Fr 01.03.2002
Krise: Bereits für das Jahr 2001 mussten sowohl national wie auch international die vorausgesagten Wirtschaftsdaten ständig nach unten revidiert werden. Im letzten Jahr wuchs die österreichische Wirtschaft nur noch um 1,1% - das ist der niedrigste Wert seit 1993. Wie reagieren nun die Gewerkschaften auf diese Anzeichen einer sich anbahnenden Weltwirtschaftskrise.
Über die Dauer der Rezession in den USA - dem Konjunkturmotor der letzten Jahre - scheiden sich die Geister. Tatsache ist, dass die Spielräume immer enger werden: Seit März 2001 wurde der Leitzins in elf Schritten von 6,5 auf 1,75% gesenkt, um Investitionen zu erhöhen. Auch ohne den 11. September wäre die Rezession nicht vermeidbar gewesen.
Für Österreich wird laut WIFO mit einem Wirtschaftswachstum von 1,2% gerechnet. Dieser Wert liegt zwar um 0,1% höher als der vom letzten Jahr, aber von einer „Erholung“ der Konjunktur (Regierung), kann noch lange nicht gesprochen werden. Schließlich zeigt die Erfahrung der letzten Jahre, dass die Prognosen im Laufe des Jahres nach unten korrigiert werden müssen. Nach den Kriterien des IWF muss übrigens jedes Wachstum unter 2% als Rezession gewertet werden.
Wer bezahlt die Rechnung?
Die EURO-Staaten haben sich mit einer Reihe von „Konvergenzkriterien“ und dem „Stabilitätspakt“ abgesichert: Nicht die Wirtschaft, sondern die breite Masse der Bevölkerung soll zur Kasse gebeten werden. Die Folgen davon sind ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit auf den Rekordwert von 300.000 und weitere „Sparmaßnahmen“. Neben dem Null-Defizit hat sich die Regierung einer Senkung der Abgabenquote auf 40% verschrieben. Wirtschaftskammer-Präsident Leitl (ÖVP) errechnete, dass das alleine von 2003 bis 2010 jährliche „Sparpakete“ in der Höhe von jeweils 1,6 bis 2,4 Mrd. Euro (= rund 22 bis 33 Mrd. Schilling) bedeuten wird.
Wie reagiert der ÖGB?
Der ÖGB ist von der wirtschaftlichen Entwicklung gleich doppelt betroffen. Auf der einen Seite versuchen Verzetnitsch & Co. um jeden Preis, die „Sozialpartnerschaft“ aufrechtzuerhalten. Dieses Konzept bedeutet heute nur eines: Die Bereitschaft zu weiteren Zugeständnissen in Form von Verschlechterungen. Hier eröffnet sich ein grundlegender Widerspruch: Vor dem Antreten von Blau-schwarz gelang es der Großen Koalition noch, unter Mittäterschaft des ÖGB die „Sparlogik“ in weiten Teilen der werktätigen Bevölkerung zu verankern. Das Ergebnis der Urabstimmung weist heute auf eine qualitative Veränderung im Bewußtsein hin: Immerhin sind 88 Prozent der Mitglieder, die sich beteiligten, der Meinung, dass der ÖGB zur Verteidigung ihrer Interessen auch zu Kampfmaßnahmen greifen soll.
Das ÖGB-Selbstverständnis
Im Protokoll des 3. Kongresses des ÖGB von 1955 findet sich folgende treffende Selbstdefinition: „Der österreichische Gewerkschaftsbund wird seine Lohnpolitik in der gewohnten vorsichtigen Weise fortsetzen. Er wird immer darauf Bedacht nehmen, dass uns nicht mit Recht der Vorwurf gemacht werden kann, dass wir die Wirtschaft schädigen.“ Konkret heißt das nichts anderes, als dass der ÖGB sich in Verhandlungen stets an der Konjunktur orientiert. Auf den ersten Blick erscheint das auch nicht so unlogisch. Schließlich gibt es mehr zu verteilen, wenn der „Kuchen“ groß ist und eben entsprechend weniger, wenn er klein ist. Die Realität der letzten Jahrzehnte ergibt aber ein anderes Bild: Auch in Zeiten guter Konjunkturdaten wurden „maßvolle“ Lohnrunden abgeschlossen, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Offensichtlich sind Konjunkturdaten daher nicht das ausschlaggebende Element für hohe oder niedrige Lohnrunden. Viel wesentlicher ist das Kräfteverhältnis zwischen Arbeit und Kapital im Verteilungskampf. Das heißt, dass z.B. auch in Zeiten schwacher Konjunktur durchaus höhere Lohnabschlüsse möglich sind, wenn die Gewerkschaften andere Druckmittel für Verhandlungen einsetzen. Damit sind aber nicht Anfragen im Nationalrat oder Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof, sondern die Mobilisierung der Beschäftigten gemeint - also z.B. Streiks.
Wo drückt der Schuh?
Die Grundaufgabe von Gewerkschaften ist es, die Interessen (z.B. Lohnverhandlungen) ihrer Mitglieder zu vertreten. Damit stellt sich die Frage: Woher weiß eine Gewerkschaftsführung, wo ihren Mitgliedern „der Schuh drückt“? Funktionäre, die selbst ein Vielfaches vom durchschnittlichen Gehalt ihrer Mitglieder verdienen kennen kaum die Probleme derer, die sie zu vertreten haben. So hat z.B. eine weitere Nulllohnrunde bei den BeamtInnen für den Vorsitzenden der BeamtInnengewerkschaft (GÖD), Neugebauer, keine großen Auswirkungen, sehr wohl aber für die breite Masse. Wir fordern: Keine FunktionärIn darf mehr verdienen als den Durchschnittslohn eines/er qualifizierten Arbeiters/in oder Angestellten.
Für einen demokratischen und kämpferischen öGB!
Und obwohl sich der ÖGB auf seine Fahnen schreibt, eine nach demokratischen Gesichtspunkten aufgebaute Organisation zu sein, ist er das nicht. In seiner ganzen bis jetzt 57-jährigen Geschichte, gab es eine einzige Befragung der Mitglieder. Das war die Urabstimmung vom Herbst 2001. Ein Großteil der Funktionen und Positionen wird bereits im Vorfeld von Gewerkschaftstagen zwischen den beiden stärksten Fraktionen von SPÖ und ÖVP aufgeteilt. Noch nie wurde ich während meiner 14-jährigen Berufstätigkeit befragt, ob ich mit dem verhandelten Lohnabschluss überhaupt zufrieden bin. Und ich denke, dass es nicht nur mir, sondern der überwiegenden Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder und selbst BetriebsrätInnen so geht. Was wir also brauchen ist eine kämpferische und demokratische Gewerkschaft, die mit Unterstützung ihrer Mitglieder sich jetzt das zurückholt, was uns in den letzten Jahrzehnten vorenthalten wurde! Und dafür kämpft die SLP im Rahmen des Gewerkschaftlichen Linksblock (GLB).