Mi 01.11.2000
Am 11.10 hat die Österreichische HochschülerInnenschaft, allen voran die Aktionsgemeinschaft (ÖVP), zur großen Demonstration gegen Studiengebühren aufgerufen. 40.000 Menschen, darunter 4.000 EisenbahnerInnen, kamen.
Nachdem der ÖH-Vorsitzende Faißt sich wochenlang auf Appelle, saure Äpfel und Unterschriften sammeln beschränkte, kam es zur ersten größeren Mobilisierung der Straße. Offensichtlich hatte sie aber nicht den Anspruch, den Fall des freien Hochschulzugangs in einen gesamtgesellschaftlichen Kontext zu setzen. Die Ausrichtung auf eine Verbreiterung des Widerstands hat ja nicht nur den Sinn einer solidarischen Übung, sondern ist vor allem die einzige Möglichkeit, die drohenden Angriffe zu verhindern. In Frankreich unter Premier Chirac genügte beispielsweise die bloße Androhung einer Gewerkschaft, sich den Protesten gegen Studiengebühren mit einem Streik anzuschließen, um das Unternehmen einer sehr starken Rechtsregierung zu Fall zu bringen.
Widerstand? Ausweiten?
Symbolträchtig für den vollkommenen Unwillen der VP Studienvertretung, den Protesten eine seriöse und realistische Perspektive zu geben, ist die Weigerung Faißts, den Vorsitzenden der Eisen-bahnerInnengewerkschaft auf der Abschlusskundgebung reden zu lassen. In keinem anderen europäischen Land wäre es vorstellbar, dass der Teilnahme einer wichtigen Teilgewerkschaft an den Protesten von Studierenden nicht Rechnung getragen würde.
Die Gewerkschaftsfeindlichkeit und Regierungslinie der reaktionären Kräfte, die zur Zeit die ÖH bestimmen, ziehen sich wie ein blau-schwarzer Faden durch jüngste Entwicklungen. Allein der Slogan "Reformieren statt Gebühren", soll die Studierenden auf die prinzipielle Propaganda der Sparlogik einschwören. Die moralische Entrüstung über die Lüge der Ministerin ist mehr als naiv - die Regierung lügt, seit sie im Amt ist, und nicht nur im Bereich des Hochschul-zugangs (Stichwort: "vom Sparpaket sind Einkommen unter 30000.- nicht betroffen."). Die Stimmen der Studierenden-vertretung der Regierung - AG und RFS - haben in der letzten Bundesvertretung beschlossen, jegliche Ausrichtung auf andere Bevölkerungsgruppen auch weiterhin zu unterlassen. Das wundert angesichts der politischen Stoßrichtung dieser Fraktionen nicht.
Die Geschichte selbst in die Hand nehmen
Wir dürfen uns nicht auf die Strukturen und vermeintlichen Vertretungen verlassen, sondern müssen die Geschichte selbst in die Hand nehmen. Der Streikbeschluss einer gutbesuchten HörerInnenversammlungen wäre ein Schritt in die richtige Richtung. Die Unterstützung anderer Bevölkerungs-gruppen ist nicht nur ein "nettes" Zeichen, sondern die einzige Möglichkeit, die Angriffe auch tatsächlich abzuwehren. Angesichts dieser Einschätzung ist es auch mehr als verwunderlich, dass in den Wochen vor der Großdemonstration, nachdem sogar der Öffentliche Dienst und andere wesentliche Gewerkschaften sich über geeignete Kampfmaßnahmen unterhalten haben, in fast allen Publikationen der Studierendenvertre-tung das Vokabel "Streik" schlichtweg keinen Eingang findet. Und das, obwohl der Vorsitzende der EisenbahnerInnen-gewerkschaft Haberzettl im Profil vom 2.10. ausdrücklich darauf hinweist, dass die Studierendenproteste Signalwirkung hätten. Eine Woche später war auf der Großdemonstration der Zug für ihn leider abgefahren....