aufrüstung des Staatsapparates wird sich letztlich gegen die Linke und die ArbeiterInnenbewegung richten, der Vormarsch der Rechten wird dadurch kaum gestoppt werden. Um dem Treiben der Nazis ein Ende zu bereiten, wird eine breite Mobilisierung notwendig sein. Der effektivste Schutz vor den Faschisten ist die unabhängige Organisierung der arbeitenden Bevölkerung und der Jugend.