Journalismus-KV: Mit Streiks hätten Zugeständnisse vermieden werden können!

Am 22.10. sind viele KollegInnen aus dem Mediensektor auf die Straße gegangen – um gegen die Kündigung des Journalismus-KV zu protestieren, aber auch um gegen Personalabbau, Sparpakete und Kürzungen in den einzelnen Medienbetrieben Widerstand zu leisten. Sie haben sich an den Kampfmaßnahmen beteiligt, obwohl die Angst um den Job in vielen Betrieben groß ist - gerade in Zeiten von Personalabbau und Kündigungsdrohungen. Was ist nun das Ergebnis der Verhandlungen zwischen VÖZ und GPA-DJP? Die KV-Kündigung wurde zurückgenommen, das ist gut, aber: Es wurde ein Memorandum of Understanding von beiden Seiten unterzeichnet, von dem zu befürchten ist, dass es in erster Linie der Arbeitgeberseite zu Gute kommt und die Verhandlungsposition der ArbeitnehmerInnen schwächt – die Gewerkschaft hat darin völlig unnötige Zugeständnisse gemacht.

Was wurde in diesem "Memorandum of Understanding" überhaupt beschlossen?

Punkt 1b: „...folgende Einfügung eines Punkt 1a in § 49 Punkt zu beschließen:  '1a. Für das Kalenderjahr 2013 gilt abweichend von Punkt 1: Dieser Vertrag ist zu jedem Quartalsende unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist kündbar.'"

Sowie:

Punkt 5: „Beide Seiten erklären, die Verhandlungen so zu führen, dass ein Inkrafttreten des neuen Kollektivvertrages spätestens mit 1.7.2013 möglich ist. Dies bedingt, dass die inhaltlichen Fragen bis 15. Februar abschließend abgehandelt sind.“

Das bedeutet in Wirklichkeit eine Niederlage!

Denn die Arbeitgeber kommen damit mit ihrer Erpressungstaktik durch. Sie können den KV in 3 Monaten wieder kündigen (in der Hoffnung, dass der Widerstand dann schwächer ist) und sie sitzen am längeren Ast – die Arbeitnehmerseite steht damit unter Zeitdruck und ist leichter erpressbar.

Punkt 2: „Die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp sichert zu, bis zum selben Zeitpunkt den Streikbeschluss aufzuheben.“

Sowie:

Punkt 7: „Kommunikation: Dieses Memorandum ist zur Veröffentlichung bestimmt. Darüber hinaus verpflichten sich die Verhandlungsparteien für die Zeit der Verhandlungen bis zum Ende derselben zum Stillschweigen über Verhandlungspunkte und zur Nichtbefassung von dritten außenstehenden Personen bzw. Institutionen. Auf beigezogene Experten ist diese Verschwiegenheitspflicht zu überbinden. Beide Seiten bekennen sich dazu, jegliche öffentliche Äußerungen und Maßnahmen zu unterlassen, welche das Gesprächsklima belasten können.“

Das bedeutet: Die Gewerkschaft nimmt sich mit diesen beiden Klauseln die Möglichkeit durch Proteste oder Kampfmaßnahmen Druck auf die Arbeitgeberseite auszuüben, so das nötig sein sollte.

Im Prinzip ist das nichts anderes als eine Stillhalteklausel. JournalistInnen, die ja eigentlich „frei“ berichten können sollen, wird ein Maulkorb umgelegt, wenn es um ihre eigenen Interessen geht!

Wem nützt eine derartige Verschwiegenheitspflicht? Nur der Arbeitgeberseite! Denn gerade die inhaltlichen Fragen müssten eigentlich von den Belegschaften diskutiert werden – denn sie sind die Betroffenen!  Im Memorandum findet sich weder inhaltliches über den KV noch irgendeine Reaktion auf die Forderungen der KollegInnen gegen die Sparmaßnahmen in den Betrieben. Wer sagt, dass der VÖZ den neuen KV nicht missbraucht um Verschlechterungen durchzudrücken und dann wieder die Onliner oder andere Gruppen auslagert und KV-Flucht betreibt? Die Gewerkschaft hätte die Proteste eigentlich nützen müssen, um Druck auf die Arbeitgeber aufzubauen, inhaltliche Zugeständnisse zu machen!

