Mo 01.09.1997
Über die Situation von Lehrlingen führte VORWÄRTS ein Gespräch mit einem Koch-Kellner-Lehrling (KKL), der Stv.Jugendvertrauensrat in einem Gastronomiebetrieb ist.
Vorwärts: Wie ist die Situation für Lehrlinge in Deinem Betrieb?
KKL: Sie ist in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich. Im „Gourmet“ z.B. kann man schon etwas lernen. Wenn man aber wie ich in den letzten Monaten das Pech hat, im Bereich „Catering“ arbeiten zu müssen, ist die Ausbildung sehr schlecht, und du lernst vor allem eines: zu „ducken“. Das fängt mit permanenten Beschimpfungen an und hört bei körperlichen Züchtigungen auf. Mir z.B. wurde mit einer Stange auf den Kopf geschlagen, und ich wurde vom Küchenchef absichtlich gestoßen, als ich einen Behälter mit brühend heißem Wasser trug.
V: Was hältst Du vom Slogan „Karriere mit Lehre“?
KKL: Bei uns im Betrieb nicht viel: Die meisten wollen aufgrund der Arbeitsbedingungen sowieso weg. Wir müssen z.B. unbezahlte Überstunden machen, für die wir „irgendwann einmal“ einen Zeitausgleich bekommen. Einige werden nach abgeschlossener Lehre hinausgeworfen, um sie durch billigere Lehrlinge zu ersetzen. Die dritte Möglichkeit ist - wenn du schön brav warst -, im Betrieb zu bleiben.
V: Und wie sieht die Situation in der Berufsschule (BS) aus?
KKL: Wir haben nicht ein mal in der Woche Schule, sondern „Blockunterricht“. Ich werde ein mal im Jahr 10 Wochen im tiefsten Nieder-österreich kaserniert. Der Tagesablauf ist durchgeplant wie beim Heer. Bei Übertretungen bekommt man einen „schwarzen Punkt“, hast du drei, fliegst Du.
V: Bundeskanzler Klima verspricht jetzt, daß alle Schulabgänger im Herbst einen Ausbildungsplatz finden werden...
KKL: Das ist zwar ein schöner Traum, aber bei der jetzigen Situation absolut unrealistisch. Aber abgesehen davon würden neue Lehrstellen auch nichts verbessern, wenn sie so sind wie die jetzigen. Die Berufsausbildung sollte ganz anders sein: Bessere Bezahlung, keine Ausbeutung im Betrieb, mehr Ausbildung in der BS, z.B. einen zweiten BS-Tag. Und sie sollte unabhängig von den einzelnen Unternehmern sein, damit alle wirklich was lernen, z.B. in überbetrieblichen Stellen.