Sa 01.11.1997
Das Match um die Pensionsreform ist weitgehend gelaufen. Unter massivem Flankenschutz der Medien ist es gelungen, die BeamtInnen als Buhmänner der Nation und die Gewerkschaft als Bremser hinzustellen. Das Nein des ÖGB wurde - trotz dem wohltuenden Auspfeifen der Regierung am Gewerkschaftstag der BeamtInnen - weichgeklopft. Weitere Angriffe drohen jetzt. Wer leistet Widerstand gegen Sozialabbau? Die FPÖ sicher nicht.
Die „Eckpunkte“ der Reform zeigen grundsätzliche Stoßrichtung: Länger arbeiten und weniger Leistungen für die zukünftigen PensionistInnnen. In Österreich ist heute so gut wie jeder pensionsversichert. Zumindest wer lange vollzeitbeschäftigt ist, hat durch das sogenannte Lebensstandardsicherungsprinzip keine tiefgreifende, soziale Schlechterstellung im Ruhestand zu befürchten. Die Pensionsversicherung wird aus Beiträgen von Unternehmern, ArbeitnehmerInnen und dem Staat finanziert. Die ASVG-Versicherten zahlen einen großen Teil ihrer Pensionen direkt über ihre Beiträge selbst, den Rest über ihre Steuerleistungen. Trotz einiger Schwächen (keine existenzsichernde Mindestpension, Benachteiligung vieler Frauen) stellt das bisherige Pensionssystem eine wichtige Errungenschaft dar. Denn im Verhältnis zu anderen Ländern ist der Beitrag, den die Unternehmer leisten, relativ hoch - nicht, weil diese so nett sind, sondern weil sie sich im Nachkriegsaufschwung so den sozialen Frieden erkauften.
Geopfert für Maastricht
Die Regierung will einen immer geringeren Prozentsatz (des BIP) als Bundesbeitrag zu den Pensionen zahlen, um so die Maastrichtkriterien zu erreichen. Die Unternehmer möchten ihren Beitrag zur Pensionskasse dauerhaft reduzieren, um die angeblich „zu hohen Lohnnebenkosten“ zu senken. Weiters will die Bundeswirtschaftskammer langfristig, daß nicht die besten 18 Jahre, sondern das gesamte Erwerbsleben als Durchrechnungszeitraum zur Ermittlung der Pensionsbesmessungsgrundlage herangezogen werden: Also weitere massive Pensionskürzungen. Die Einführung eines Durchrechnungszeitraums (für BeamtInnen) sowie die Verlängerung des Durcherechnugszeitraumes (ASVG-Beschäftigte) und die Abschläge bei den vorzeitigen Alterspensionen („Frühpensionen“) entsprechen diesem Trend. Regierung und Unternehmer wollen weniger für die Pensionen zahlen und die Zeche dafür die arbeitende Bevölkerung bezahlen lassen.
Was tun ÖGB und AK?
Bei manchen Details wurde und wird zwar „herumgebessert“, entscheidend ist aber, daß der ÖGB der Tendenz nachgibt, daß Unternehmer und Staat weniger zahlen und die ArbeitnehmerInnen weniger Leistungen erhalten. Eine Abfederung der sozialen Härten und ein späteres in Kraft treten der Pensionreform hilft zwar den Betroffenen, es bedeutet aber auch - nach den Sparpaketen - weitere Verschlechterungen für viele und öffnet die Schleusen für eine weitere Zerschlagung des Pensionssystems.
