Di 26.03.2002
Der derzeitige Plan für die Erweiterungsrunde umfaßt von den osteuropäischen Ländern für 2004 Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Lettland, Litauen, Estland und Polen. Rumänien und Bulgarien wurden von der EU-Kommission kürzlich um 4 Jahre zurückgestuft. Das sind die 10 MOELs (Mittel- und Osteuropäischen Länder). Für die Insel Malta ist es sehr wahrscheinlich, beim geteilten Zypern und der Türkei spielt u.a. der Konflikt mit Griechenland eine komplizierende Rolle. Eine um die 10 osteuropäischen Staaten erweiterte EU würde 500 Millionen Menschen, damit den größten Binnenmarkt der Welt umfassen. Das vorhandene Wohlstandsgefälle würde sich durch diesen geeinten Markt angleichen. Soweit die offizielle Darstellung. Die Wirklichkeit ist freilich komplizierter und anders.
Die Welt in der wir leben: Krise und Kriegsgefahr
Die Homepage der Aussenministerin vergleicht die Erweiterung mit der Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zwischen Frankreich und Deutschland vor 50 Jahren. In der Tat befinden wir uns in einer Periode von bedeutenden globalen Veränderungen. Die Weltlage heute unterscheidet sich von der in den 1950ern aber wesentlich: Die Weltwirtschaft befindet sich im Niedergang. Wir stehen derzeit am Beginn einer längeren Periode von Rezession/Depression und blutleeren kurzen 'Aufschwüngen'. Nach dem Weltkrieg bot die unvorstellbare Vernichtung von Produktionsmitteln und damit der Wiederaufbau dem Kapitalismus die Möglichkeit zu längerfristigem Wachstum - und damit auch Spielraum und Sinn für die EU bzw. deren Vorläufer. Entwickelte sich mit dem Kalten Krieg ein zumindest in den kapitalistischen Zentren relativ stabiles Gleichgewicht (jahrzehntelang ohne Kriege in Europa), ist die Welt heute von wachsender Instabilität - auch in den imperialistischen Ländern gekennzeichnet. Die Dominanz der USA ändert daran nichts - im Gegenteil. Der Zerfall von Staaten, Krieg und Bürgerkriege schlagen hohe Wellen bis auf den westeuropäischen Kontinent. Kriege und Kriegsgefahr nehmen zu - in Washington spricht man erstmals von einem führbaren `kleinen` Atomkrieg gegen `Schurkenstaaten`. Der Erweiterungs-Plan wurde mit dem Beschluß der Kopenhagener Kriterien 1993 zu einem Zeitpunkt in Angriff genommen, als sich die Bourgeoisie weltweit in einer Offensive befand und nach dem Zusammenbruch des Stalinismus ihre eigene Propaganda selbst glaubte, der Kapitalismus könnte eine kontinuierliche und friedliche Aufwärtsentwicklung nehmen. Ein völlig anderes Bild bot der EU-Gipfel in Nizza Ende 2000: Die einstige Achse Deutschland-Frankreich ist gebrochen, die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums spürbar, nationalistische Empfindlichkeiten deutlich.
Das Dilemma der EU
1952 kam es mit einer Serie von Wirtschaftsverträgen zur Grundsteinlegung der späteren EG und EU. Deutschland, Frankreich und Italien (als Anhang die Benelux-Länder) versuchten gemeinsam, die Schwerindustrie anzukurbeln. In den bisher drei Erweiterungsrunden kamen Britannien (1973), die südosteuropäischen Länder in den 80ern sowie 1995 Schweden, Finnland und Österreich hinzu. Doch diese Einigung, erst recht mit den Schritten zur Euro-Währung, gemeinsamer Verfassung und bundesstaatlicher Struktur, hat ihre systembedingten Grenzen. Die EU-Länder (v.a. Deutschland, Frankreich, Britannien, Italien) sind einerseits gezwungen, in der Konkurrenz zu USA und Japan/Asien zusammenzurücken und einen Block mit einheitlicher Währung und großem internen Markt zu bilden. Andererseits existieren ebenso Widersprüche zwischen den europäischen imperialistischen Staaten. Die EU kann nicht die durch den besonderen Werdegang und den nordamerikanischen Bürgerkrieg entstandene Struktur der USA imitieren. Auch der Euro ist kein EU-Dollar, da die Interessen der nationalen Notenbanken in Krisenzeiten das gemeinsame Projekt des größten Binnenmarktes überlagern werden. Der kapitalistische Nationalstaat gerät zusehends in Konflikt mit dem System globaler Produktion und Verteilung. In diesem Dilemma befinden sich auch die EU-Staaten. Die tatsächliche und friedliche Einigung Europas ist unter dem 'kapitalitischen Besitzstand' unmöglich.
