Rechtsterrorismus – schaute der Staat zu?

Naziterrorgruppe in Sachsen/Thüringen deckt die Qualität faschistischen Terrors auf.
CWI-Deutschland

Was in diesen Tagen aus Sachsen gemeldet wird ist ungeheuerlich. Oder sagen wir, es wäre ungeheuerlich, wäre es nicht so normal. Während sich die Landtagsfraktionen von CDU und FDP in eine Front mit der rechtsradikalen NPD stellen und zu dritt die Anonymität von LINKEN-Fraktionschef André Hahn aufheben, weil sich dieser friedlich an den Blockaden gegen den Neonazi-Aufmarsch in Dresden in den Jahren 2010 und 2011 beteiligt hat, es Hausdurchsuchungen gegen AntifaschistInnen hagelt, die Dresdner Zentrale der Partei DIE LINKE von Polizisten gestürmt wird und das Bündnis „Dresden nazifrei“ an der TU Dresden keine Blockadetrainings abhalten darf, fühlen sich hier Nazis ganz wohl!

Es dauerte erst einige Tage, bis nach dem Tod von Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos endlich darüber nachgedacht wurde, ob die beiden mit rechtsradikalen Kreisen in Kontakt stünden. Noch zuerst wurde in den meisten Medien jeglicher politischer Hintergrund abgestritten. Es waren aktive AntifaschistInnen wie PolitikerInnen von DIE LINKE und der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König, ebenfalls ein Opfer der staatlichen Verfolgung der Blockierer von Dresden, die wiederholt darauf hingewiesen hatten, dass Böhnhardt und Mundlos bereits durch rassistisch motivierte Gewalttaten bekannt geworden waren.

Dann endlich das Zugeständnis: Kontakte ja, aber mehr nicht. Als sich Beate Zschäpe in Jena den Behörden stellte und in der von ihr gesprengten Wohnung in Zwickau deutliche Hinweise zur Motivation der drei gefunden wurde, musste man zugestehen, was sich längst die Spatzen von Dächern zuzwitscherten: Es gibt in Deutschland rechtsradikalen Terrorismus.

Heruntergespielt

Wie müssen sich die Angehörigen der Opfer der drei Nazis vorgekommen sein. Als in den Jahren 2000 bis 2006 neun ImmigrantInnen von ihnen umgebracht wurden, hieß es von Seiten der Ermittlungsbehörden, die türkische Mafia stecke dahinter. Anhaltspunkte dafür gab es nicht. Diese Vermutung war schon damals haltlos und wurde nur durch die Tatsache gestützt, dass alle Opfer mit derselben Waffe ermordet wurden. Sonst gab es nur eine Gemeinsamkeit: Sie alle waren MigrantInnen. Aber auf ein rassistisches Tatmotiv wollte niemand kommen.

Unter den Augen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Verfassungsschutz wurde eine Mordserie begangen, die ihres gleichen sucht. Und die Schuld wurde quasi den Opfern selbst zugeschoben. Aber auch jetzt noch wird versucht, davon abzulenken, dass es faschistische Terrorgruppen in Deutschland gibt, sondern die Mordserie der kleinen Gruppe aus Zwickau zugeschrieben.

Der Vergleich mit der RAF

Doch mehr als 120 faschistische und rassistische Morde seit 1990, gezielte Angriffe auf Organisatoren der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV im Jahre 2004, Attacken gegen Gewerkschaftsdemonstrationen, subkulturell geprägte Jugendliche und MigrantInnen sprechen da wahrlich eine deutliche Sprache. In den letzten Jahren gab es immer wieder große Waffenfunde bei Nazis.

Doch das, was das Trio (inklusive weiterer Mitglieder des „nationalsozialistischen Untergrunds“) in Zwickau organisierte, deckt die Qualität des faschistischen Terrors nun auf. Aufgrund der zahlreichen bisher aufgedeckten Verbindungen zu Verfassungsschutz und anderen Nazis ist klar, dass die Terrorgruppe Unterstützung hatte.

Doch die Regierung versucht mal wieder rechts und links gleichzusetzen. Bundeskanzlerin Angela Merkel faselte in ihrer unnachahmlichen Weise, man müsse sich gegen jede Form des Extremismus zur Wehr setzen und – welch Verhöhnung der Opfer im Angesicht dieser rassistischen Mordwelle – bei dem Zwickauer Trio handele es sich wahrscheinlich um Rechtsextremisten. Noch nicht einmal jetzt deutliche Worte! Und wie sollte es anders sein, sofort wird staatlicherseits nicht über Rechts-, sondern über den Linksterrorismus gesprochen, werden Vergleiche mit der RAF der 70er Jahre bemüht.

