Di 18.09.2012
Die Kinder sitzen im Kreis und hören dem Opa zu, wie er ein Märchen erzählt. Da gibt es Bedrohungen, aber es geht gut aus und fortan leben sie glücklich. In der Welt der Großen ist es ähnlich. Politik und Wirtschaft lassen sich regelmäßig Prognosen der Wirtschaftsforschungsinstitute erstellen. Es wird über mögliche Probleme berichtet, doch am Ende steht dann doch ein Aufwärtstrend und natürlich der Kapitalismus als einzig mögliches System.
Häufig müssen die Prognosen später nach unten korrigiert werden. Offensichtlich sind die Grundannahmen politisch motiviert. Das Ergebnis soll gut sein, um die Politik der Herrschenden zu Verkaufen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut IHS schreibt Ende Juni, dass die Weltkonjunktur im 1. Quartal „wieder etwas an Fahrt gewonnen“ hat. Es gibt eine Verlangsamung des schwachen US-Wachstums, ein Nullwachstum im Euroraum und +1 % im Vergleich in Japan. Fahrt wohin? Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien, erklärt im August, es gehe „bei der Investitionsplanung endlich wieder bergauf“. Tatsächlich bleibt das Investitionsniveau bei 63 % der Unternehmen gleich, bei 22 % sinkt es und nur bei 15 % steigt es. Bergauf? Die Schönfärberei hat System: „Minuswachstum“, wenn die Wirtschaft schrumpft, „Konsolidierung“, wenn der Sozialstaat zerschlagen wird, „Abbau von Überkapazitäten“, wenn Personal gekündigt wird. Der Grund ist nicht Naivität, sondern der Versuch, das marode System wie im Märchen als Königreich und die Regierung als strahlenden Helden zu präsentieren. Die Medizin mag schmerzen, aber es winkt ja das glückliche Ende, so die Botschaft. Aber Rotkäppchen kann sehen, dass im Bett der Wolf liegt, sie braucht keinen Retter. Und Prinzen haben schon längst ausgedient. Also weg mit den Wirtschaftsmärchen. Die Realität ist hart - darum gehört sie geändert, nicht schöngeredet.