Konjunkturstütze?
Im letzten Jahrzehnt hat sich der österreichische Außenhandel mit den MOELs mehr als verdoppelt. Für den österreichischen Kapitalismus, den größten Exporteur von Kapital nach Slowenien, ist dieser Markt wichtiger als Japan. Für die wichtigste EU-Wirtschaftsmacht Deutschland gilt dies umso mehr. Laut einer Pressemitteilung des Wirtschaftsministers von Nordrhein-Westfalen hat das bevölkerungsreichste Bundesland mit Osteuropa einen höheren Außenhandel als mit den USA. Angesichts der Rezession (in Deutschland nun offiziell seit Mitte letzten Jahres) ist es klar, warum der Minister die Osterweiterung als 'Konjunkutprogramm' für den Westen postuliert.
Moderner Kolonialismus
Die verstärkte Ausbeutung Osteuropas geschieht unter den Vorzeichen einer `Marktwirtschaft ohne Vorzeichen`. Internationale Konzerne und willige politische Vollstrecker haben in den Reformstaaten begonnen Privatisierungen und Stilllegungen, Steuerbegünstigungen und Subventionen für Unternehmen, Deregulierung und Stellenabbau im Öffentlichen Dienst umzusetzen. All diese Punkte sind auch Bestandteile der Verhandlungskapitel. Lohndumping wird für die westeuropäischen Beschäftigten in eine Folge sein. Die Kapitalisten werden - noch - stärker mit Produktionsverlagerung drohen und 'Opfer' einfordern. Das ist der eigentliche Inhalt der Beitrittskriterien. Das meint die EU, wenn sie vom 'gemeinschaftlichen Besitzstand' spricht, zu dessen Übernahme sich jeder neue Mitglieds-Staat verpflichten muß. Die westlichen Unternehmen werden noch bessere Möglichkeiten vorfinden, die Rosinen herauszupicken, Rohstoffe und menschliche Ressource unmittelbarer ausbeuten zu können. Das Lohngefälle im Raum von EU- und Beitritts- Staaten beträgt heute 1:7! Nur für wenige Fachkräfte wird es Aufenthalts- und Arbeitsbewilligungen geben, die große Mehrheit der ArbeitnehmerInnen wird von der 'Erweiterung' nicht profitieren. Abgesehen von einzelnen Investitionen in die Produktion (VW/Skoda in Tschechien), die vorübergehend in Teilbereichen den Arbeitsmarkt entspannen könnten, wird die Tendenz der De-Industrialisierung weitergehen.
