Di 13.01.2004
Die von der Regierung vorgestellte Steuerreform ist die Fortsetzung der neoliberalen Umverteilungspolitik zugunsten von Unternehmen und Vermögenden. Sie setzt auch die bereits unter SPÖVP begonne Steuerpolitik – mehr Massensteuern, weg von Einkommens- und Vermögensbesteuerung – fort. Die als Wahlzuckerl für die Kärntner und Salzburger Wahlen gedachte Reform erweist sich bei näherem Hinschauen als Raubzug gegen ArbeitnehmerInnen und sozial Schwache. Haider als Chefverhandler hat einmal mehr bewiesen, dass die FPÖ nicht die Partei „des kleinen Mannes“ ist, sondern eine radikale Partei der UnternehmerInnen und Reichen.
Die Reform ist im Interesse der großen Unternehmen, VerliererInnen sind Menschen mit geringerem Einkommen. Die Behauptung von Grasser, die Anzahl jener, die gar keine Steuer zahlen, würde grösser werden ist schlicht falsch. Zwar wird die Grenze, bis zu der Einkommen steuerfrei sind auf 14.500 jährlich angehoben. Die Belastung der niedrigeren Einkommen hat in den letzten Jahren durchgestiegene Gebühren und Abgaben allerdings zugenommen (mit 2004 kommt es zu weiteren Erhöhungen bei Energiesteuer und Mineralölsteuer). Fast die Hälfte der gesamten Steuereinnahmen stammen aus Umsatz- und Mineralölsteuer, also Massensteuern. Die Umsatz/Mehrwertssteuer bei der Bezahlung von Miete, Lebensmitteln und Fahrpreisen bedeutet in der Realität eine extrem hohe Steuerbelastung eben der unteren Einkommensschichten. Schon jetzt zahlen ArbeitnehmerInnen mit Lohn- und Mehrwertssteuer rund 2/3 des gesamten Steueraufkommens, die Maßnahmen der Regierungen werden Österreich noch stärker als bisher zu einem Steuerparadies für Reiche und Unternehmen machen. „Auch 2005, nach der angeblich größten Entlastung aller Zeiten, bleiben, wegen der sich summierenden Belastungen seit dem Jahr 2000 unterm Strich für die Arbeitnehmer und Pensionisten 600 Millionen Euro Belastungen über, während die Unternehmer in Summe um mehr als eine Milliarde Euro entlastet werden.“ (Tumpel und Verzetnitsch, 13.1.03)
Die wesentlichen Eckpunkte der Reform sind:
- Die Behauptung, Unternehmen und ArbeitnehmerInnen würden zu gleichen Teilen entlastet stimmt nicht. 90 000 Unternehmen stehen 5,7 Millionen Lohnsteuerpflichtigen gegenüber. Die Wirtschaft wird mit 2,015 Milliarden Euro entlastet, ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen mit 975 Millionen.
- Die eindeutigen Gewinner sind rund 90.000 Kapitalgesellschaften. Für sie sinkt die Körperschaftssteuer kräftig (und stärker als selbst von Unternehmerseite gefordert) von 34 auf 25 Prozent und wird damit nach Irland die zweitniedrigste der momentanen EU-Staaten sein. Die Industriellenvereinigung hatte eine Verringerung der Körperschaftssteuer (KöSt) auf 29 % gefordert. Selbst die EU hat in einer Studie die faktisch niedrige KöSt in Österreich von ca.18% kritisierte. Die Profiteure sind jene ca. 20% der österreichischen Unternehmungen, die Kapitalgesellschaften sind, überwiegend Großkonzerne, welche über die größten Gewinne verfügen. Laut WirtschaftsBlatt-online bedeutet die KöST-Senkung beim Flughafen Wien 2005 einen zusätzlichen Gewinn von 15,8 Prozent. Bei EVN und voestalpine liegt dieser Wert bei jeweils über +13%.
- Die Reduzierung von vier auf drei Steuerstufen ist ein Schritt in Richtung der von der FPÖ schon lange geforderte unsoziale Flat tax. Der unterste Steuersatz wird von 21 auf 23% angehoben.
