Fr 10.08.2007
Das vom Arbeitsgericht Nürnberg ausgesprochene Streikverbot bedeutet eine neue Qualität von Angriffen auf ArbeitnehmerInnenrechte. Es erfordert eine scharfe und einheitliche Reaktion von Seiten der Gewerkschaften und auf der Linken.
In der Begründung heißt es, der Streik sei unverhältnismäßig und rechtwidrig – denn ein Streik würde nicht nur die Bahn sondern die gesamte Volkswirtschaft beeinträchtigen. Wenn man diese Argumentation weiterführt, so könnte fast jeder Streik angefochten werden. Dies gilt besonders für den öffentlichen Dienst, der die Infrastruktur für die Gesamtwirtschaft zur Verfügung stellt. Aber auch sonst kann jeder Streik Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft haben, besonders zu Zeiten der just-in-time Produktion.
Im Gegenzug lässt sich auch fragen - was wird die Privatisierung der Bahn für die Volkswirtschaft bedeuten? Hierfür gibt es genügend Studien und Beispiele wie in Großbritannien. Privatisierung heißt: Die Infrastruktur wird dem Chaos des Marktes ausgesetzt, unrentable Strecken werden stillgelegt, Schienennetze unsicherer, Unfälle werden zunehmen, die Belegschaft wird in kleine Teile zerschlagen. Das alles ist vollkommen „legal“. Dazu kommen noch die unverschämten Gehaltserhöhungen der acht Vorstandsmitglieder – allein letztes Jahr stiegen sie um 62,5 % auf 20 Millionen Euro und der Aufsichsrat verdreifachte seine Bezüge auf 875.000 Euro. Wenn das legal ist, und gleichtzeitig den LokführerInnen gerichtlich verboten wird, für angemessene Löhne zu kämpfen, dann zeigt das eins: die Heuchelei des bürgerlichen Systems, und, dass Rechtsprechung im Kapitalismus nicht neutral ist, sondern klare Interessen vertritt.
Eindrucksvoll wurde die Problematik des Lokführerstreiks für die Unternehmerseite in den Tagesthemen dargestellt: die Bestreikung des Güterverkehrs könnte innerhalb weniger Tage die Wirtschaft lahmlegen. Die Rechtssprechung des Arbeitsgerichts macht ebenso eindrucksvoll deutlich, wie die Justiz im Interesse des Kapitals handelt. Vielleicht gehen sie nicht einmal davon aus, dass sie das Urteil aufrechterhalten können. Dafür erhoffen sie sich aber zumindest erstmal eine Verzögerung des Streiks und dadurch auch eine Schwächung der GDL.
Dem Bahnmanagement und der Regierung geht es auch darum, die Bahn privatisierungsfähig zu machen. Mit der transnet- und GDBA-Führung haben sie gefügige Gewerkschaftsbürokraten mit im Boot, die die Privatisierung voll und ganz unterstützen.
Zudem fühlt sich die Kapitalseite im Fall des Lokführerstreiks gestärkt durch die Haltung von transnet-Chef Hansen (Mitglied im Aufsichtsrat der Deutschen Bahn), der bereits im Vorfeld der GDL ihre Berechtigung für einen eigenen Tarifvertrag und einen eigenen Streik absprach. Bereits beim Telekom Streik wurde deutlich, dass es der Unternehmerseite in Deutschland mitsamt ihrer Marionetten in der Regierung darum geht, Durchbrüche zu erreichen, um gezielt die Gewerkschaften und ArbeitnehmerInnen zu schwächen. Es liegt nahe, dass sie den Streik der Lokführer als nächstes nutzen wollen, um einen Schlag gegen die gesamte ArbeiterInnenbewegung vorzubereiten. Sie hoffen auf eine Isolierung der GDL und der Streikenden, um dann richtig zuzuschlagen, und nebenbei noch das Streikrecht einzuschränken. Hierauf deuten die Äußerungen von Wirtschaftsminister Glos (CSU). Diese Auseinandersetzung kann zu einem polarisierenden Thema in der Gesellschaft werden. Doch gibt es in der Bevölkerung eine positive Stimmung gegenüber den LokführerInnen.
Es ist begrüßenswert, dass Oskar Lafontaine für die LINKE sich auf die Seite der LokführerInnen stellt. In einem Interview mit der taz (9.8.07) sagt er „Der Tarifstreit bei der Bahn und die breite Unterstützung der Belegschaft für einen Streik der Lokomotivführer sollte dem DGB und seinen Gewerschaften Anlass sein, über ihre Kampfmethoden nachzudenken.“ Richtigerweise stellt er fest, dass die DGB-Gewerkschaften wegen schlechter Abschlüsse Vertrauen in der Mitgliedschaft verloren haben und er verweist wieder auf den Generalstreik - „als Gegenmodell zur Zersplittterung der Gewerkschaften“.
