Mangel an Medikamenten weil Pharmaindustrie nach Profiten giert

Margarita Wolf und Katja Straka

Viele Medikamente sind derzeit nicht lieferbar, als Ursache werden Lieferketten-Probleme genannt. Rufe nach der Rückführung der Produktionsstätten in die westliche Welt werden lauter, auch nach Europa. Die Firma Seqens in Frankreich soll 13 Wirkstoffe wieder im Land produzieren, dafür übernimmt der Staat ein Drittel der Kosten. Die zukünftigen Gewinne, wieder finanziert zumindest teilweise aus den Geldern der öffentlichen Krankenkassen, bleiben in privater Hand! 

Auch 2019 kam es zu einer Knappheit von 282 Pharmazeutika im ersten Quartal. Darunter ein Chemotherapie-Medikament für Krebsbehandlungen bei Kindern. Nicht Lieferkettenprobleme oder Wirkstoffknappheit waren die Ursache, sondern das Einstellen der Produktion durch eine Firma. Die Entscheidung traf diese allein, weil das Produkt nicht gewinnbringend war. Seitdem wird es nur mehr von einem einzigen Unternehmen hergestellt (Pfizer), eine Monopolbildung, die in der Pharmaindustrie keine Seltenheit ist. Actilyse (das Notfallmedikament bei Schlaganfällen) wird nur von einem einzigen Hersteller erzeugt – Boehringer Ingelheim in Deutschland. Das Unternehmen hat im Sommer 2022 bekannt gegeben, dass es die kommenden 1 ½ Jahre zu Engpässen kommen wird. Der Konzern begründet das mit einer gestiegenen Nachfrage und dem Mangel an Kapazitäten. 

Die Pharmakonzerne orientieren sich nicht am Bedarf, sondern an der Gewinnspanne eines Medikaments. Profite stehen im Vordergrund, nicht die Gesundheit der Menschen. Wir fordern im Gegenteil die komplette Überführung der Produktion in gesellschaftliches Eigentum. Auch in welchen Bereichen Forschung betrieben wird, muss demokratisch und im Interesse der Menschen, nicht der Profite entschieden werden. So kann Mangel verhindert und die Bedürfnisse der Bevölkerung gedeckt werden. Das ist die einzige Alternative zum Wahnsinn des Kapitalismus, der uns krank macht und permanent dafür sorgt, dass wir nicht wieder gesund werden.

Narrenfreiheit bei der Preisgestaltung

Monopole und Patente ermöglichen den Pharmakonzernen, frei über Preis und Verfügbarkeit bestimmen zu können. Die öffentlichen Institutionen sind die größten Abnehmer und finanzieren mit öffentlichen Geldern private Profite: Österreichs ehemaliger Wirtschaftsminister Martin Bartenstein besitzt Anteile an einem Pharmaunternehmen, das 2018 einen Umsatz von 156 Millionen Euro machte. Nach Ablauf der Patente produziert es billigere Generika und verkauft diese gewinnbringend dem österreichischen Gesundheitswesen. 

Die Behandlung gegen die seltene Muskelerkrankung SDMA kostet unfassbare 2,125 Millionen Dollar! Nach langen Verhandlungen ist es nun auch in Europa genau um diesen Preis erhältlich. Der revolutionäre Charakter aus medizinischer Sicht ist unumstritten, die Forschung dafür wurde allerdings aus öffentlichen Mitteln bezahlt. Als das Produkt dann fertig ausgefeilt war, hat sich der Multikonzern das Unternehmen einverleibt und kann jetzt den Preis bestimmen. Das jeweilige Forschungsgebiet wird von Prestige und Preisfaktoren bestimmt und hängt stark davon ab, in welcher Region der Erde die Krankheit vorwiegend vorkommt bzw. ob es dort entsprechend zahlungskräftige Abnehmer*innen gibt (siehe dazu Infobox).

Covid-Pandemie verstärkt Widersprüche

Die Pandemie hat das Kräfteverhältnis noch weiter zu Gunsten der Pharmaindustrie verändert. Die Umsätze und Gewinne in dieser Branche sind unvorstellbar hoch. Zwischen 1999 und 2017 machten die 11 größten Pharmaunternehmen 1.019 Milliarden Dollar Profit – 90,8% dieser Gewinne wurden nicht in Forschung investiert, sondern an die Aktionär*innen ausgeschüttet. Trotzdem wurde die Impfstoffentwicklung größtenteils durch EU-Gelder finanziert, Mittel aus Steuergeldern. Die Profite streichen nun die privaten Unternehmen ein, nicht ein einziger Impfstoff ist ein gesellschaftliches Allgemeingut, sondern ein privates Patent, mit dem Big Pharma weitere Milliarden verdient. 

 

Info:

Die Entscheidung, wo und in welchem Bereich Forschung betrieben wird, ist von Profit getrieben. 1,7 Milliarden Menschen sind weltweit von NTD (vernachlässigten Tropenkrankheiten) betroffen, wobei die Hälfte der Weltbevölkerung durch sie gefährdet ist (Info: Tierärzte ohne Grenzen). 35% der Erkrankten leben in Regionen südlich der Sahara. Sie sind arm: 50% müssen mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag zurechtkommen. Eine der weit verbreitetsten NTD ist das Dengue Fieber. Jährlich infizieren sich laut Tropeninstitut 284-528 Millionen Menschen weltweit. 2019 starben z.B. auf den Philippinen 1.021, davon 40% Kinder. 

Erst vor ca. zehn Jahren ist es erstmals in Europa aufgetreten. Seitdem wird an einem Impfstoff geforscht. Dass das Dengue-Virus schon seit mindestens den 1960-er Jahren sein Unwesen im afrikanischen und asiatischen Raum treibt und sich seit Jahrzehnten ausbreitet, war Big Pharma bis dato egal.

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: