Do 01.10.2009
Die Wahlen der letzten Wochen in Vorarlberg, Oberösterreich und Deutschland haben mehrere Ergebnisse: Niederlagen der Sozialdemokratien, Stärkung der stärksten Partei, und Stärkung einer Opposition – in Österreich angesichts des Fehlens einer linken die FPÖ, in Deutschland der FDP und auch der Linken. Das BZÖ wurde endgültig zu einer Kärntner Regionalpartei. In Österreich stellt sich für viele die Frage: was gegen die rechte Gefahr tun. Das weder SPÖ noch Grüne ein Bollwerk gegen rechts sind, haben die letzten Wahlen gezeigt.
SPÖ-Totalabsturz: Und jetzt weiter nach rechts?
Die Krise der SPÖ hat sich durch die Serie von Wahlniederlagen weiter vertieft. Die Diskussionen um Personen und die inhaltliche Ausrichtung spitzen sich weiter zu. Fundamental sind die inhaltlichen Unterschiede allerdings nicht. Die Differenzen kreisen eher um taktische, als um ideologische Fragen. Es gibt keinen Kampf zwischen einem „linken“ und einem „rechten“ Flügel. Zwar setzen manche wie Voves und Haider ein bisschen mehr auf soziale Rhetorik und eine Kritik am Kurs der -Bundes-SPÖ. Aber eine grundlegend andere Politik gibt es dort, wo sie die Möglichkeit dazu haben (Steiermark, Linz etc.) nicht. In den kommenden Landeswahlkämpfen werden sich die SPÖ-KandidatInnen zwar gezielt von der Bundes-SPÖ distanzieren, und hier auch durch markige „Sager“ auffallen, für einen grundlegend anderen Kurs stehen sie aber nicht. Das ist auch der wesentliche Grund für die Wahlniederlagen der SPÖ. Nicht dass sie ihre „Inhalte nicht transportieren kann“, wie es Parteistrategen gerne erklären, sondern dass ihre praktische Politik egal wo sie an der Macht ist, nicht sozial ist und die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte in der Praxis weitergeführt wird. Gewählt bzw. abgewählt wurden keine Programme, sondern die konkreten Erfahrungen mit der SPÖ-Politik. Es gibt kein gezieltes Agieren, sondern vielmehr ein planloses und hektisches Reagieren was auch die Abgehobenheit der SPÖ von der Lebenssituation normaler Menschen zeigt.
Das es kein ideologischer Richtungsstreit ist zeigt sich auch daran, dass von führenden PolitikerInnen aus Bund und Ländern eine Verschärfung der Anti-AusländerInnen-Politik als „Lösung“ präsentiert wird. D.h. die Antwort der SPÖ auf die Wahlniederlage ist die noch weitere Übernahme von FPÖ-Forderungen durch die SPÖ. SPÖ-Haider hat bereits im Wahlkampf auf die Diskriminierung von MigrantInnen gesetzt, und auch sonst gehen die Wahlanalysen verschiedener SPÖ-RepräsentantInnen in diese Richtung. Aus den Reihen der Jugendorganisationen gibt es den Ruf nach einem Kurswechsel (wobei sich auch hier die Forderungen auf den Bereich Soziales beschränken und es keine Zurückweisung der Anbiederung an die FPÖ gibt).
Auch wenn die Basis der SPÖ in den letzten Jahren stark ausgedünnt ist so gibt es doch nach wie vor den/die traditionellen SPÖlerIn, der/die im Wahlkampf „gerannt“ ist und nun bitter enttäuscht über den Ausgang ist. Ähnliches gilt für gewerkschaftliche Strukturen, insbesondere die FSG, wo die Führung sich einerseits dem Pragmatismus der SPÖ-Spitze anschließt, andererseits aber der Druck von der Basis steigt.
