Di 25.04.2006
Die Ära Verzetnitsch (1987-2006): Privatisierung, Sozialabbau, Reallohnverluste, BAWAG-Skandal und minus 20 Prozent Gewerkschaftsmitglieder. Letztendlich waren selbst die Kampfmaßnahmen gegen die Politik der schwarz-blau-orangen Bundesregierung (Pensionsreform, ÖBB) nicht erfolgreich, weil sie viel zu früh von der Gewerkschaftsspitze abgebrochen wurden. Unter den Gewerkschaftsmitgliedern brodelt es nun gewaltig. Diese Stimmung drückt sich selbst in Aussagen an der ÖGB-Spitze aus (Eisenbahner-Gewerkschaftschef Haberzettl sprach von einer “Riesenschweinerei”, GPA-Vorsitzender Katzian stimmte dem zu). Auch wir teilen diese Kritik! Doch was folgt nun? Die Gewerkschaften stecken in einer tiefen Krise. Diese Krise birgt große Gefahren für ArbeiterInnen und Erwerbslose, denn sie gefährdet die Existenz der Gewerkschaftsbewegung an sich. Sie bietet aber auch die Chance einer echten Neuorientierung.
1.300.000 Mitglieder müssen entscheiden!
Um die Gewerkschaft wirklich neu zu gestalten, schlagen wir folgende Sofortmaßnahmen vor: Über die Zukunft der BAWAG und die künftige Ausrichtung des ÖGB müssen die Mitgliedschaft des ÖGB und die BAWAG-Beschäftigten entscheiden. Dazu ist ein außerordentlicher und erweiterter Gewerkschaftstag, wie ursprünglich angekündigt am 19. Juni, auf jeden Fall aber noch vor den Nationalrats-Wahlen im Herbst die beste Möglichkeit. Die Wahl der Delegierten sollte auf betrieblicher Ebene bzw. durch Ortsgruppen und andere Basisstrukturen erfolgen. Wir brauchen einen Plan zur Verteidigung unserer Interessen. Die Wahlen im November werden die Gefahr neoliberaler Angriffe in keinem Fall bannen. Alle Gewerkschafts-FunktionärInnen müssen der Mitgliedschaft gegenüber volle Rechenschaft über ihre Arbeit und ihre Entscheidungen abgeben. Dazu müssen sie jederzeit wähl- und abwählbar sein. Um Abgehobenheit zu vermeiden, sollen FunktionärInnen nur soviel verdienen wie die Mitglieder, die sie vertreten (Durchschnittsgehalt in Österreich: 2.400 Euro brutto). Die Gewerkschaftsfinanzen müssen prinzipiell für die Mitgliedschaft kontrollierbar sein.
Kämpfen statt Kuschelkurs
Die “Sozialpartnerschaft” ist von Unternehmer-Seite seit langem aufgekündigt. Es ist vielmehr eine Sozialabbau-”Partnerschaft” gegen die Gewerkschaftsbasis geworden. Wird keine Trendwende eingeleitet, wird der kapitalistische Konkurrenzkampf weiter auf dem Rücken der Beschäftigten und Erwerbslosen ausgetragen werden. Deshalb muss sich die Gewerkschaft ihrer besten Traditionen erinnern:
- Start einer Kampagne für eine einschneidende Arbeitszeitverkürzung (z.B. 30 Stunden pro Woche, 6 Stunden pro Tag) bei vollem Lohn- und Personalausgleich, um die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen.
- Wertschöpfungsabgabe als echte UnternehmerInnenbeiträge zu den sozialen Sicherungssystemen.
- Wiedereinführung der Vermögenssteuer und Abschaffung des Stiftungsgesetzes. Echte Steuerprogression ist nötig. Lohnsteuern müssen gesenkt und alle Massensteuern abgeschafft werden.
- Offensive Lohnrunden seitens des ÖGB unter Einbeziehung der Mitgliedschaft bei der Abstimmung über Verhandlungsergebnisse. Minimalanspruch muss die Abgeltung von Inflation, Sozialabbau-Verlusten sowie der Produktivitätssteigerungen sein.
- Anhebung der Mindestpension und des Arbeitslosengeldes auf 1.100.- netto.
- Mobilisierung für die völlige Rücknahme des Pensionsraubs. Für das Recht auf Pensionsantritt mit 55 für Männer und Frauen unter Wahrung aller Ansprüche.
- Überwindung der kapitalistischen und nationalistischen “Standortlogik”. Der ÖGB muss die Interessen aller ArbeiterInnen vertreten, egal welcher Herkunft oder in welchem Land.
Kämpferischen ÖGB-Flügel aufbauen
Wir laden alle, die auch so denken, ein, mit uns und im Rahmen der “Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften” (einem überfraktionellen Zusammenschluss von Gewerkschafts-AktivistInnen aus verschiedenen Fachgewerkschaften) für einen solchen Kurs- und Führungswechsel einzutreten. Da nicht zu erwarten ist, dass die Hundstorfer-Führung die Gewerkschaft gesunden lassen wird, ist es notwendig, einen Kandidaten bzw. eine Kandidatin der Gewerkschaftsbasis aufzustellen, der/die für diese Punkte eintritt. Spätestens am ÖGB-Kongress 2007 sollte eine solche kämpferische Kandidatur Form annehmen. Neben der ÖGB-Krise ergeben sich die Probleme aus dem Fehlen einer großen Partei, die wirklich Politik für und mit ArbeiterInnen und Erwerbslosen betreibt. Die SPÖ führte in den 1990er selbst Kürzungen und Privatisierungen durch. Die Rolle Gusenbauers in der Bawag-Krise unterstrich seine Rolle als Vertreter von Kapital-Interessen. Deshalb ist es ebenso notwendig, das Verhältnis von Gewerkschaften und SPÖ grundlegend zu überdenken und im ÖGB die Diskussion über eine eigenständige Gewerkschaftspolitik voranzutreiben.