3G – Ja, aber

Der nationale Schulterschluss der Gewerkschaften schadet Beschäftigten und der Impfquote!
SLP-Bundesleitung

In Zeiten von Verschwörungsmythen und Zukunftsangst ist es nötig, einige Dinge gleich zu Beginn klar zu stellen: als Sozialist*innen stehen wir auf dem Boden naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und an der Seite der Interessen der Arbeiter*innenklasse. Das bedeutet, dass wir in Bezug auf Corona FÜR Testen und Impfen sind und GEGEN alle Versuche, die Pandemie auf dem Rücken der Arbeiter*innenklasse und ihrer Familien auszutragen. Soweit zum Allgemeinen – doch was bedeutet das nun konkret angesichts der neuen 3G-Regelungen der Regierung?

3 G-Regel am Arbeitsplatz

Ab 1. November gilt auch im Job “getestet, geimpft oder genesen”. Argumentiert wird das mit Pandemie Bekämpfung und einem sicheren Arbeitsumfeld. Dass Beschäftigte das nicht wirklich glauben ist nachvollziehbar: monatelang mussten viele ohne ausreichenden Schutz arbeiten. Da warteten Lehrer*innen wochenlang auf die medial angekündigten FFP2-Masken, um dann 2 Stück zu erhalten inklusive der Anweisung, sie zuhause im Backrohr selbst zu desinfizieren. Der Mangel an Schutz im Gesundheits- und Sozialwesen aber auch an anderen Arbeitsplätzen war und ist für viele tödlich. Viele blicken auch abseits von Corona auf eine lange Erfahrung mit mangelnder Sicherheit im Job zurück: ungesunde Sessel, keine oder zu kurze Pausen, eine geschlossene Werkskantine, mangelhafte Lüftung/Heizung/Kühlung in Werkshallen – um nur ein paar Beispiele dafür zu nennen, wo die Sicherheit der Beschäftigten an den Kosten für die Firmen scheiterten. 

Auch aktuell geht es weder Firmen noch Regierung um die Gesundheit der Beschäftigten sondern um ihre Arbeitsfähigkeit. Krankenstände, Quarantäne und vor allem Lockdowns kosten – und sollen daher vermieden werden. Die Kosten für diese Maßnahmen aber werden in vielen Fällen der öffentlichen Hand oder sogar den Beschäftigten selbst aufgehalst. Einige große Firmen mögen testen und impfen im Betrieb ermöglicht haben, doch für die meisten Beschäftigten galt und gilt: die Sicherung der Gesundheit ist „Privatsache“ und muss in der Freizeit erfolgen.

Stellen wir uns vor, die öffentliche Hand hätte schon im Frühjahr/Sommer 2020 kostenlose Massentestmöglichkeiten angeboten und hätte Firmen verpflichtet, in der Arbeitszeit kostenlose Tests anzubieten. Der Verlauf der Pandemie hätte mit diesen Maßnahmen (die wir damals bereits vorgeschlagen haben) beeinflusst werden können, Menschenleben hätten gerettet werden können!

Wenn nun angedacht wird, Tests kostenpflichtig zu machen, dann ist das aus Sicht der Pandemie Bekämpfung Irrsinn! Es wird ignoriert, warum Menschen sich nicht impfen lassen und es wird ignoriert, dass auch Geimpfte nach wie vor das Virus übertragen können.

Woher kommt das Misstrauen gegen Impfen & Testen?

Das politische System ist schon seit längerem in der Krise. Das drückt sich in sinkenden Wahlbeteiligungen ebenso aus wie in einer allgemeinen „die sind alles Verbrecher“ Stimmung. Nicht erst seit Sebastian Kurz jagt ein Korruptionsskandal den nächsten. Politiker*innen lassen sich schmieren, um Gefälligkeitsgesetze zu verabschieden. Medien die gegen Inserate eine bestimmte Linie verbreiten. Selbst die Wissenschaft ist offensichtlich käuflich. Dazu eine Pharmaindustrie deren hohe Profite bekannt sind und die sich weniger daran orientiert, welche Medikamente benötigt werden, sondern welche profitabel sind. Da ist es nicht verwunderlich, wenn immer weniger Menschen Vertrauen in alles haben was “von oben kommt”. Doch die an sich berechtigte Systemkritik äußert sich diffus oder auch rechts wenn die Arbeiter*innenbewegung in Form von Betriebratskörperschaften und Gewerkschaften die Themen nicht offensiv aufgreift. Dann suchen manche den Weg in persönliche Erfahrungsberichte oder “das Internet”. Statistiken werden selektiv oder gar pauschal abgelehnt, wenn sie sich nicht mit der eigenen Wahrnehmung decken. Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen schwappt über in Misstrauen gegen Wissenschaft und ad-hoc Erklärungen ersetzen umfassende Sachzusammenhänge. 

