So 27.01.2008
"Die österreichischen ArbeiterInnen kämpfen doch nicht" – dieses Vorurteil wird nicht zuletzt durch den Artikel auf dieser Doppelseite über die Entwicklung Österreichs 1918–1938 widerlegt. Die österreichische ArbeiterInnenklasse befand sich mit ihrer Kampfbereitschaft in dieser Periode mehrmals an der Spitze einer internationalen Entwicklung, welche die kapitalistische Herrschaft massiv in Frage stellte. Auch die Wortradikalität des "Austromarxismus" war, trotz dessen fataler Rolle in der Praxis, auch Ausdruck eines, gerade hier breit verankerten sozialistischen Bewusstseins. Wenn MarxistInnen von der ArbeiterInnenklasse als "revolutionärem Subjekt" sprechen, so kann für Österreich revolutionär sogar durch fortschrittlich ersetzt werden. Allgemeines und gleiches Wahlrecht, sozialstaatliche Modernität, das Recht auf Abtreibung (...) es gibt in diesem Land so gut wie keine Errungenschaften, die nicht gleichzeitig Siege von Bewegungen waren die letztlich auf den Schultern der ArbeiterInnenklasse gestanden sind. Bedauerlicherweise galt der Umkehrschluss hier stets genauso: Defensive und Niederlage für diese Klasse, die Zerschlagung ihrer Organisationen und Vernichtung ihrer AktivistInnen waren direkt verknüpft mit den großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts; also Faschismus, Krieg und Holocaust.
Keine Friedhofsruhe in der Zweiten Republik
Auch die Geschichte der Zweiten Republik stellt sich keineswegs als Geschichte ohne Arbeitskämpfe, soziale Konflikte und Kontroversen dar. Mehrere Male hatten Bewegungen nicht nur eine Größe, die in anderen Staaten als Generalstreik bezeichnet werden. Ebenso beinhalteten Kämpfe der ArbeiterInnenklasse auch klare politische Ansagen: So war der Oktoberstreik 1950 vor allem auch eine Widerstandsbewegung gegen die Etablierung der Sozialpartnerschaft; erst danach wurde etwa im ÖGB der antifaschistische durch einen antikommunistischen Grundkonsens weitgehend abgelöst. Ebenso streikten u.a. in den 1960er Jahren Zehntausende gegen die Rückkehr des habsburgischen Thronerben. Die gesamte Geschichte seit 1945 kennt nur wenige Ausnahmejahre in welchen ArbeitnehmerInnen auch hierzulande nicht um ihre Rechte und Zukunft, also bessere Lebensbedingungen, höhere Löhne etc... kämpfen mussten. Besonders hat allerdings das Streikjahr 2003 die Tatsache im gesellschaftlichen Bewusstsein wieder verankert, dass die ArbeiterInnenklasse, trotz ihrer soziologischen Veränderung, als extrem fortschrittlicher Faktor in der österreichischen Gesellschaft vorhanden ist. Schließlich war diese Widerstandsbewegung jene, welche der reaktionären. schwarz-blauen, Regierung tatsächlich gefährlich wurde. Fortschrittlich handeln kann diese Klasse letztlich aber nur dann, wenn sie sich organisiert und mit einem sozialistischen Programm "bewaffnet", welches die Logik der angeblichen Sachzwänge nicht akzeptiert. Auch das zeigt vielleicht bereits diese kleine Bilanz zur Rolle der ArbeiterInnenklasse im 20. Jahrhundert.