Der Imperialismus und seine Juniorpartner
Der EU-Kapitalismus bzw. die führenden nationalen Teile streben an, die herrschenden Eliten Osteuropas (allen voran die 'Musterschüler') zu ihren Juniorpartnern zu machen. Diese sind - trotz gewisser unausgeräumter Konflikte - dazu bereit. Ein Zeichen dafür ist die rasche Annahme der deutsch/österreichischen Forderung nach einer mehrjährigen Übergangsfrist für den freien Personenverkehr; die offizielle Sprachregelung: 'zum Schutz des Arbeitsmarktes'. Nun, diese Regelung schränkt weder die Regierung noch etwa die ungarischen Kapitalisten ein, geschweige denn das westliche Kapital, Osteuropa als verlängerte Werkbank zu mißbrauchen. Bezeichnend ist darüber hinaus, dass der Versuch Ungarns, ebensolche Übergangsfristen für den Erwerb ungarischen Bodens durch ausländische Investoren zu erhalten, von Brüssel sofort abgeblockt wurde. Diesen März hat auch die polnische Regierung (laut Erweiterungs-Kommissar Verheugen 'unerwartet') in der Frage des Ankaufs von Anbauflächen durch ausländische Agrar-Investoren ihr O.K. gegeben. Im Fall der Benes-Dekrete äußerte sich die ungarische Regierung zur Unterstützung der rechten Forderungen aus Österreich und Deutschland. Ein anderer Aspekt ist die regelrechte militärische Besetzung dieser Staaten durch den westlichen Imperialismus im Rahmen der NATO. Bulgarien zum Beispiel erlaubte jetzt zum ersten Mal in der Geschichte die Benutzung des Landes als Militärbasis für fremde Truppen. Was die USA dort dürfen, sei vorher niemanden gestattet worden - “auch nicht den Sowjets” wie der bulgarische Außenminister Passy betonte (Presse 27.3.2002).
Mafia-Kapitalismus seit der 'Wende'
Dem Zusammenbruch des Stalinismus folgten De-Industrialisierung und die Herrschaft korrupter, mafia-ähnlicher Wirtschafts- und Politik-Cliquen. Die EU-Kommission ist sich diesen Zustands ihrer Partner voll bewußt und spricht dies auch in ihren Berichten an. Doch 'besorgniserregende ... Wirtschaftskriminalität', 'Korruption' und 'Demokratiedefizite' sind für die EU keine absoluten Hindernisse. Warum auch, Korruption ist auch ein in der EU gang und gäbe und Demokratieabbau wird z.B. gegen die antikapitalistische Bewegung selbst durchgeführt. Die kapitalistische Restauration in Osteuropa brachte darüber hinaus (sieht man von Nordirland ab) die ersten Bürgerkriege seit Jahrzehnten auf europäischen Boden zurück.
Kapitalismus bedeutet Massenelend
“Vorzeigeschüler Ungarn: Das Land der drei Millionen Bedürftigen” lautet die Überschrift eines Artikels in der Presse vom 20.3.2002. “Nahe zu ein Drittel der ungarischen Gesellschaft lebt in Armut. Die Politik mach wenig Anstalten, das Los der Bedürftigen zu verbessern.” schreibt die konservative Tageszeitung weiter. Die Durchschnittspension beträgt in unserem östlichen Nachbarland etwa EURO 130,- (ATS 1.800). Einige weitere Zahlen lassen die soziale Tristesse Osteuropa erahnen: Die Pro-Kopf-Kaufkraft in Polen beträgt 39% des EU-Schnittes. (Standard, 08.2001). Den offiziell durchschnittlich 17% Armen in der EU stehen 30% in Slowenien und 'Spitzenreiter' Lettland mit 92% gegenüber. Bis auf Ungarn und Polen ist die Wachstumsrate des Index der Industrieproduktion in allen MOELs negativ. Die Säuglingssterblichkeit schnellte in den 90ern auf den bis zu vierfachen Wert hoch. (Quelle: eurostat 2001) Die Lage der ostdeutschen Bevölkerung (dreifach höhere Arbeitslosigkeit als im Westen!) ist nicht viel besser. Für Osteuropa gilt, was die Presse im erwähnten Artikel über die Armut in Ungarn feststellt: “Die Ursachen hierfür liegen vornehmlich im ökonomischen Transformationsprozeß” nach 1989 verborgen.
Die kapitalistische Bilanz ist negativ! Und die Zukunft?
