Di 26.03.2002
Das ist eine Premiere für Wien: Eine von der Nazi-Szene organisierte Demonstration gab es hier seit Jahren nicht. Droht diese Welle von Deutschland auf Österreich überzuschwappen? In Deutschland hat die NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands), gegen die ein Verbotsverfahren läuft, derartige Dinge zur traurigen Gewohnheit gemacht. Gegen die “Wehrmachtsausstellung” zogen - von der Polizei gut beschützt - tausende Neonazis durch Berlin.
Die Wehrmachtsausstellung
Die Ausstellung “Die Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-45” ist eine von Hamburger HistorikerInnen zusammengestellte Dokumentation des Vernichtungskriegs der deutschen Wehrmacht vornehmlich gegen die Sowjetunion. Darunter fallen die im Zuge der Partisanenbekämpfung verübten Verbrechen, als auch die gezielt durchgeführte Ausplünderung und Zerstörung der Sowjetunion, die den Hungertod der städtischen und ländlichen Bevölkerung der Sowjetunion einplante. Die Ausstellung zeigt, wie die Wehrmachtsführung und Wehrmachtsverbände an den im Osten und in Südosteuropa verübten Verbrechen involviert war. Schon die erste Version der Ausstellung rief heftige Reaktionen hervor. Die Ausstellung wurde jetzt neu konzipiert - nicht unbedingt zu ihrem Vorteil (siehe dazu Seite 6).
“Kampf gegen den Bolschewismus”
In einer nicht veröffentlichten Umfrage aus dem Jahr 1982 wurden 10.000 ehemalige Wehrmachtsangehörige über die Ziele der Wehrmacht befragt. Von denen die antworteten (1.400) gaben 78 Prozent “Lebensraum”, 62 Prozent “Kampf gegen den Bolschewismus”, 42 Prozent “Kampf gegen das Weltjudentum” und 36 Prozent “Rassereinheit” an (lt. profil, 25.3.2002). In der selben Ausgabe des Magazins drückt einer der reichsten und mächtigsten Männer Österreichs - Hans Dichand - auch nachträglich seine Bewunderung für das NS-Regime aus: “Mir gefiel am Nationalsozialismus, dass der Klassenkampf abgeschafft werden sollte.” Tatsächlich hat das NS-Regime nicht nur durch Terror, politische Verfolgung und der Zerschlagung der ArbeiterInnenbewegung den Klassenkampf “abgeschafft”. Untrennbar damit verknüpft ist aber auch die ideologische “Alternative” der angeblich über den Klassen stehenden Volksgemeinschaft. “Lebensraum, Kampf gegen Juden und Bolschewismus und für Rassereinheit”: Das bedeutete in der mörderischen Konsequenz des Nationalsozialismus die Legitimation für den Holocaust und den Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion.
Rechte Gefahren heute
Mit der FPÖ sitzt eine Partei in der Regierung die sich programmatisch offen zum Konzept der Abschaffung des Klassenkampfes durch die Volksgemeinschaft und zum “Widerstand aller patriotischen Kräfte” z.B. gegen “multikulturelle Experimente” bekennt (vgl. FPÖ-Programm 1997). Auch wenn die FPÖ in ihrem Parteiaufbau, Struktur und Funktion im politischen System, wenig mit einer faschistischen Partei zu tun hat, ist sie in mehrfacher Hinsicht eine Gefahr. Sie steht einerseits für radikale Maßnahmen gegen MigrantInnen und Gewerkschaften, für Sozialabbau und Rechtsruck. Sie steht auch für Sprüche, welche die NS-Vergangenheit und den Holocaust verharmlosen. Gleichzeitig bereitet sie damit nicht nur politisch den Boden auf, dem sich Nazischlägerbanden bewegen. Zum Beispiel hat der Großteil der im Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus erwähnten Personen, auch direkte, oder indirekte Verbindungen zur FPÖ. Besonders deutlich wird dadurch die Notwendigkeit sich beim Kampf gegen Rechts nicht auf Verbotsgesetze, Staat und Polizei zu verlassen. Auch historisch hätte der Faschismus nur durch rechtszeitigen, entschlossenen Widerstand “von unten” - vor allem durch die ArbeiterInnenbewegung - gestoppt werden können. Auch heute wäre es entscheidend, daß sich vor allem Organisationen wie die Gewerkschaften massiv an Mobilisierungen gegen Rechts beteiligen.
Die Demonstration
Seit Jahren zum ersten Mal trauen sich Neonazis in Wien eine Demonstration abzuhalten. Zur FPÖ-Regierungsbeteiligung besteht zumindest in einem Punkt sogar ein direkter Zusammenhang: Haider unterzeichnete selbst einmal eine Grußkarte an die Kameradschaft Germania. Die Sozialistische Linkspartei und Sozialistischer Widerstand International werden jedenfalls alles tun, um eine Ausweitung dieses Phänomens zu verhindern. Durch unsere Arbeit in Jugend gegen Rassismus in Europa konnten wir in der ersten Hälfte der neunziger Neonazi-Banden von Wiens Strassen vertreiben. Wir beteiligen uns auch jetzt an der geplanten Mobilisierung gegen den Naziaufmarsch - und würden uns freuen, wenn auch Du mithilfst: Selbst hinkommst und Flugblätter in Deinem Umfeld verteilst. Kontaktiere uns unter swi@slp.at <mailto:swi@slp.at> oder 01/524 63 10.