So 01.02.1998
Seit Wochen diskutieren SPÖ und ÖVP über die Reform der Familienbesteuerung. Einhellig wird verlautbart: Die Familien sollen mehr als bisher unterstützt werden.
Ihren Ausgangspunkt nahm die Debatte anläßlich der Beschwerde eines dreifachen Familienvaters nach der der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erklärte, daß die zu Unterhaltsleistung verpflichteten Steuerpflichtigen gegenüber nicht unterhaltspflichtigen Personen diskriminiert werden. Deshalb sollen die Unterhaltszahlungen für Kinder zur Hälfte steuerfrei sein. Davon profitieren würden gutverdienende Alleinverdienerfamilien, sozialer Staffelung würde entgegengewirkt und damit wären reiche Familien über das Steuerrecht überproportional begünstigt.
SPÖ und ÖVP betreiben nun, wenn auch mit verschiedenen Positionen, viel Aufwand (im Gegensatz zu den Forderungen des Frauenvolksbegehrens) das VfGH-Urteil umzusetzen. Die ÖVP will generell Familien mit mehreren Kindern verstärkt fördern, die Mehrkinderstaffel beibehalten und den Kinderabsetzbetrag um öS 500.- erhöhen und das aus dem Budget finanzieren. Die SPÖ will zusätzliche Förderung nur für einkommensschwache Familien mit mindestens drei Kindern und die Familienbeihilfe in zwei Stufen um öS 500.- erhöhen und das benötigte Geld teils aus FLAF, teils aus Budget aufbringen.
Die erst kürzlich durchgeführten „Einsparungen“ werden nicht angetastet. Denn durch die Sparpakete 1 und 2 wurde schon eine Umschichtung zu Lasten einkommensschwacher Familien und Alleinerzieherinnen vorgenommen. Familienbeihilfen und Freifahrten wurden gekürzt, das erhöhte Karenzgeld wurde abgeschafft, die Geburtenbeihilfe gestrichen und der 2-jährige Karenzurlaub an die Aufteilung zwischen den Elternteilen gebunden. Letztgenannte Maßnahme bedeutet eine eindeutige Diskriminierung alleinstehender Mütter oder (in selteneren Fällen) Väter, da sie generell nur mehr eineinhalb Jahre Karenzurlaub in Anspruch nehmen können. Die durchgeführten Sparmaßnahmen zeigen schon jetzt Auswirkungen. So sind z.B. durch die Kürzung der Geburtenbeihilfe die Mutter-Kind-Paß-Untersuchungen drastisch zurückgegangen. Laut Aussage des Frauenministeriums fehlen in Österreich 200.000 Kinderbetreuungsplätze. Durch die Streichung des 2.Karenzjahres wurde die Schaffung von schätzungsweise weiteren 40.000 Kinderbetreuungsplätzen notwendig. Alleinerziehende Mütter werden somit verstärkt vom Arbeitsmarkt gedrängt, wenn sie nach dem Karenzurlaub keinen Betreuungsplatz für ihr Kind haben.
Auf dieser Grundlage muß die Familienbesteuerungsdebatte betrachtet werden. Denn auch wenn sich SPÖ und ÖVP uneinig über die Umsetzung zeigen, bleibt die tendenzielle Ausrichtung die gleiche, da von den bereits durchgeführten Ein-sparungen nichts zurückgenommen und somit an der ungerechten Verteilung familienpolitischer Leistungen nicht gerüttelt wird.