Um allen Irrtümern vorzubeugen: MarxistInnen lehnen den individuellen Terror ab. Eine Bombe ist kein Zeichen zum Aufstand, ein Anschlag ebnet nicht den Weg zur Abschaffung des Kapitalismus. Ganz im Gegenteil, er spielt den Herrschenden in die Hände, kriminalisiert den Kampf für eine menschenwürdige Gesellschaft und gibt den Herren und Damen in Nadelstreifenanzug und Kostüm die Möglichkeit den Repressionsapparat auszubauen und selbst gegen jene einzusetzen, die nichts mit Terrorismus zu tun haben.

Doch wie unvergleichlich oberflächlich ist doch der Vergleich mit der RAF. Die Rote Armee Fraktion griff die Starken dieser Gesellschaft an. Jene die Macht hatten, wie Hans-Martin Schleyer. Das Zwickauer Trio hatte die Schwachen dieser Gesellschaft zum Ziel: Migrantinnen und Migranten. Während die RAF – und mit ihr auch völlig Unschuldige – den gesamten Verfolgungsdruck des Staatsapparates zu spüren bekamen, deutet bei den Nazis Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe alles auf Hilfe aus den Reihen des Verfassungsschutzes hin. Hätte man die Spuren, des Nazi-Trios, mit dieser Energie verfolgt wie in den 70er Baader, Meinhof und Ensslin, wie viele ihrer Opfer würden noch leben?

AntifaschistInnen brauchen Mut – Nazis den Staat

Es braucht Mut, sich Nazis in den Weg zu stellen. Dies zeigen die Ereignisse nach den blockierten Nazi-Aufmärschen vom Februar 2010 und 2011 in Dresden. Nachdem der Staat über Jahre tatenlos zusah, wie Dresden zum Aufmarschplatz faschistischer Kräfte ganz Europas wurde, werden nun jene kriminalisiert und verfolgt, die sich dem Nazi-Aufmarsch entgegenstellten. Sie wurde mit Pfefferspray und Gummiknüppeln angegriffen, mit Hunden von ihren Blockadepunkten vertrieben. Ja, es braucht Mut, eine Antifaschistin, ein Antifaschist zu sein. Denn man wird nicht nur von denen verfolgt, gegen die man friedlich angeht, sondern auch noch von den staatlichen Verfolgungsbehörden.

Aber es ist keine Frage des Muts mit vorgehaltener Waffe einen Imbiss-Besitzer oder einen Änderungsschneider zu ermorden. Die Schusswaffe bringt den nicht ausgleichbaren Vorteil, der den Mut nicht nötig macht. Eine solche Tat bedarf keines persönlichen Muts, sie bedarf der Kaltblütigkeit, die nur ein Weltbild wie das des National-„Sozialismus“ hervorbringen kann. Die drei brauchten keinen Mut, denn irgendwer im Staatsapparat hielt schützend die Hand über die drei – mehr als ein Jahrzehnt. Kein Sondereinsatzkommando stürmte ihren Unterschlupf, niemand kam ihnen auf die Spur. Und es sind beklemmende Fragen, die man sich nun stellen muss, selbst dann, wenn man von diesem Staat, den etablierten Parteien von CDU/CSU bis Bündnis 90/Die Grünen keine Hilfe im Kampf gegen Nazis erwartet hat.

Wer wusste davon?

Die Ausgabe des „Spiegel“ vom 14.11.2011 meinte, das Trio sei „mit so eiskalter Präzision“ vorgegangen, „dass ihm die Ermittler ein Jahrzehnt lang nicht auf die Spur kamen.“ Wirklich? Wie wahrscheinlich ist es, dass in einem Land, in dem Mieten nicht mehr bar bezahlt, über Abhebungen Buch geführt und selbst Handykontakte kontrolliert werden, Menschen, die schwerste Straftaten verüben über mehr als zehn Jahr hinweg einfach untertauchen?

Alle drei: Uwe Bohnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe waren einschlägig bekannt. Schon Ende der 90er Jahre beteiligten sie sich an rechtsradikalen Bombenanschlägen, wurden gesucht und tauchten unter – bis vor wenigen Tagen. Schon in den Tagen ihres Verschwindens rochen AntifaschistInnen Lunte. Das Bohnhardt, Mundlos und Zschäpe gleichermaßen die Flucht gelang, war schon damals mehr als eigenartig.