Zweifellos werden Debatten auch in der Basis der SPÖ (und der FSG) über das Wie weiter geführt werden. Teilweise können sie sogar von Teilen der Bürokratie initiiert werden. Sie werden aber wohl ähnlich wie im ÖGB nach dem Bawag-Skandal v.a. Zum Dampfablassen dienen und damit mittelfristig bisherige AktivistInnen frustrieren und in die Inaktivität treiben. Für sie wird es auch entscheidend sein, welche aktiven politischen Angebote gegen die kommenden Angriffe es außerhalb der SPÖ geben wird. Die Bruchlinien werden hier aber widersprüchlich sein. Aus einem Teil wird ein Ruf nach „sozialerem Profil“ und „schärfer gegen Ausländer“ bzw. „unsere Leute zuerst“ kommen da die SPÖ schon seit langem eine Ausgrenzung gegen MigrantInnen führt. Ein anderer Teil wird sich weiter für eine scharfe Abgrenzung gegenüber der FPÖ einsetzen. In der praktischen Politik werden sich beide nicht durchsetzen, da die ev. Verstärkte soziale Rhetorik eben auf Rhetorik beschränkt bleiben wird. Zu stark ist die Verbürgerlichung der SPÖ schon fortgeschritten, als dass sich gewerkschaftlicher Druck maßgeblich in ihrer Politik widerspiegeln wird. Mit kommenden Kämpfen wird sich auch das Bewusstsein und das Verhältnis von Gewerkschaftsmitgliedern auch innerhalb der FSG zur SPÖ verändern, da sie die SPÖ in den konkreten Kämpfen nicht als Bündnispartnerin erleben werden. Die Erfahrung mit Kämpfen gegen konkrete SPÖ-Politik – auch auf Landesebene – können die Frage einer stärkeren Unabhängigkeit der FSG von der SPÖ bzw. sogar einer Spaltung der FSG auf die Tagesordnung bringen. Die Aufgrund der Politik der SPÖ verankerten rassistischen Vorurteile gerade auch in der ArbeiterInnenklasse werden beim Prozess des Aufbaus einer neuen politischen Kraft ein verkomplizierender Faktor sein.
Die SLP unterstützt alle Initiativen von SPÖ-Mitgliedern bzw. der verbliebenen Linken in der SPÖ, wenn sie aktiv gegen die Politik der Parteiführung auftreten. Wir denken, dass eine offensive Organisierung der verbliebenen Parteilinken nötig ist, um überhaupt gesehen zu werden. Angesichts der arbeitnehmerInnenfeindlichen Politik der SPÖ stellt sich für viele SPÖ- und ÖGB-FunktionsträgerInnen mit Mandaten in Bezirks-, Gemeinde- und Betriebsräten immer öfter die Frage: Parteiräson oder Politik im Interesse der ArbeiterInnen, der KollegInnen. Hier wird ein klares Farbe bekennen gerade auch als Signal gegen die Politik der Parteispitze wichtiger und der Wunsch nach Einheit darf nicht missbraucht werden, um Widerstand gegen arbeitnehmerInnenfeindliche Politik zu verhindern. Auch ein gemeinsames Projekt wie z.B. einE sozialistische GegenkandidatIn zur jetzigen Parteispitze könnte ein Kristallisationspunkt für eine solche organisierte Opposition in der Sozialdemokratie sein. Wir haben den Wunsch nach einer linken Veränderung der SPÖ immer wieder gesehen – diese war aber immer weniger erfolgreich, je stärker die SPÖ verbürgerlicht ist. Wir denken daher, dass die verbliebenen Linken in der SPÖ sich auch über Organisationsformen und Kämpfe außerhalb der Sozialdemokratie Gedanken machen sollten. In den kommenden Bewegungen und Protesten gegen Lohnraub, Stellenabbau und Rassismus wird noch stärker als bisher eine Zusammenarbeit von linken Kräften in- und außerhalb der Sozialdemokratie notwendig sein.
ÖVP-gestärkt: Trend zur Stabilität
ÖVP, aber auch CDU, haben bei den Wahlen ihre Positionen im wesentlichen halten oder sogar ausbauen können. Dies liegt allerdings weniger in der aktiven Unterstützung dieser Parteien durch die WählerInnen. Es gibt dafür im wesentlichen zwei Hauptgründe: Die ÖVP hat sich – im Gegensatz zur SPÖ – in den letzten Jahrzehnten nicht maßgeblich verändert und von ihrer ursprünglichen Basis daher auch nicht entfernt, wie es die SPÖ getan hat. Aufgrund ihrer Bündestruktur kann sie sich flexibler um verschiedene WählerInnengruppen kümmern, der SPÖ ist mit der Verbürgerlichung ihre eigentliche soziale Basis, die ArbeiterInnenklasse, verloren gegangen und auch nicht ersetzt worden. Die ÖVP ist daher auch nicht „die Volkspartei“, sondern die Partei mit einem relativ hohen StammwählerInnenpotential. Zusätzlich gibt es gerade in Zeiten der Krise den Wunsch nach Stabilität, der den jeweils größten Parteien – in diesem Fall eben ÖVP und CDU nützt.
Die ÖVP hat ihre Position auch in der Bundesregierung gestärkt und wird selbstbewusster ihre Ziele in der Regierung verfolgen. Die Bundes-ÖVP hat aber z.Zt offensichtlich kein Interesse an Neuwahlen, wie die Pröll-Aufrufe nach Stabilität an die SPÖ nach den Wahlen in Vorarlberg und dann wieder in Oberösterreich gezeigt haben.