Wir verstehen woher das Misstrauen kommt - dennoch muss klar gesagt werden dass es Corona wirklich gibt, dass es gefährlich ist und die Impfungen wirken. Dass die Herrschenden versuchen, Corona, wenn es nun mal schon da ist, für ihre Zwecke zu nutzen stimmt, ändert aber nichts an der grundsätzlichen Gefährlichkeit des Virus.

Auch das Gefühl, „denen da oben“ ausgeliefert zu sein, hat eine sehr reale Basis. Arbeit auf Abruf, keine Mitbestimmung über die Arbeitszeit oder die Situation vor Ort, Ignorieren von Vorschlägen, die aus der Belegschaft kommen etc – all das führt dazu, dass Beschäftigte das Gefühl haben, völlig kontrolliert zu sein. Wenn als einzige Möglichkeit zur „Selbstbestimmtheit“ die Verweigerung der Corona-Impfung scheint dann verstehen wir zwar, woher das kommt, doch das ist unvernünftig, unsolidarisch und gefährdet Kolleg*innen. Wir brauchen ein demokratisches System, in dem Menschen tatsächlich über ihr Leben und v.a. ihre Arbeitssituation mitentscheiden können, anstatt auf willenlose Arbeitsfähigkeit reduziert zu werden. Auch deshalb ist eine unabhängige Gewerkschaftspolitik die nicht einfach Regierungspolitik umsetzt sondern die gemeinsam mit den Beschäftigten vor Ort ein eigenes Programm aufstellt und erkämpft so dringend nötig.

Nein zu allen Verschlechterungen für Beschäftigte, Arbeitslose & Co.

Aktuell beklagen sich Wirtschaftsvertreter*innen über „Arbeitskräftemangel“. Wahr ist wohl eher, dass viele Leute nicht mehr in schlechte Anstellungsverhältnisse zu schlechten Löhnen zurück wollen. Diese Erkenntnis wurde angesichts des angeblichen Personalmangels für Bäckereien sogar öffentlich diskutiert. Der Druck auf Arbeitslose, wieder irgendein Beschäftigungsverhältnis anzufangen, wird gemeinsam mit dem Druck auf Arbeitende, mehr Leistung zu erbringen, um fehlende Stellen zu kompensieren, steigen. In Deutschland wollen Unternehmen Zugriff auf die Impfdaten der Beschäftigen – ein erster Schritt um auf die allgemeinen Gesundheitsdaten Zugriff zu haben. Für die Bosse ist es natürlich spannend zu wissen, welche Beschäftige ein erhöhtes Risiko haben zu erkranken – das sind dann die ersten, die „abgebaut“ werden. Ebenfalls in Deutschland soll die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall für Impfverweiger*innen gestrichen werden. Nach dem Motto “selbstverschuldet krank” kann diese Logik rasch genutzt werden, um den Bezug auch zu streichen, wenn jemand raucht, Ski fährt oder sonst etwas tut, was das Funktionieren der Arbeitskraft gefährden kann.

In Österreich kann unter bestimmten Bedingungen Arbeitslosen, die sich nicht impfen lassen wollen, das Arbeitslosengeld gestrichen werden. Auch hier: dadurch werden sich nicht wesentlich mehr impfen lassen, aber dafür die Willkür gegenüber Arbeitslosen erhöht werden. Du bist nicht bereit einen Computerkurs zu machen, deinen Wohnort zu wechseln, täglich 2 Stunden zu pendeln oder Nachtarbeit zu leisten? Du bist nicht bereit in einer Oben-Ohne Bar zu arbeiten oder 20 Kilo abzunehmen um dem Image der Firma zu entsprechen? Das könnten die nächsten „Gründe“ sein, um Arbeitslosen den Bezug zu sperren.

Nationaler Schulterschluss der Gewerkschaft nützt der extremen Rechten

Die größeren Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen sind schon einige Zeit her, inzwischen geht in Österreich v.a. die extreme Rechte auf die Straße. Doch ein Blick nach Frankreich oder Italien zeigt, dass es zu Protesten gegen Regierungsmaßnahmen kommen kann, bei denen es um eine Variante von 3G im Job geht. Natürlich geht es den verschiedensten extremen Rechten von FPÖ über Identitäre bis zu den italienischen oder französischen Faschist*innen nicht um demokratische Rechte oder die Rechte von Arbeiter*innen. Das Beispiel eines niederösterreichischen FPÖ-Mandatars ging Anfang 2021 durch die Medien: er war nicht nur trotz des jugendlichen Alters von 33 unter den ersten die geimpft wurden sondern auch bei Demonstrationen gegen Impfen und Corona-Maßnahmen dabei. Ein typischer Fall von Wasser predigen, Wein trinken, rücksichtslosem Vordrängen und üblem Populismus. Dieselben Leute „verteidigen“ die „Rechte“ von Unternehmen gegen Gewerkschaften mit dem Argument der „Freiheit“ (also der Freiheit von oben nach unten auszubeuten).

