Fr 10.10.2008
Was haben Loks der ÖBB, Innsbrucker Kläranlagen, die acht Donaukraftwerke, Wiener Straßen- und U-Bahnen, das burgenländische und oberösterreichische Stromnetz, Teile der wiener Kanalisation und Sortierungsanlagen der Post mit der US-amerikanischen Finanzkrise zu tun? Auf den ersten Blick sagen wohl Viele: Gott sei Dank nicht viel.
Leider ist das falsch. Das alles und noch viel mehr gehört US-Investmentbanken. Somit ist die Finanzkrise schon längst in Österreich angekommen, bevor hier auch nur eine Bank zu wackeln beginnt. Das ist ein großer Unterschied zur großen Krise der 1930er Jahre. Als am 11. Mai 1931 mit der Credit-Anstalt (CA) die größte Bank der 1. Republik offiziell zu bröseln beginnt, ist das das Ende und nicht den Beginn einer Bankenkrise in Österreich.
Der Zusammenbruch der Monarchie schuf für den Industrie- und Bankensektor neue Realitäten. Zweigstellen und Töchter wurden in Nachfolgestaaten der Monarchie teilweise nationalisiert. Die in Österreich verbliebenen Industrie- und Bankkapazitäten, waren überdimensioniert. Die Banken versuchten durch Aktienkäufe in den Nachfolgestaaten gegen zu steuern und ihre dominierende Stellung im Donauraum beizubehalten.
Das österreichische (Industrie)Kapital war aufgrund der verspäteten Entwicklung sehr schwach. Deswegen fand die Verschmelzung von Industrie- und Finanzkapital früher als in den kapitalistisch hoch entwickelten Staaten statt. 1907-13 wurden 59 % aller Industriegründungen zu 67 % von den Banken finanziert. Eine Trennung von Industrie- und Finanzkapital war gar nicht mehr möglich.
Lenin beschrieb diese Verschmelzung in seinem Buch „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“. Er zieht als Beispiel den deutschen Industriekonzern AEG heran und zeigt, dass der Industriekonzern AEG nicht mehr von der Bank AEG zu trennen ist. AEG handelt als Industrie- und Bankkonzern gleichermaßen. Für die österreichische Entwicklung ist der Umkehrschluss noch viel tragender. Dass nämlich Banken ebenfalls die Rolle von Industrien übernehmen. Trotzki bezeichnete das gesellschaftliche Aufholen nach einem verspäteten Start als „ungleichmäßige und kombinierte Entwicklung“. Das heißt, obwohl die Industrialisierung bei uns viel später stattgefunden hat als in anderen Ländern, wurde nicht deren Entwicklung Etappe für Etappe gleich nachgelebt, sondern abgekürzt bzw. übersprungen.
Für die Krise der CA ist das von Bedeutung. Nach 1918 hielten an einem Teil der Industrie die Banken bereits die Mehrheit. Mit verschuldeten Betrieben rutschte ein weiterer Teil der Industrie in die Abhängigkeit der Banken. Diese Betriebe konnten aber wegen fehlendem Kapital nicht verkauft werden. Das führte dazu, dass Betriebe Kredite aufnahmen, um Dividenden an jene Banken auszuzahlen, bei denen sie die Kredite hatten.
1924 verschärfte eine durch Spekulation ausgelöste Börsenkrise das Klima. Es folgten Bankencrashs, Fusionen und Krisen: 1924 die Allgemeine Deposit Bank, 1926 die Biedermannbank und die Centralbank der Deutschen Sparkassen und schließlich war 1929 mit der Boden-Credit-Anstalt (BCA) die 2. größte Bank der Republik zahlungsunfähig. Um einen völligen Crash zu verhindern wurde die Bilanz der BCA geschönt und sie mit der CA fusioniert. Bis diese selbst im Mai 1931 zu zerbröseln begann.
Es folgte die Rettung der CA durch den Staat. Der übernahm die Bürgschaft über rund 1,2 Mrd. bei jährlichen Einnahmen von 2 Mrd. Schilling. Die konservative Regierung setzte trotzdem weiter auf Hartwährungspolitik. Die Folge waren Sparpakete, Gehaltskürzungen bei Beamten und Eisenbahn sowie Steuererhöhungen auf Bier und Zucker. Am Tiefpunkt der Krise 1933 war das BIP auf 77,5 % von 1929 gesunken, zeitgleich stieg die Arbeitslosigkeit von 200.000 auf 800.000, davon fast ½ Million „ausgesteuert“ (ohne Sozialleistungen). Es gab zwar keine Inflation, aber für die Mehrheit der Menschen spielte das kaum eine Rolle. Sie hatten nichts mehr. In diesem Sinn meinte auch Qualtingers Herr Karl: „Der Schilling war hart, aber derwischt hat ma ihn net“.