FPÖ: Erfolg ist reale Gefahr für MigrantInnen, GewerkschafterInnen und linke AktivistInnen
Die FPÖ wird v.a. als Opposition, und gerade auch bei Jugendlichen als „anders“ wahrgenommen. Die FPÖ wird nicht wegen ihrer regionalen KandidatInnen gewählt, sondern v.a. wegen Strache und als Opposition und auch ganz bewusst wegen ihres Rassismus. Aufgrund ihrer pseudo-sozialen Rhetorik ist es ihr in Oberösterreich gelungen, viele ArbeiterInnen von der SPÖ zu gewinnen. Eine Reihe von FPÖ-Forderungen (Demonstrationsverbot auf Einkaufsstraßen und Hauptverkehrsverbindungen anlässlich der Druckerdemo in Wien, Aussetzen von Kollektivverträgen, Gewerkschaften raus aus den Betrieben) zeigen, dass die FPÖ nicht auf Seiten der ArbeiterInnenklasse steht – dennoch versucht sie sich als „soziale“ Partei zu präsentieren. Klar ist, dass die Rechtsentwicklung der FPÖ ungebremst weiter gehen wird, da ihre Wahlerfolge zeigen, dass Antisemitismus, Rassismus etc. keine Barriere für große WählerInnenschichten darstellen.
Interessant die unterschiedlichen Konsequenzen innerhalb der FPÖ auf die Ergebnisse: Die Frage von Regierungsbeteiligungen versus Fundamentalopposition könnte sich in der kommenden Periode zu einem Konfliktfeld entwickeln. Strache hat eine Regierungsbeteiligung für Vorarlberg eingefordert, Kickl indirekt auch für die Bundesebene, Haimbuchner sich offensiv für Oberösterreich angeboten. Andere Kreise in der FPÖ setzen eher auf Fundamentalopposition. Aber die Verlockungen der prallgefüllten Machttröge machen natürlich auch nicht vor FPÖ-PolitikerInnen halt. Oberösterreich zeigt diese Widersprüchlichkeit: hier sind die Verbindungen zur Nazi-Szene besonders offensichtlich, sind Personen im FPÖ-“Team“ die auch innerhalb der FPÖ weit rechts stehen. Gleichzeitig will Haimbuchner in die Landesregierung. Bedrohlich ist das Selbstbewusstsein und der Einfluss der rechtesten Teile der FPÖ, dass durch die Wahlerfolge trotz oder bei manchen auch wegen dem Einsatz antisemitischer Sager, von Kandidaten und Funktionären aus Burschenschaften, ehemaligen Naziaktivisten etc. gestärkt wurde. Der Beitritt eines Jugendlichen der bei einer Linzer FPÖ-Kundgebung beim Hitlergruss gefilmt wurde, zum RFJ, zeigt die enger werdenden Verbindungen zwischen RFJ und Nazisszene. Das gesteigerte Selbstbewusstsein in Verbindung mit dem bewussten Eintreten von organisierten und unorganisierten Neonzais in FPÖ-Strukturen stellt eine echte Bedrohung für MigrantInnen, AntifaschistInnen und Linke dar.
(Zur ausführlicheren Analyse der FPÖ verweisen wir auf unser Dokument „Kampf gegen Rechtsextremismus gewinnt in der Krise an Bedeutung“)
Grüne-Stabilisiert: Kernwähler gehalten
Die Grünen konnten in allen drei Wahlen ihren Stimmenanteil im wesentlichen halten bzw. minimal ausbauen. Sie verfügen zur Zeit offensichtlich über einen relativ stabilen Kern an StammwählerInnen und sind endgültig zu einer etablierten Partei geworden. Diese StammwählerInnen können sich offensichtlich in dem bürgerlich-ökologischen Kurs der Grünen gut wiederfinden und haben kein Problem mit dem Ablegen linker Positionen. Dies zeigt sich auch darin, dass die Grünen in Oberösterreich trotz/wegen ihrer Regierungsbeteiligung, die Privatisierungen, Stellenabbau und Sozialabbau beinhaltet hat, wiedergewählt wurde. In Österreich spielen die Grünen für ein gewisses Spektrum die Rolle einer liberalen Partei (va in gesellschaftspolitischen Fragen). Für die Bundesebene haben sich die Grünen damit endgültig zu einem berechenbaren und für das Kapital ungefährlichen Koalitionspartner gemausert. Als linke Partei werden die Grünen heute kaum noch gesehen – weder von sich selbst, noch von den WählerInnen.