Der VÖZ hat Angst vor Streiks und Protesten!

  • Dass die Stillhalteklausel überhaupt in dem Memorandum aufgenommen wurde, zeigt, dass die Arbeitgeber totale Angst vor Streiks und Protesten haben. Sie würden damit eine Büchse der Pandora öffnen. Mit dieser Klausel versuchen sie nun allfällige Proteste im vorhinein zu unterbinden. Aber mit einem aufrechten Streikbeschluss hätte vermieden werden können, dass eine vierteljährliche Kündigungsmöglichkeit des Kvs oder eine derartige Stillhalteklausel überhaupt zur Debatte stehen.
  • Mit Streiks im Rücken lässt sich sogar viel besser verhandeln und die Arbeitgeber sind leichter zu inhaltlichen Zugeständnissen zu zwingen. All diese Zugeständnisse an den VÖZ schwächen den Kampf um einen neuen KV. In Wirklichkeit ist das ein Schlag ins Gesicht für jene KollegInnen, die für den KV auf die Straße gegangen sind und ihre Jobs riskiert haben.
  • Das beste für die Beschäftigten der Medienbranche wäre es eigentlich, das Memorandum wieder aufzukündigen – und den Kampf konsequent zu weiterzuführen.
  • Viele KollegInnen haben die Proteste auch genutzt, um ihren Kampf gegen Personalabbau sichtbar zu machen. Mit dem Abbruch der Kampfmaßnahmen ist dieser Kampf jetzt wieder auf die einzelnen Betrieben beschränkt – auch das schwächt die Position und Kampfkraft der KollegInnen.
  • Die Proteste haben die Isolation der KollegInnen durchbrochen und gezeigt, dass freie JournalistInnen, OnlinerInnen und Angestellte JournalistInnen gemeinsam kämpfen können!

Für eine Urabstimmung über das Verhandlungsergebnis!

Bei den Kundgebungen am 22.10 ging es nicht nur um den KV, sondern für viele auch um eine Gehaltserhöhung die über der Teuerungsrate liegt, um eine Einbindung der vielen freien DienstnehmerInnen und anderer „IchAGs“ in den KV. Mehrere KollegInnen (zB die Betriebsräte von Standard und Falter) haben ein Ende der Flucht in den Marketing KV und eine tatsächliche Aufnahme der Onlinebeschäftigten in den JournalistenKV verlangt.

Bei vielen Gesprächen mit GewerkschaftssekretärInnen hieß es immer wieder: „Bei uns gibt es eh Urabstimmungen nach jeder KV-Runde“. Das Memorandum beendet vorerst alle Aktionen der GPA-DJP und ist ein schlechtes Zwischenergebnis im Kampf um einen neuen KV. Es wäre daher Pflicht der Gewerkschaftsführung, die Betroffenen in einer Urabstimmung zu fragen, ob sie mit diesem Zwischenergebnis einverstanden sind. Gerade weil sich viele KollegInnen an den öffentlichen Betriebsversammlungen beteiligt haben. Hier müssen wir weiter machen, und uns auch auf betrieblicher Ebene zusammenschließen und organisieren, um unsere Forderungen umzusetzen!

In Betriebsversammlungen sollten die Inhalte des neuen KV diskutiert werden sowie Forderungen bzw. Ziele für die Verhandlungen beschlossen werden. Und: Die GPA-DJP muss einen allfälligen neuen KV am 1.7. 2013 einer demokratischen Debatte und einer Urabstimmung in den Betrieben unterziehen!

  • Für eine demokratische Debatte und eine Urabstimmung in den Betrieben über das "Memorandum of Understanding"!
  • Allfällige Rücknahme des Memorandums, Aufrechterhaltung des Streikbeschlusses sowie gegebenenfalls erneute Mobilisierung um Druck auf den VÖZ für einen guten KV sowie gegen die Sparpakete in den Betrieben aufzubauen!
  • Nein zu vierteljährlicher Kündigungsmöglichkeit und Stillhalteklausel!
  • Kampf gegen Personalabbau muss weitergehen!

13.11. um 18.30 Veranstaltung:

Angriffe auf unsere Rechte auf allen Ebenen – und was tut die Gewerkschaft?

Wien 20, Gaussplatz 7 – Pizzeria „La Piazza“