Die Reaktion der ZugführerInnen bei der Berliner und Hamburger S-Bahn auf das Streikverbot sind genau die richtige Antwort – sie streikten am vormittag nach dem Gerichtsurteil, denn sie wurden im Urteil „vergessen.“ Auch die Ansage von GDL Chef Schell, dass Streiks jetzt nicht mehr vorher angekündigt werden, zeigt das Selbstbewusstsein, dass sicher auch von der Basis kommt. Kein Wunder, die Urabstimmung war mit über 96% eindeutig und es kommt zu vermehrten Übertritten von transnet zur GDL.
Transnet Chef Hansen hat sich bisher zum nützlichen Idioten der Unternehmerseite gemacht. Er verwies auf die Einheit der Gewerkschaften – doch ist es richtig sich nicht an seine Politik des Co-Managements und Anbiederung an das Bahnmanagement anzuschließen. Seine Attacken gegen die GDL und die LokführerInnen müssen ein Ende haben. Dasselbe gilt für DGB Chef Sommer. Ein Ausbleiben der Unterstützung durch die DGB Gewerkschaften hätte Auswirkungen für alle Beschäftigten!
Eine breite Gegenbewegung inklusive Streiks muss schon jetzt vorbereitet werden. Wenn die GDL das Recht auf Streik in dieser Auseinandersetzung abgesprochen bekommt, muss sie sich darauf vorbereiten, sich nicht daran zu halten. Doch sie dürfen nicht alleingelassen werden. Das Recht auf Streik hat sich die ArbeiterInnenbewegung erstreikt – wenn nötig, muss es auch mit Streik verteidigt werden – auch wenn das heißt, sich über Gesetze hinwegzusetzen! Im übrigen hat das BAG Ende Juni diesen Jahres Solidaritätsstreiks für legal erklärt – vielleicht ein Ausrutscher von seiten der bürgerlichen Justiz – jedoch ein Urteil, das schon bald nützlich werden kann!
Es muss schon jetzt damit begonnen werden, Solidarität für die LokführerInnen zu organisieren. Unter dem Motto „Streikrecht verteidigen“ sollten in Betrieben und allen Gewerkschaften Solidaritätsresolutionen verfasst werden, aus denen hervorgeht, dass die Belegschaften aus anderen Bereichen voll hinter ihnen stehen. Auch in der Partei Die LINKE sollten alle Bezirksgruppen, der Vorstand und die Fraktion eindeutig Stellung beziehen.
Beschluss des Mittwochkreises der Fraktion DIE LINKE.KÖLN, 8.8.07:
Solidarität mit den streikenden Kolleginnen und Kollegen bei der Bahn
Die Fraktion DIE LINKE.KÖLN unterstützt die Forderungen der streikenden Lokführerinnen und Lokführer. Ein erfolgreicher Streik wäre ein Durchbruch gegen das Lohndumping auch in anderen Bereichen und Branchen und gegen die skandalösen Privatisierungspläne des Bahn-Vorstandes. Wir unterstützen diese Forderungen nicht nur für die Lokomotivführer, sondern für alle Beschäftigten der Deutschen Bahn.
Die Fraktion DIE LINKE.KÖLN bietet den Kolleginnen und Kollegen in Köln Unterstützung im Arbeitskampf an.
Wir weisen die Angriffe auf das Streikrecht durch die Politik, Wirtschaftsvertreter und Gerichte zurück und fordern die Solidarität aller Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gegen diese Angriffe.
Solidaritätserklärung mit den Kolleginnen und Kollegen des Fahrpersonals der Bahn
Die vom Metallertreff Stuttgart initiierte Solidaritätserklärung an die Kolleginnen und Kollegen des Fahrpersonals sucht noch Unterstützung:
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
wir unterstützen Euren Kampf um höhere Löhne und solidarisieren uns mit Eurem Streik.
Wir verurteilen, wenn Gewerkschaftsführer Euren Streik torpedieren und die Bahnprivatisierung unterstützen.
Seit vielen Jahren ist die Gewerkschaftsbewegung in der Defensive und muss Reallohnverluste, Arbeitszeitverlängerung und den Abbau von sozialen Errungenschaften hinnehmen, weil gewerkschaftliche Kämpfe nicht hartnäckig als Erzwingungsstreiks geführt werden.
Wir wünschen Euch viel Erfolg, Stehvermögen und Durchsetzungskraft. Dies würde allen Gewerkschaftern den Rücken stärken und sich auf die nächsten Kämpfe positiv auswirken.
Wir verurteilen die Bahnprivatisierung wie auch die Angriffe auf das Streik- und Koalitionsrecht durch Bahnchef Mehdorn.
Nur wer kämpft kann gewinnen! Gemeinsam sind wir stark!