Die Wachstumsraten eines weiteren “Musterschülers” - Tschechiens - wurden von der EU-Kommission ursprünglich im Jahr 2001 auf immerhin 3,5 bis 4 % geschätzt. Selbst dieser Wert wäre viel zu wenig: Um bis 2015 auf EU-Niveau aufzuschließen, wären mindestens 5% bis 9% Wachstum nötig ('The Guardian' vom 1.12.2001). Die weltweite Rezession war in der Kommissions-Prognose noch gar nicht berücksichtigt. Die osteuropäischen Bewerberländer umfassen 33% der Landfläche und 28% der EU-Gesamtbevölkerung. Doch der Anteil am Gesamt-BIP der EU (Summe aller produzierten Güter und Dienstleistungen) beträgt nur ca. 5% bis 7% (verschiedene Quellen). Nach einer Erweiterung wären laut EU-Kommissions-Bericht 60% der Bevölkerung von Förderungszahlungen abhängig. Schon die Kosten der deutschen Wiedervereinigung wurden drastisch unterschätzt. Weder die EU noch die Bourgeoisie einzelner Staaten werden - trotz mancher Sonntagsreden - die volle Zeche zahlen. Mittels Sozialabbau und Erhöhungen der Massensteuern wird versucht werden, alles auf die ArbeiterInnenklasse abzuwälzen.
Stolperstein GAP
Die Wiedervereinigung Deutschlands hat das Kräfteverhältnis mit Frankreich verändert. Berlin sucht immer öfter kurzfristige Bündnisse mit Britannien, Italien oder Blöcken kleinerer Staaten. Ein deutlicher Konflikt dreht sich dabei um die Agrarförderungen: Deutschland ist der größte Nettozahler, Frankreich das wichtigste Empfängerland. Die 'Gemeinsame Agrarpolitik' (GAP) ist ein Knackpunkt. Die Mittel aus Struktur- und Agrarfonds umfassen 80% des EU-Haushalts. Die ehemalige ultra-reaktionäre britische Premierministerin Thatcher fordert den Ausstieg Britanniens aus der GAP. Die britischen Konservativen haben traditionell eine stärkere Bindung mit den USA als mit dem Kontinent. Aber obwohl Thatcher nicht den führenden Flügel der britischen Tories vertritt, steht sie nicht alleine da. Die Niederlande und Dänemark haben kürzlich mit einer Initiative zur Kürzung der Förderungen Spanien und Frankreich (größter Netto-Empfänger) erbost, die Financial Times Deutschland spricht sogar vom 'unnötigen Subventionsregime', das auszulaufen hat.
Soziale Umwälzungen
Die Fortsetzung dieser Politik nach der Erweiterung 2004 ist für die EU unmöglich. Die Erweiterung würde diese Kosten um mindestens 27% steigern. Die EU-Kommission will den Beitrittskandidaten gerade mal 10%-15% der derzeitigen Fördermittel innerhalb der EU zugestehen. Gleiche Rechte gibt es auch hier nicht. Der Stand der Beitrittsverhandlungen beweist das: Beitrittsweber würden im ersten Jahr “Nettozahler” sogar sein, schreibt die Presse vom 23/24.3.2002. 18% der erwerbstätigen Bevölkerung sind in der polnischen Landwirtschaft beschäftigt (bei offiziell 16% Arbeitslosigkeit), während nur 3,9% des BIP erwirtschaftet werden. Ein deutscher Wirtschaftsberater fasst die Perspektive für die osteuropäische Landwirtschaft zusammen: Aufgrund des Lebensmittel-Überschusses 'braucht keiner die polnischen Produkte'. Zynisch seine 'Lösung': 'Die sollen doch lieber in den Vorruhestand gehen' (Spiegel 1.2.02).
