Sa 01.03.1997
So sanieren die einen...
Unter dem Titel „So sanieren die anderen“ veröffentlicht das „profil“ eine Serie im Sinne von Bundeswirtschaftskammer und Industriellenvereinigung. Es wird uns anhand von Länderbeispielen (Schweden, Neuseeland, Holland, Irland) erklärt, daß der Sozialstaat nicht mehr zu finanzieren, die Arbeitskraft zu teuer und Privatisierung und Flexibilisierung notwendig sei. Ein Machwerk - klar im Sinne neoliberaler Konzepte - das die österreichische Bevölkerung auf die nächsten „Sparpakete“ vorbereiten soll.
Wenn sich auch die Begründungen ändern - Standortsicherung, Erfüllung der Maastrichtkriterien, Globalisierung - die Forderungen bleiben die gleichen. Seit den 80er Jahren versuchen die Unternehmervereinigungen zur Sicherung ihrer Profite eine Umverteilung von unten nach oben durchzuführen.
Mit der Behauptung, es herrsche ein „übersteigertes Anspruchdenken“ kam es zur Reduzierung von Arbeitslosen- und Krankengeld, bzw. zur Nicht-Zahlung von Krankenstandstagen. Die Krankenstände wurden damit reduziert - wer krank ist, kann es sich heute nicht mehr leisten, zuhause zu bleiben und sich auszukurieren, immer mehr gehen trotz Fieber und Schmerzen in die Arbeit. Ebenfalls gekürzt wurde bei Familien- und Kindergeld sowie bei Wohnbeihilfen - Maßnahmen die v.a. Frauen und sozial Schwache treffen und oft den Schritt in die Armut bedeuten. In Neuseeland leben heute 30% aller Kinder in Familien, die Sozialhilfe erhalten.
Ausbeutung der Arbeitskraft
Hohe Löhne, die Bezahlung von Leistungen wie Überstunden, Nacht- und Schichtarbeitszuschläge sowie sichere Jobs sind ein Dorn im Auge neoliberaler Politiker. Als Gegenmittel wird versucht, den Einfluß der Gewerkschaften zurückzudrängen. Der Arbeitnehmer soll dem Kapitalisten wieder allein, ohne eine Organisation im Rücken, gegenüberstehen. Um das zu erreichen, werden Branchen-Kollektivverträge durch Betriebs- oder sogar individuelle Verträge ersetzt. Das “profil” unterstützt diese Tendenz, wenn es schreibt, daß die „zentralistisch geführten Lohnverhandlungen“ Betriebe behindern und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindern. Das Rezept ist einfach: Beschreibe nur eine Seite des Problems (nämlich die Unternehmerseite), benütze negativ besetzte Wörter („zentralistisch“) und schon erscheinen Sozialabbau und Lohnkürzungen als notwendig. Daß die ArbeiterInnen dabei auf der Strecke bleiben, kommt höchstens in Nebensätzen, und auch dort nur als unangenehme, aber notwendige Nebenwirkung vor. Die Arbeitsplätze der Zukunft sind Teilzeit, befristet, schlecht bezahlt und häufig nicht sozialversichert.
Steuererhöhung
Es wird aber nicht nur bei den Ausgaben gekürzt, zusätzlich werden auch neue Einnahmequellen geschaffen. In Schweden werden z.B. Gebühren für so gut wie alle öffentlichen Dienstleistungen eingehoben (die aus Steuermitteln finanziert, also doppelt bezahlt werden). Anders bei den Steuern für Reiche und Unternehmer. Durch Veränderungen der Steuerstruktur (Reduzierung der Einkommensbesteuerung, Erhöhung der Massensteuern) kommt es zu einer drastischen Umverteilung der Steuerlast: Die Reichen zahlen immer weniger, die Masse der Bevölkerung immer mehr Steuern.
Das Ergebnis der neo-liberalen Maßnahmen sind überall gleich: Die Schere zwischen den Einkommen steigt und eine immer größere Schicht sinkt in die Armut ab. In Schweden z.B. konnten zwischen 1989 und 1994 die reichsten zehn Prozent ihr Einkommen um 17,2 % erhöhen, während im selben Zeitraum die ärmsten zehn Prozent 27,3 % verloren.
Obwohl offiziell die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eines der obersten Ziele der „Sparer und Sanierer“ ist steigt die tatsächliche (wenn auch nicht überall die offizielle) Arbeitslosigkeit an. Rund 20% sind in Schweden ohne Job, in Irland werden 11 % als Erfolg gefeiert.
...so kämpfen die anderen
Auch wenn Unternehmer und Regierungen alle Propagandamitteln nützen, um uns von der Notwendigkeit der „Spar-“Maßnahmen zu überzeugen - immer häufiger stoßen sie auf Widerstand. Überall, wo Kürzungspläne bekannt werden, wo Sozialabbau betrieben wird, gibt es Protest.
