Mi 01.12.2004
Die soziale Lage in Italien nach dem 1. Weltkrieg war geprägt durch wirtschaftliche Krisen, einer enormen Arbeitslosenrate und durch die partielle Zerstörung des Landes. ArbeiterInnen und Arbeitslose gingen auf die Straße, um Verbesserungen zu erkämpfen. 1917 gab es bereits 443 Streiks und die damalige Regierung musste Kompromisse eingehen, um die ArbeiterInnen ruhig zu halten. Viele Menschen wollten nach 1917 dem Beispiel der russischen Revolution folgen und für Sozialismus in Italien kämpfen. 1920 kam es dann zu Fabriksbesetzungen – die Revolution wurde allerdings durch die ArbeiterInnenparteien regelrecht abgebrochen.
Faschisten gehen den Weg über das Parlament
Im März 1919 gründeten sich die “Fasci”, deren Anführer Mussolini wurde. Am Beginn bedienten sie sich tatsächlich linker Rhetorik und griffen Themen wie Demokratie, Entwaffnung und Landreform auf. Die Praxis zeigte jedoch schnell, was wirklich ihre Ziele waren, nämlich gegen Streiks und Demonstrationen der ArbeiterInnenbewegung wenn nötig auch physisch vorzugehen. Anfänglich waren die Fasci eine Bewegung von Künstlern, Intellektuellen, Kriegsbefürwortern und Veteranen. 1922 bildete sich dann die PNF, die faschistische und nationalistische Partei Italiens, und damit eine Partei mit einem eindeutigen Charakter, der sich 1923 wesentliche Elemente des traditionellen nationalistischen Lagers in Italiens anschlossen. Zwischen 1919 und 1922 wechselten sich instabile Regierungen von liberalen, monarchischen und christlichen Strömungen ab, doch die eigentliche Politik wurde von den Kämpfen auf der Straße bestimmt. Am 31. Juli 1922 kam es zum “gesetzmäßigen Streik” – Hintergrund sind die Wirtschaftsskrise und die zunehmenden Versuche, die ArbeiterInnenbewegung aus dem politischen Leben auszuschalten . Den Streikankündigungen folgte ein Ultimatum der PNF an die Regierung: würde der Staat den roten Unruhestiftern kein Ende breiten, dann würden sich die Squadre (faschistische Schlägertrupps) darum kümmern. Die Regierung und der König überließen die Streikenden den Faschisten.
Der Marsch auf Rom
Am 27. Oktober 1922 marschierten die “Schwarzhemden” (Faschisten) zwar nicht, sie fuhren aber größtenteils mit dem Zug in Richtung Rom, um Regierungsbeteiligung der PNF erzwingen. Durch die Unterstützung des Königs kam es dann zu Neuwahlen und am 30. Oktober bildete sich das erste Kabinett Mussolini. Es war dies eine Koalition zwischen Faschisten und bürgerlichen Parteien bzw. Kräften – die übrigens auch in anderen Staaten später typische Form der “Machtergreifung” . Die ersten Aktionen der Regierung waren nicht überraschend: Die Squadre erhielten ihren Platz in der Sicherheitspolizei und ein neues Wahlgesetz wurde verabschiedet.
Dieses neue Gesetz brachte ihnen 1924 zwar eine Mehrheit im Parlament; noch blieb der Terror aber nicht widerstandslos. Nach der Ermordung des Sozialistenführers Matteotti wurde die antifaschistische ArbeiterInnenbewegung noch einmal in großem Maßstab aktiv. Es kam zur Bildung eines Bündnisses zwischen KommunistInnen, SozialistInnen und Gewerkschaftsbund. Leider gingen das Programm und die Forderungen nicht über den Kapitalismus hinaus und man gab Losungen aus, wie “weder Revolution noch Faschismus”. Diese Bewegung führte nur zu einer kosmetischen Veränderung in der Regierung und zu einigen Austritten aus der PNF. Dank der Rückendeckung durch Papst, König und Unternehmer konnte Mussolini seine Macht im Land wiederherstellen. 1926/27 endete die parlamentarisch verschleierte Etappe des Faschismus in Italien. Mandate von linken Parteien wurden annulliert, KommunistInnen und SozialistInnen verfolgt und alle Organisationen und Parteien außer der PNF wurden verboten. Im Vergleich zu Deutschland hat der Faschismus in Italien einen langen Weg an die Macht gehen müssen und er war lange nicht so stabil wie das Regime von Hitler. Mussolini konnte nicht im selben Ausmaß auf die Massen zählen und musste sich so längere Zeit auf Bündnispartner im Rahmen des parlamentarischen Systems stützen.
Sturz des Faschismus 1943 nicht von außen
Die relative Schwäche des italienischen Faschismus verhinderte die totale Liquidierung der ArbeiterInnenorganisationen im Untergrund. 1943 war es daher möglich, dass eine Bewegung der proletarischen Einheit entstand, der KommunistInnen, sozialistische Gruppen und liberale Strömungen angehörten. Der Faschismus war in einer Krise und die Unternehmer, der König und die Kirche verließen das sinkende Boot: Mussollini wurde von den faschistischen Staatsorganen selbst abgesetzt. Gewisse faschistische Kontinuitäten – welche die extrem starke Kommunistische Partei Italiens durch eine bewusst verhinderte Revolution nach 1945 nicht durchbrochen hat – wirken bis heute im politischen Systems weiter. Der derzeitige Vizepremier und Außenminister Italiens – Fini – ist Führer einer Partei, die in direkter Nachfolge der Neofaschistischischen Bewegung nach Kriegsende steht.