Mehrere Europas
Der Zusammenbruch des Stalinismus hat zur Auflösung des inneren Zusammenhalts des westeuropäischen Kapitalismus beigetragen. Die wirtschaftlich engeren Spielräume tun ihr übriges, ein Europa der zwei, drei, vier Geschwindigkeiten zu formen. Die Osterweiterung wird die EU vor dem Hintergrund verändern, dass die beiden Hauptmächte des kontinentalen Europas, Deutschland und Frankreich, immer öfter getrennte Wege gehen werden. Das zeigt sich auch am Verständnis der Ost-Erweiterung: Für Frankreich und die Netto-Empfänger steht im Vordergrund, die eigenen Förderungen zu verteidigen, für Deutschland und Co. der Zugriff auf die Ost-Märkte. Schon von Beginn des Erweiterungsprozesses an, sind die Kandidatenländer mit einer Nebenrolle bedacht. Im geplanten EU-Konvent sollen sie anfangs überhaupt ohne Stimmrecht sein. So wie im Kapitalismus die ihm innewohnende Konkurrenz zum Kampf um Märkte und letztlich zum Sieg des Stärkeren über den Schwächeren führt, bedeutet dies für die kapitalistische Politik, dass die stärkere nationale Bourgeoisie danach strebt, ihre Position ebenso zu festigen. Eine Vereinigung Europas wird erst dann möglich sein, wenn die zugrundeliegende Profitwirtschaft global überwunden wurde.
Reaktionäre Gegentendenzen
Das EU-Projekt steht unter wachsendem Beschuß von innerhalb der EU. Allerdings sind es (noch) nicht die ArbeiterInnen, die europaweit diese Unordnung ins Wanken bringen. Die rechtspopulistischen, nationalistischen Kräfte vom Schlage einer FPÖ, der italienischen Lega Nord, der britischen reaktionären Ex-Premierministerin Thatcher, sind die Vorboten einer in der Krise wachsenden Tendenz der bürgerlichen Eliten hin zum nationalstaatlichen Rückzug, zur Abschottung, zur Des-Integration des 'europäischen Einigungswerks'. Diese Tendenzen reichen bis in die führenden Kreise: Die Forderung nach Übergangsfristen für Reisefreiheit und die freie Wahl des Arbeitsplatzes kam vom deutschen SPD-Kanzler Schröder, der die Interessen des deutschen Kapitals ausdrückt. Er argumentierte mit dem 'riesigen Wohlstandsgefälle', doch verschweigt er, dass der moderne kapitalistische Raubzug diese Kluft vergrößern wird. Das deutsche 'Spiegel'-Magazin verglich Schröders Populismus mit dem Haiders. Das Thema Osterweiterung birgt die größte Sprengkraft für die blau-schwarze Koalition. Überrascht es, dass die FPÖ dazu auf ihrer Homepage keinen offiziellen Standpunkt vertritt? Zu gespalten ist die Partei zwischen dem 'pragmatischen' Regierungsflügel sowie Haider mit seinem rechtsextremen Populismus. Der derzeitigen öffentlichen Diskussion fehlt vor allem eines: ein alternativer sozialistischer und internationalistischer Gegenstandpunkt zu Wirtschaftskammer und Kronen-Zeitung. Die EU-Politik zusammengefaßt: Grenzenlose Freiheit für das Kapital - Einschränkungen und Rassismus für ArbeitnehmerInnen. Die Politik der rechten Reaktion zusammengefaßt: Rückzug und Schutz des nationalen Kapitals - Einschränkungen und Rassismus für ArbeitnehmerInnen. Das sind Alternativen von Kopf- oder Zahnschmerzen!
Internationalismus
Unabhängig davon, ob die herrschenden Politiker gerade die Einigung der EU oder die nationalen Interessen betonen: Die ArbeiterInnen-Bewegung muß ihren eigenen Standpunkt entwickeln, unabhängig von EU-Kommission und nationalistischer Schrebergärtnerei. Die FPÖ mißbraucht für ihr reaktionäres Gesellschaftsbild die berechtigten sozialen Ängste von Beschäftigten und Arbeitslosen. Die derzeitige anti-tschechische Hetz-Kampagne von FPÖ und Kronen-Zeitung ist ein Vorgeschmack auf kommende Auseinandersetzungen. Kann die ArbeiterInnen-Bewegung keine politische Alternative aufbauen, wird die Reaktion gegen die Krise des Kapitalismus in der EU in diese nationalistische Bahnen und nach rechts gelenkt werden.