Alle drei kamen aus den Reihen des 1998 verbotenen „Thüringer Heimatschutzes“, dessen Chef erhielt vom Verfassungsschutz in den 90er Jahren rund 200.000 D-Mark (gut 100.000 Euro), denn er galt als V-Mann. Das Geld floss in den Aufbau der militanten Organisation. Für den „Thüringer Heimatschutz“ hat sich das Geschäft gelohnt! Hingegen waren die Informationen, die der Verfassungsschutz erhielt bestenfalls dürftig, denn von der bedenklichen Entwicklung der drei rechtsterroristen erfuhr der Verfassungsschutz auf diesem Wege nichts. Oder doch?

Selbst André Schulz, Chef des Bundes deutscher Kriminalbeamter, konnte nur seine Verwunderung über den Verlauf des Falls zum Ausdruck bringen. Gegenüber den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ vom 14.11.2011 hielt er fest: „Wir wissen nichts Konkretes. Aber irgend etwas stimmt hier nicht.“ Sein Seitenhieb geht in Richtung der Generalbundesanwaltschaft. Diese habe sehr schnell 24 Aktenordner über das Nazi-Trio vorgelegt, obwohl die Terroristen angeblich niemandem bekannt waren.

In der Tat, das braune Terrornetz hat Fäden geknüpft, die an irgendeiner Stelle sehr wahrscheinlich beim Verfassungsschutz zusammenlaufen. Das zeigt in erschütternder Weise, wie sehr die antifaschistische Bewegung mit ihrer Analyse, dass man sich auf den Staat im Kampf gegen Nazis nicht verlassen könne, man ihn also selbst in die Hand nehmen muss, Recht hat.

Es gibt nur eine Antwort…

Und das ist den Kampf gegen Nazis entschlossen und organisiert aufnehmen. Das heißt, sich zu organisieren, Nazis zu Outen, Nazistrukturen zu bekämpfen und Naziaufmärsche zu blockieren. Die nächste wichtige Gelegenheit ist im Februar 2012 in Dresden. Auch 2012 muss der Aufmarsch der Nazis in Dresden durch Massenblockaden gestoppt werden. Denn was wir von staatlicher Seite zu erwarten haben, zeigten uns die letzten Monate und zuletzt die Verwicklungen um das Trio aus Zwickau.

Dennoch sei eine Sache gesagt, 2007 fielen den drei Nazi-Terroristen auch eine Polizistin, Michéle Kiesewetter, und ihr Partner zum Opfer. Während ihr männlicher Kollege schwer verletzt überlebte, wurde Michéle Kiesewetter buchstäblich ohne jedes Zögern hingerichtet. Jeder Beamte in Uniform muss sich die Frage stellen, warum er Befehle befolgt, die bedeuten, Nazis, die zu solchen Terror greifen, zu schützen, aber gegen Antifaschisten vorzugehen.

AntifaschistIn sein heißt AntikapitalistIn sein!

Noch eines zeigen die Taten der drei Nazi-Terroristen deutlich: Gegen wen Nazis kämpfen. Sie suchen nicht den Kampf mit dem Kapitalismus. Sie überfallen feige jene, die wehrlos sind und brüsten sich auf ihren Internetseiten dennoch damit den Kapitalismus abschaffen zu wollen. Sie sind die „Sturmtruppen“ der Herrschenden , die jene angreifen, die soziale Proteste organisieren, wie 2004 bei den Dresdner Montagsdemos oder mit den Angriffen auf Gewerkschaftsdemos in NRW.

Sie schüren den Hass auf polnische und türkische KollegInnen, die weder etwas für Hartz IV, noch für schlechte Arbeitsbedingungen können. Im Gegenteil, sie leiden am meisten darunter. Schon deshalb kann man nur Antirassist sein, wenn man Antikapitalist ist. Denn der Kapitalismus spaltet uns entlang nationaler und religiöser Linien und Nazis helfen dabei und genauso deshalb nutzen sie den Herrschenden.

Doch viel bedeutender: Wir dürfen nicht zulassen, dass Nazis so tun, als würden sie den Kapitalismus ablehnen. Als wären sie die letzte Haltelinie gegen die unkontrollierten Märkte. Als würden sie die Interessen der ArbeiterInnen, Angestellten, Jugendlichen und RentnerInnen vertreten. Denn wenn wir das zulassen, dann lassen wir auch zu, dass sie sich verankern und mit ihren Ideen das Klima weiter vergiften. Und was die Folge dessen ist, zeigt das Trio aus Zwickau. Das können wir nur verhindern, wenn wir den Nazis mit einem konsequent antikapitalistischen, kämpferischen Programm die Stirn bieten.