Die Formen, in denen sich dieser Protest ausdrückt, sind verschieden. Es gibt Streiks und Fabriksbesetzungen, Straßenblockaden und Massendemonstrationen, aber auch Passivität und Rückzug ins Privatleben. Die Protesthaltung bei Arbeitneh-merInnen und Jugendlichen nimmt überall zu, auch wenn die österreichische Presse versucht sie zu ignorieren. Auf allen Kontinenten gab es in der letzten Zeit große Proteste, die das politische Establishment erschütterten. In Belgien gegen den korrupten Staatsapparat, in Südkorea gegen die Anti-Gewerkschaftsge-setze der Regierung und in Albanien gegen die Spekulanten, die tausende Albaner um ihr Erspartes brachten.
Die ehemaligen stalinistischen Staaten, deren Übergang zum Kapitalismus als dessen Endsieg gefeiert wurde, werden von einer Welle von Protesten erschüttert. Überall wehren sich die Menschen gegen die Auswirkungen der Privatisierung, der Spekulation, der Bereicherung einer kleinen Schicht - kurz gegen die Auswirkungen des Kapitalismus. Dieses Wirtschaftssystem hat sich als gänzlich unfähig erwiesen, für die Menschen einen auch nur halbwegs erträglichen Lebensstandard zu schaffen und zu erhalten. Im Gegenteil, der Mehrheit geht es heute noch schlechter als früher, kombiniert mit einer extremen Unsicherheit und einer noch größeren Ungleichheit.
Gegen neoliberale Politik
Streiks werden nicht nur um ökonomische Verbesserungen, wie z.B. in Israel wo die Beschäftigten von Haifa-Chemicals über ein Monat gegen Lohnkürzungen von 30 % protestierten, sondern auch gegen die Regierungspolitik geführt. Auch hier Südkorea als Beispiel: Hundertausende ArbeiterInnen gingen in der größten Streikbewegung seit 1964 wochenlang auf die Straße. Streiks finden auch in Lateinamerika statt: Vor allem gegen die neoliberale Politik der Regierungen, die als verlängerter Arm von IWF und Weltbank Privatisierungen und Preiserhöhungen auf Grundgüter durchführen - in Ecuador, in Kolumbien, in Haiti.
Formen des Widerstandes
Diese Streiks sind häufig mit anderen Formen des Widerstandes verbunden, wie z.B. in Frankreich, wo LKW-Fahrer Straßenblockaden errichtet haben. Ein erfolgreiches Beispiel, das von den südkoreanischen ArbeiterInnen aufgegriffen wurde. Manchmal greifen die Belegschaften auch zum Mittel der Betriebsbe- setzung. Wie im Fall der Tudorgold-Fabrik in London und der Glacier-Fabrik in Glasgow, wo die ArbeiterInnen den Betrieb 55 Tage besetzt hielten. Sie verhinderten erfolgreich eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen und die Entlassung von 103 streikenden ArbeiterInnen.
Ein wichtiges Mittel in diesen Kämpfen stellt die Mobilisierung der Bevölkerung dar, die ja neben den direkt Betroffenen, den Beschäftigten, ebenfalls unter den Maßnahmen zu leiden haben. Die Solidaritätsaktionen können von Besetzung der Eisenbahnschienen (Frankreich 1995) bis zur Mobilisierung der Familien bei Streikbewegungen (Liverpooler Docker Streik 1996 und Esbjerger Busfahrerstreik 1995) reichen.
Widerstand vernetzen und verbreitern
Auch das muß gesagt werden: die Gewerkschaften spielen nicht immer eine führende Rolle. In vielen Ländern sind die Kürzungsmaßnahmen überhaupt erst durch die Unterstützung oder zumindest das Stillhalten der Gewerkschaftsführung möglich geworden. Andererseits haben sie aber auch erkannt, daß sie sich zumindest teilweise am Widerstand beteiligen müssen, wollen sie ihre Mitglieder nicht vollständig verlieren.
Die Forderungen und Wünsche der Unternehmer sind auf der ganzen Welt gleich und nicht selten arbeiten sie über die Ländergrenzen hinweg zusammen. Die Proteste, Demonstrationen und Streiks sind allerdings nur auf einzelne Staaten beschränkt. Grund dafür ist vor allem die Gewerkschaftsführung, aber auch manche „linke“ Partei, die sich auf nationale Argumente stützen. Zurückschlagen können wir die Angriffe aber nur, wenn wir den Widerstand vereinigen. Für die SOV ist die internationale Zusammenarbeit der ArbeiterInnenschaft und der Protestbewegungen von zentraler Bedeutung. Daher ist die SOV Mitglied im Komitee für eine Arbeiterinternationale (CWI). Diese Organisation versucht in über 30 Ländern auf allen fünf Kontinenten Widerstand zu organisieren und zu unterstützen und auf eine internationale Ebene zu bringen.