Mi 01.10.1997
Im Sommer waren offiziell 193.412 Menschen als arbeitssuchend gemeldet, für den Winter wird eine neue Rekordarbeitslosigkeit von über 300.000 erwartet. Die Gewinne der Unternehmer steigen mit den Arbeitslosenzahlen, während die Reallöhne schon seit 1995 sinken.
Die Visionen von Viktor Klima und diversen Wirtschaftsforschern massenhaft neue Jobs in „Zukunftsbereichen“ zu schaffen, sind nicht wahr geworden. Alleine in der „Hoffnungsbranche“ Telekommunikation werden beispielsweise laut Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) 4.000 Arbeitsplätze durch Privatisierung und Deregulierung verlorengehen.
Rekordgewinne bei Beschäftigungsabbau
Die Politik „Lohnverzicht zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts“ hatte offensichtlich keine positiven Beschäftigungseffekte. Im Gegenteil: Wenn heute Kündigungsprogramme bekanntgegeben werden, steigen die Aktien und Gewinne ins Unermeßliche. Beispiele wie OMV, die bis Ende 1998 trotz Rekordgewinnen 1.000 Beschäftigte entlassen will, oder Semperit, sind bereits zum Symbol geworden. Täglich kommen neue Fälle hinzu: Adeg-Umsatz um 6,7 % gewachsen - 500 Beschäftigte abgebaut (Presse 1.10.97), Jobwunder im Handel blieb aus - 1598 Stellen weniger (Standard 4/5.10)
Null komma Null Streiksekunden
“Der neokapitalistische Westwind ist zu einem europäischen Wirbelsturm geworden” wettert GPA-Chef und SPler Sallmutter. In den Zeitungen der Gewerkschaft ist schon seit einiger Zeit vom Turbo- und Killerkapitalismus die Rede. Der im September abgehaltene Jugendkongreß des ÖGB trug den Titel “Jugendausbildung statt Arbeitslosigkeit und hemmungslosem Kapitalismus”. “Wenn man sich das anschaut, diesen ungebremsten, hemmungslosen Kapitalismus, dann müssen wir reagieren, und dann werden wir auch reagieren, das sind wir unseren Mitgliedern verdammt schuldig.... Wenn die Zeiten rauher werden, werden wir nicht mehr 0,0 Streiksekunden haben,... werden wir in die Offensive gehen!” meinte Willi Mernyi, Bundessekretär der Gewerkschaftsjugend in einem Radio Wien Interview Ende September.
Krokodilstränen
Selbst in den bürgerlichen Medien spiegelt sich die wachsende Stimmung gegen die Offensive der Unternehmer wieder. So beklagt Peter Rabl im ÖVP-nahen Kurier zum Beispiel in seinem “Kommentar” die “doppelte Moral mancher Unternehmer”, die einerseits trotz steigender Gewinne ältere ArbeitnehmerInnen entlassen und diese somit in die Frühpension treiben, andererseits aber die Wirtschaft fordert, daß “die Massenseuche Frühpension durch Abzüge bei den Pensionsansprüchen” bekämpft werden soll. Der milliardenschwere Spekulant und Börsenguru George Soros bezeichnet den “Raubkapitalismus” als “Wurzel neuer Unfreiheit” und schreibt “Der wildgewordene Kapitalismus gefährdet die Demokratie”. Österreichs Wirtschaftsminister Farnleitner, der Vetreter der Wirtschaftskammer in der Regierung, kündigte an, er wolle “den Zustand beseitigen, daß Betriebe Rekord-Cash-flows und Rekordumsätze machen, aber ständig Leute abbauen”. Die extreme Rechte darf da natürlich auch nicht fehlen. So meinte der FP-Programmdenker und Burschenschafter Stadler: “Bank und Finanzkapital sind brutal und übernational”. Das sind nichts als Krokodils-tränen, weil diese Herren allesamt an anderer Stelle gegen Gewerkschaften und Sozialstaat hetzten und insgesamt die „freie Markwirtschaft“ als bestes aller Systeme feiern.
...kontra Realpolitik
Die Sozialausgaben im Budget des Bundes gingen von 218 Milliarden 1996 auf 208 Milliarden im kommenden Haushalt zurück. Das Einfrieren von Karenzgeld, Familienbeihilfe, Pflegegeld, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe bis 1999 trifft die am meisten benachteiligten Gruppen. Die steigende Arbeitslosigkeit möchte die Regierung offenbar dadurch bekämpfen, daß sie Geld von der Arbeitslosenversicherung abzieht. 1997 werden es 4.900 Mio Schilling sein, 1999 werden es gar 8.080 Mio Schilling sein.
Der Anteil der Lohnsteuer und der Mehrwertsteuer, also der Steuern, die die “normalen” ArbeitnehmerInnen zahlen, an der Finanzierung des Staatshaushaltes stieg zwischen 1995 und 1998 von 44 % auf 62 %. Die Verbrauchsabgaben mitgerechnet bedeutet dies, daß das Budget inzwischen zu mehr als 80 % von den Lohnabhängigen finanziert wird. Der Anteil der Lohnsteuer am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erhöhte sich von 5,3 auf 7,4 Prozent. Der Anteil der von den Selbständigen (also von den Unternehmern) zu zahlenden Einkommenssteuer fiel zwischen 1995 und 98 von 1,9 auf 1,6 %. Der Anteil der Vermögensteuer fiel von einem Prozent auf 0,37 % ist also faktisch nicht mehr vorhanden.
Arbeitskampf vorbereiten!
“Zur Einhaltung des Stabilitätspaktes werden in den nächsten Jahren weitere Sparbudgets notwendig sein”; meint der Budgetexperte der Wiener Arbeiterkammer Rossmann. Wir meinen: Sie sind schon da. In Form von „Strukturreformen“ wie bei den Pensionen, drohen im Moment größere Angriffe als alle Sparpakete zusammen (siehe Seite 3). GPA-Chef Sallmutter hat völlig recht wenn er sagt, daß wenn die „Reform“ so wie geplant durchgeht, Haider an die Regierung kommt. Es liegt beim ÖGB das Ruder herumzureißen. Das bedeutet jetzt den Streik gegen die Pensionspläne der Regierung vorzubereiten.