Gewerkschaften
Die Interessen der Belegschaften in Ost und West könnten von einer gesamteuropäischen Gewerkschaftsbewegung vertreten werden. Beginnend bei einer Kampagne für einen europaweiten Mindestlohn und der Angleichung des Lohnniveaus nach oben, über den Kampf gegen Flexibiliserung und Privatisierung, mit länderübergreifenden Blockademaßnahmen gegen die Verlagerung von Produktion bis hin zu anti-rassistischen Kampagnen. Der ÖGB hängt sich mangels einer internationalen und kämpferischen Perspektive in seiner Politk an die reaktionären Positionen der FPÖ an. Er stellt die Belegschaften der verschiedenen Länder als die gegenseitigen Konkurrenten dar. Anstatt anhand der eingeschränkten Reisefreiheit bei gleichzeitiger Schrankenlosigkeit des Kapitals die arbeitnehmerInnen-feindliche Politik der EU herauszufordern, stimmt er in den Chor der Übergangs- und Sperrfristen ein. Der Mangel an einer unabhängigen ArbeiterInnen-Politik führt zum Nachbeten bürgerlicher Standpunkte.
Sozialistische Politik in der Praxis:
Die Erweiterung wird auf marktwirtschaftlicher Grundlage zur Enttäuschung aller Hoffnungen auf höhere Lebensstandards und technologische Verbesserungen für osteuropäische ArbeiterInnen und Jugendliche führen. Die wirtschaftliche Krise führt innerhalb der europäischen Bürgerlichen zur Stärkung nationalistischer und populistischer Kräfte, die die sozialen Ängste von ArbeitnehmerInnen für ihre Hetze mißbrauchen. Gerade in Österreich ist das Auftreten gegen FPÖ und Co. die Aufgabe für SozialistInnen. Unsere Antwort muß in einem internationalistischen und gewerkschaftlichen Widerstand gegen das Europa des Kapitalismus liegen. In den betroffenen osteuropäischen Ländern unterstützen wir jene Kräfte, die im Interesse der ArbeiterInnen und Jugendlichen für eine Alternative zur bürgerlichen Politik von Deregulierung, Sozialabbau und Privatisierungen stehen. Trotz aller Rhetorik: die herrschenden Klassen in den osteuropäischen Ländern sind Juniorpartner des deutschen, österreichischen und EU-Kapitals. Wir formulierten schon in der gemeinsamen Erklärung der tschechischen und österreichischen Sektionen des CWI zu 'Benes-Dekreten, Temelin und Osterweiterung' vom Februar 2002: Wir unterstützen unsere tschechische Schwesterorganisation 'Socialisticka alternativa Budoucnost' (Die Zukunft) bei der Forderung nach einem demokratischen Referendum in Tschechien über den EU-Beitritt.
- Anstatt der EU-Erweiterung des Kapitals: Für ein Europa der ArbeitnehmerInnen und Jugend.
- Nein zum Gegeneinanderausspielen von Belegschaften in Ost und West; z.B. bei den Konzernen Billa oder Semperit/Barum/Continental.
- Für eine Offensive für europaweit einheitliche Mindestlöhne und eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn im Interesse der Beschäftigten.
- Statt der grenzenlosen Freiheit des Kapitals fordern wir: Weg mit allen rassistischen Gesetzen und Einschränkungen der Reisefreiheit - Gleiche Rechte für alle, die hier leben und arbeiten wollen!
- Für eine gemeinsame Kampagne aller europäischen Gewerkschaften, um diese Forderungen umzusetzen.
- Statt Schließungswellen und Arbeitsplatzvernichtung: Für die Überführung der großen Konzerne, der Schwerindustrie und Banken in gesellschaftliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die Beschäftigten.
- Die EU kann nicht reformiert werden. Deshalb: Für die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa auf demokratischer gleichberechtigter Grundlage als Schritt zu einer neuen Weltordnung.