„Care Work sollte verdammt nochmal mehr wert sein!“

Im Zuge der Coronakrise wurde oft davon gesprochen, wie wertvoll und wichtig die Arbeit im Sozial- und Gesundheitsbereich für unsere Gesellschaft ist. Betrachtet man die Gehälter und die Arbeitsbedingungen in Sozial- und vielen Gesundheitsberufen, so wird schnell klar, dass es sich um reine Lippenbekenntnisse handelt. Echte Verbesserungen sind für die Beschäftigten nicht in Sicht – ganz im Gegenteil. In Vorarlberg wurden zuletzt erste Einsparungen im Gesundheitsbereich bekannt gegeben – ein Trend, der österreichweit zu beobachten sein wird.

 

Mit Vanessa, 19, Auszubildende in einer privaten Fachschule für Sozialberufe, haben wir über Baustellen in ihrer Ausbildung und über Perspektiven für den Gesundheits- und Sozialbereich gesprochen.

 

Frage (F): Du beendest in einem Jahr deine Ausbildung. Welche Gedanken kommen dir als erstes in den Sinn, wenn du an die Jobsuche und an das Berufsleben danach denkst?

 

Antwort (A): Ich freue mich sehr auf die zukünftige Arbeit mit anderen Menschen! Deshalb habe ich mich für die Ausbildung entschieden. Gleichzeitig aber denke ich daran, wie mies der Lohn und wie schlecht die Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Sozial- und Gesundheitsbereich sind. Das ist eine absolute Frechheit! Care Work sollte verdammt nochmal mehr wert sein!

 

F: Wenn du auf die letzten Schuljahre, auf deine Ausbildung zurückblickst: Was waren für euch Schüler*innen die größten Herausforderungen?

 

A: Die größte Herausforderung war auf jeden Fall das Praktikum. Wir fahren an zwei Tagen der Woche nach der Schule mittags sofort ins Praktikum. Wenn wir abends nach Hause kommen, können wir dann aber nicht den verdienten Feierabend genießen, sondern sind mit der Erledigung unserer Hausaufgaben und mit Lernen beschäftigt. Diese Tage sind anstrengend und sehr lang.

 

F: Viele Ausbildungen im Gesundheits- und Sozialbereich sind Lehrberufe, andere umfassen eine entsprechende Schulausbildung, im Zuge derer auch Praktika absolviert werden müssen. Werdet ihr für eure Praktika bezahlt? Wie steht es um die Betreuung und die Gestaltung der Praktika? Was funktioniert so gar nicht und warum?

 

A: Wir müssen im zweiten Schuljahr ein Familienpraktikum absolvieren und werden dabei einer Lehrfamilie zugeteilt. Zweimal pro Woche unterstützen wir die Familie nachmittags – auch bei der Kinderbetreuung. Eine Entlohnung oder Taschengeld bekommen wir Schüler*innen nicht. Die Lehrfamilie hingegen zahlt pro Schüler*in 1,50 EUR pro Stunde an die Schule für die Zeit unseres Praktikums. Eine Unterrichtsstunde pro Woche ist dafür vorgesehen, Feedback zum Praktikum zu geben und über die eigenen Erfahrungen zu sprechen. In einer Gruppe von acht Schüler*innen ist es kaum möglich, in angemessener Form jede individuelle Situation zu besprechen. Doch gerade der gemeinsame Austausch über schöne, vor allem aber auch über unangenehme Erfahrungen, wäre so wichtig für uns.

 

F: Was muss in deiner Schule oder in der Ausbildung insgesamt dringend besser werden? Woran krankt es und woran liegt das deiner Meinung nach?

 

A: Ein wichtiger Punkt ist die Aufklärung über unsere Rechte als zukünftige Arbeitnehmer*innen. Diese findet aktuell überhaupt nicht statt. Zudem wäre es wichtig, über die Arbeitsbedingungen zu sprechen und darüber, wie Verbesserungen und Lohnerhöhungen erkämpft werden können.

 

 

F: Am 3. Oktober soll es eine große gemeinsame Aktion verschiedener Initiativen und Organisationen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich geben. Eine Woche vor den Wien-Wahlen soll die Aufmerksamkeit genutzt werden, um die wichtigen Anliegen in die Öffentlichkeit zu tragen. Welche Forderung stellst du persönlich ganz nach oben?

 

A: Es braucht dringend mehr Personal im Gesundheits- und Sozialbereich – und wir brauchen eine Arbeitszeitverkürzung auf 35 Stunden bei vollem Lohn!

 

F: Vielen Dank für deine Zeit und alles Gute für die bevorstehenden Kämpfe!

 

 

Als SLP unterstützen wir diese Forderungen sowie die für 3. Oktober geplante Demonstration in Wien. Neben Beschäftigten und Klient*innen werden auch Auszubildende und Schüler*innen aus dem Gesundheits- und Sozialbereich Teil der Proteste sein. Bezahlte Pflichtpraktika und eine Supervision für Auszubildende sind nur einige der dringend benötigten Verbesserungen, um die verschiedenen Belastungen der Ausbildung abzufedern.

 

Das Interview führte Stefanie Klamuth.

 

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