Wie gut verbunden diese extreme Rechte mit „denen da oben“ ist längst bekannt: sie haben enge Verbindungen in Wirtschaft, Medien und Politik, verschaffen ihren Freund*innen dort Posten und Aufträge. Sie sind also Teil der Elite. Und doch können sie von der Stimmung „gegen die da oben“ profitieren v.a. weil die Gewerkschaft sich völlig im nationalen Schulterschluss aufgegeben hat. Sie hat das Pandemiemanagement der Regierung fast vollständig mitgetragen anstatt ein eigenes Programm zu entwickeln das die Interessen der Beschäftigten widerspiegelt und dieses bedingungslos zu verteidigen. Am deutlichsten wurde das im de facto Verzicht auf KV-Verhandlungen (und auf Arbeitskämpfe sowieso) „wegen Corona“ und entsprechend miesen Abschlüssen. Aber auch beim Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, bei Corona-Bonus und Maskenpause hat die Gewerkschaft bestenfalls Appelle an die Regierung gerichtet. Während v.a. Großkonzerne Milliarden an “Hilfen” bekommen haben mussten viele im Homeoffice Job und Kinderbetreuung unter einen Hut kriegen, warten seit Monaten auf den ohnehin mageren Coronabonus, den nur wenige erhalten, bzw. sahen und sehen sich im Job mit erhöhtem Arbeitsdruck konfrontiert. Die extreme Rechte nutzt den Unmut über die Maßnahmen und das staatstragende Verhalten der Gewerkschaft sehr gezielt - gerade um Gewerkschaften anzugreifen. Die brutalen Angriffe auf Gewerkschaftszentralen in Australien und Italien im Zuge von Protesten gegen Corona-Maßnahmen geführt von Faschist*innen und Rechtsextremen zeigt, worum es diesen wirklich geht: um den Angriff auf die Organisationen der Arbeiter*innenbewegung.

Gesundheitsschutz und Impfkampagne nicht den Herrschenden überlassen – das ist Aufgabe der Arbeiter*innenbewegung!

Ziel der Gewerkschaft muss es sein, die Gesundheit und die Jobs der Beschäftigten zu sichern, die Impfquote durch Aufklärung und nicht durch Zwang zu erhöhen und alle Versuche, die Pandemie als Druckmittel gegen Kolleg*innen einzusetzen, zurück zu schlagen. Wie kann das gelingen?

  • 3G am Arbeitsplatz nicht auf Kosten von Beschäftigten: PCR-testen und impfen muss kostenlos während der Arbeitszeit und am Arbeitsplatz möglich sein. Sowohl Ungeimpfte als auch Geimpfte profitieren von einem leicht zugänglichen, mehrsprachigem und kostenlosen Testangebot. Die Kontrolle der Einhaltung muss durch von der Belegschaft gewählte Gremien stattfinden.
  • Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz kann am Besten durch die Beschäftigten umgesetzt werden. Es braucht Betriebsversammlungen in der Arbeitszeit unter Einbeziehung von Pflegekräften, Wissenschaftler*innen usw. aus der Arbeiter*innenbewegung bei denen über Impfung und Gesundheitsschutz diskutiert werden kann, um so mehr Menschen von der Impfung zu überzeugen und gleichzeitig den bestmöglichen Gesundheitsschutz sicherzustellen. Dasselbe sollte auch über eine organisierte und mehrsprachige Öffentlichkeitskampagne der Gewerkschaften erfolgen.
  • Offenlegung aller Verträge zwischen den Impfstoffproduzenten und den EU-Staaten sowie der Patente für die entsprechenden Impfstoffe. Übernahme der gesamten Impfstoffproduktion sowie von Testproduktion/durchführung durch die öffentliche Hand. In Folge Übernahme auch anderer Bereiche der Gesundheitsversorgung durch die Öffentliche Hand und unter Kontrolle und Verwaltung von Beschäftigten und Arbeiter*innenbewegung. Vollständige Ausfinanzierung des gesamten Gesundheitsbereiches - mehr Personal und bessere Arbeitsbedingungen, kostenlose, rasche und bestmögliche Behandlung für alle.
  • Kompromisslose Opposition der Gewerkschaft gegen alle Versuche, den Druck auf Beschäftigte oder Arbeitslose zu erhöhen oder die Kosten auf die Arbeiter*innenklasse auszulagern. Impf- und Test-Skeptiker*innen werden nicht durch staatliche Zwangsmaßnahmen überzeugt sondern durch die Kolleg*innen in den Betrieben.
  • Entschlossenes Auftreten der Gewerkschaft gegen     Verschwörungsmythiker*innen und Rechtsextreme: diese haben keinen Platz in der Arbeiter*innenbewegung und stehen in allen wichtigen Fragen von Gesundheit über Demokratie bis hin zu Sozialem auf der anderen Seite. Jeder individualistische Zugang steht im Widerspruch zum gemeinsamen Auftreten von Kolleg*innen, um Verbesserungen zu erkämpfen.