- Der Spitzensteuersatz von 50% (ab einem Jahreseinkommen von 51.000 Euro) bleibt nur deshalb, weil laut Verfassungsbestimmung die Kapitalertragssteuer Kest nicht mehr als den halben Höchststeuersatz in der Einkommenssteuer ausmachen darf. Die Kest liegt bei 25%.
- Die „Förderung der Familien“ ist Abhängig von der Existenz eines Arbeitsplatzes – arbeitslose AlleinerzieherInnen erhalten nichts - und bedeutet v.a. die Förderung kinderreicher Familien mit dem traditionellen Rollenbild des Mannes als einzigem Familienernährer. Der Teufelskreis – Alleinerzieherin – fehlende Kinderbetreuung – deshalb kein Job – Armut – wird nicht durchbrochen, aber der Druck auf Frauen mit Partner erhöht, zuhause zu bleiben und nicht Arbeiten zu gehen. Mit den 250 Millionen Euro, die die Steuererleichterungen für Alleinverdienende kostet könnten ca. 60.000 Kinderbetreuungsplätze geschaffen und damit der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden. AK-Präsident Herbert Tumpel: "Eine Arbeiterfamilie, wo beide verdienen müssen, kriegt das nicht, ein Manager mit drei Kindern wird gefördert."
- Gesellschaftspolitisch werden mit der Förderung von Kinderreichtum und der verstärkten Absetzbarkeit des Kirchenbeitrages sowie mit der Abschaffung der Schaumweinsteuer – einer aus der Ära des „Roten Wiens“ stammenden Luxussteuer - klare Signale gesetzt.
Wenn Schüssel ankündigt "Unsere Gegenfinanzierung besteht darin, dass wir konsequent Strukturreformen vorantreiben. Darunter fällt die Modernisierung der Verwaltung ebenso, wie eine Reduktion der Dienstposten beim Bund, die Pensionssicherungs- und Gesundheitsreform wie auch die Verkehrsreform." (ÖVP-Homepage, 9.1.2004) dann ist dass eine Drohung. Auch wenn die Regierung kurzfristig von ihrem Ziel Nulldefizit abrückt, werden sie das Defizit als Argument für weitere Angriffe nutzen. Und das bedeutet im Klartext: Stellenabbau = steigende Arbeitslosigkeit, weitere Kürzungen bei Pensionen und im Gesundheitswesen sowie Privatisierungen der ÖBB.
Die Steuerreform ist nicht deshalb zu kritisieren, wie die Grünen es tun, weil sie neue Schulden bringen würde, sondern weil sie eine Umverteilung hin zu Unternehmen bedeutet. SPÖ und Grüne kritisieren den Entwurf zwar, alternative Konzepte bietet sie nicht an. Hintergrund der Steuerreform ist der Versuch, dem österreichischen Kapital durch die Senkung der Köst einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den neuen EU-Beitrittsländern zu verschaffen. Bezahlen soll das die ArbeiterInnenklasse, da durch die Reform die Steuerlast noch stärker von Unternehmen auf ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose und sozial Schwache abgewälzt wird.
Schon jetzt sind Einkommen und Vermögen extrem ungleich verteilt:
- Das reichste Fünftel besitzt rund 50 % des Vermögens und das ärmste Fünftel weniger als 2%.
- 350 ÖsterreicherInnen besitzen jeweils mehr als 10,9 Mio. Euro Geldvermögen, 7.000 ÖsterreicherInnen jeweils 3,63 bis 10,9 Mio. Euro.
- Im Jahr 2000 machten die Löhne und Gehälter nur ca. 61% des Volkseinkommens aus, obwohl rund 90% der ÖsterreicherInnen ihr Leben von Löhnen und lohnabhängigen Leistungen bestreiten.
- Der Beitrag der Gewinnsteuern am Gesamtsteueraufkommen hat sich seit 1965 von 28 auf 14 % halbiert. Gleichzeitig hat sich der Anteil der Lohnsteuern von 10 auf 30 % verdreifacht.
- Die effektive Unternehmensbesteuerung liegt in Österreich mit 17,67 % an drittniedrigster Stelle in der EU. Läge sie im EU-Schnitt von 27 %, brächte dies zusätzliche Einnahmen in der Höhe von mindestens 1,45 Mrd. Euro.