Die letzten Monate haben gezeigt, wie groß die Angst der Regierenden vor einem Widerstand der Gewerkschaften ist. So waren Klima und Co. nach dem „Nein“ des ÖGB-Bundesvorstands und den Protestaktionen am Gewerkschaftstag der öffentlich Bediensteten schnell bereit, über soziale Abfederungen zu sprechen. Der ÖGB hätte diese Stimmung für einen Kampf für eine echte Pensionreform, mit einer existenzsichernden Mindestpension und einer Finanzierung des Pensionsystem durch wertschöpfungsorientierte Arbeitgeberbeiträge zu den Pensionskassen, nutzen sollen. Das hätte einen offenen Konflikt mit der Regierung bedeutet. Aber, wie GPA-Chef Sallmutter sagte: Eine Gewerkschaft ist kein Bienenzüchterverein, sondern eine Kampforganisation. Schon im Sommer merkte der deutsche Pensionsexperte Rürup an, daß die derzeitige Pensionsreform ihr Einsparungsziel nicht erreicht. Die nächsten „Reformen“ stehen also bald ins Haus. Wann wacht der ÖGB endlich auf?
FPÖ Taschenspielertricks
Die FPÖ lehnt jede Pensionsreform der Regierung als zuwenig weitgehend ab. Haider will die staatliche Altersvorsorge stutzen - der Rest soll individuell durch Betriebs- und Privatpensionen finanziert werden. Das bedeutet, daß die Unternehmer fast völlig aus der Verantwortung entlassen werden - denn die Arbeitgeberbeiträge würden bei Betriebs- und Privatpensionen entfallen. Die FPÖ-Pensionsreform: Ein Taschenspielertrick, der eine massive Mehrbelastung der „kleinen Leute“ bedeutet. Mit ihrem „EURO-Volksabstimmungs-Volksbegehrens“ möchte die FPÖ aus dem Unmut über die Regierungspolitik politisches Kapital schlagen. Ein weiterer Trick; Denn den Unternehmern und Industriellen in- und außerhalb seiner Partei sagt er grundsätzlich JA zum EURO. Es ist einzig und alleine die Schwäche der linken Anti-EU-Bewegung und die unklare Haltung der Gewerkschaft zu Maastricht, die es Haider möglich macht, das Volksbegehren zu starten. Haider fordert ganz offen, daß die Sanierung des Budgets Vorrang vor der Einführung des EURO hat - das bedeutet die Forderung nach einer noch härteren Sparpolitik als sie jetzt ohnehin stattfindet. Haiders Volksbegehren hat mit Widerstand gegen Maastricht-Europa nichts zu tun. Deshalb unterschreiben wir es auch nicht!
Wirklicher Widerstand?
Wirklicher Widerstand ist möglich, auch wenn er mühsam aufgebaut werden muß. Die SOV versucht gemeinsam mit anderen linken Gruppen und Gewerkschaftsfraktionen, eine neue soziale Bewegung von unten aufzubauen. Gegen die Pensionsreform gibt es eine gemeinsame Initiative aus u.a. Gewerkschaftlicher Einheit (GE), Gewerkschaftlichem Linksblock (GLB), Konsequenter Interessensvertretung (KIV), SOV und anderen. Ein kleiner Schritt, aber die praktische Erfahrung bei gemeinsamen Aktionen sind ein wichtiges Mittel, um eine Bewegung von links aufzubauen. Anhand der Pensionsdebatte kann gut aufzeigt werden, wie ungerecht unser System eigentlich ist: Seit 1970 sind die Gewinne 4x mehr gestiegen als die Netto-Löhne. Andererseits wird eine Pensionsreform auf Kosten der ArbeitnehmerInnen durchgezogen.
Wir haben in den letzten Woche durch Kundgebungen, Beteiligung an Gewerkschaftsaktionen und Resolutionen für Gewerkschafts- und Betriebsratsgremien versucht, Widerstand zu organisieren und Druck auf die Gewerkschaften auszuüben. Sozialabau wird in nächster Zeit, in viele kleine „Reformen“ verpackt, durchgezogen werden. Daher sind auch regelmäßige gemeinsame Aktionen von Sozialinitativen, BetriebsrätInnen, kämpferisch eingestellten GewerkschafterInnen und linken Organisationen notwendig, gemeinsam langfristigen breiten Widerstand aufzubauen.