Unsere Steuer-Forderungen
Die von der Regierung geplante Steuerreform ist abzulehnen. In der ArbeiterInnenbewegung wurde immer wieder die Forderung nach stark progressiver Einkommensbesteuerung und nach der Abschaffung aller Massensteuern aufgestellt. Eine Flat-Tax (und die Reform mit der Reduzierung und Aneinanderführen der Steuerstufen geht in diese Richtung) scheint nur auf den ersten Blick gerechter zu sein. In der Praxis gibt es sie für Konsumausgaben – wenn wir etwas kaufen, zahlen wir alle Umsatzsteuer, und der Steuersatz ist unabhängig von unserem Einkommen. Das heißt aber in der Praxis, das Menschen mit niedrigerem Einkommen einen wesentlich höheren Anteil von ihrem Einkommen für diese Steuer ausgeben müssen als Wohlhabendere. Wir lehnen daher alle Formen von Massensteuern und „Flat-Tax“ ab. Statt dessen treten wir bei der Einkommensbesteuerung für eine starke Progression ein – das für höhere Einkommen auch ein höherer Steuersatz bezahlt wird und somit eine gewisse Umverteilung von oben nach unten durchgeführt wird.
Mehr zur Einkommens- und Steuerverteilung in unserer Broschüre „Wer soll das bezahlen“ (bestellen unter slp@slp.at, 4 Euro inklusive Porto, zusendung erfolgt nach Überweisung auf unser PSK Konto 8812.733)
- Abschaffung aller Massen- und Konsumsteuern, besteuert werden soll nur mehr Einkommen, Besitz und Vermögen.
- Aus für steuerfreie Stiftungen, Besteuerung mit dem entsprechenden Einkommenssteuersatz
- Wiedereinführung der Vermögenssteuer
- Einführung einer Wertschöpfungsabgabe als echte Unternehmerbeiträge zu den sozialen Sicherungssystemen.
- Besteuerung aller Einkommen mit einem stark progressiv mit der Einkommenshöhe anwachsenden Steuersatz – Weg mit Steuerschlupflöchern für Reiche. Die Abschaffung der diversen Abschreibungs- und Sonderregelungen wäre eine tatsächliche Vereinfachung des Steuersystems.
- Ein mögliches Modell wäre, Gewinne, Zinsen, Dividenden und sonstige Kapitalerträge mit anderen Einkommen zusammenzurechnen und die Gesamteinkommen mit dem jeweiligen Einkommenssteuersatz zu besteuern.
- Offenlegung der Bücher von Unternehmen, um die Steuern auf realer Grundlage, und nicht auf Basis von verfälschten Bilanzen berechnen zu können.
- Arbeitszeitverkürzung bei einem Mindestlohn von 1100 Euro netto um die Arbeitslosigkeit effektiv zu bekämpfen und ein würdiges Mindesteinkommen zu garantieren.
Der ÖGB ist nun dazu aufgefordert, eine Bewegung gegen diesen neuen Raubzug der Regierung zu organisieren. Es gibt auf verschiedenen Gewerkschaftstagen beschlossene Forderungen nach der (Wieder-)Einführung von Vermögenssteuer und Wertschöpfungsabgabe. Statt in Kommissionen zu sitzen, statt Protestnoten zu verfassen muss der ÖGB für 2/3. April zu einer Massendemonstration gegen Sozialraub und Privatisierung aufrufen. An diesem Tag werden in ganz Europa GewerkschafterInnen dem Aufruf des Europäischen Gewerkschaftsbund folgend Proteste organisieren. Der ÖGB hat beim Pensionsraub versagt, sein Pensionsmodell hat die Alternativlosigkeit der ÖGB-Führung gezeigt und bedeutet ebenfalls Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen und sozial Schwache. Die Kämpfe gegen die Angriffe der Regierung wurden abgebrochen, anstatt sie konsequent zu Ende zu führen. Diesmal muss der ÖGB mit mehr Entschlossenheit und unter Einbindung der Gewerkschaftsmitglieder die Angriffe zurückschlagen und Verbesserungen für die ArbeiterInnenbewegung erkämpfen. Die SLP wird gemeinsam mit der Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften in der Gewerkschaftsbewegung für ein solches Programm eintreten.