Do 26.11.2015
Am 25. November wurden Belegschaft und Öffentlichkeit vor vollendete Tatsachen gestellt: Zielpunkt wird in die Insolvenz geschickt. Rund 2500 Jobs, v.a. von Frauen, sind gefährdet. Der Firmenbesitzer Georg Pfeiffer vergießt Krokodilstränen und putzt sich ab.
Die Zielpunkt-Kette gibt es seit 1967, damals Löwa, wurde aber nach fünf Jahren an die Tengelmann-Gruppe (Kik, Obi etc.) verkauft. Zielpunkt wurde vorübergehend Plus, dann wieder Zielpunkt und wurde 2010 an den Finanzinvestor BluO verkauft und 2012 in einem Management-Buy-Out vorübergehend an den Sanierer Jan Satek und eine Investorengruppe verkauft. Seit 2012 gehört Zielpunkt der Familie Pfeiffer. Während der gesamten Zeit tat die Firma, was Handelsunternehmen so tun: die Beschäftigten mies bezahlen.
Die Familie Pfeiffer (Nah&Frisch, Unimarkt) erklärt nun „Wir haben gekämpft bis zum Schluss und nichts unversucht gelassen“ um Zielpunkt zu retten. Doch der aktuelle Finanzbedarf von 60 Millionen sei nicht zu stemmen.
Die Opfer dieser Entwicklung sind die Beschäftigten (und in kleinerem Ausmaß auch die KundInnen). Pfeiffer versteckt sich hinter Schutzbehauptungen und hofft, dass „eine Vielzahl an Standorten an Mitbewerber geht". Doch für viele der 229 Filialen und 2.500 Beschäftigten bedeutet die Pleite das aus. Denn hier findet – auch vor dem Hintergrund einer Wirtschaftskrise und sinkender Reallöhne - eine Marktbereinigung statt, da im österreichischen Handel das Filialnetz überdurchschnittlich dicht ist.
Noch rechtzeitig vor Auszahlung der Novembergehälter meldete Pfeiffer Insolvenz an – und hängt die Kosten der Öffentlichkeit um (während er in der Vergangenheit die Gewinne privat kassiert hat). Die Gehälter werden nun – mit massiver Verzögerung – vom Insolvenzentgeltfonds IEF bezahlt werden. Dieser wird aus Beiträgen der Unternehmen (Lohnnebenkosten, also eigentlich von den Beschäftigten) und Arbeitsmarktmitteln (also Steuern) bezahlt. Der Unternehmensbeitrag zum IEF wurde auch auf Druck von Bundeswirtschaftskammer und Industrieellenvereinigung (Stichwort: Senkung der Lohnnebenkosten) mit Anfang 2015 um rund 22% reduziert, die Pleiten nehmen aber zu – d.h. die öffentliche Hand muss noch mehr für die Krise zahlen.
Für die ohnehin schlecht bezahlten Beschäftigten ist die verzögerte Auszahlung der Löhne ein massives Problem – Mieten, Kreditraten, Weihnachtsgeschenke oder auch nur schlicht Lebensmitteln – müssen gekauft werden. Mit den miesen Handelslöhnen hat sich da niemand große Rücklagen finanzieren können. Am Ende des Jahres, kurz vor Weihnachten, wo viele dringend auf das Weihnachtsgeld angewiesen sind, monatelang aufs Gehalt warten zu müssen kann für viele zu einer Katastrophe werden!
Die Besitzer leiden nicht!
Die Besitzer geben sich schockiert und bemüht, tatsächlich haben sie zwar jahrzehntelang Profite aus der Arbeit der Handelsbeschäftigten gezogen, haften aber nicht mit ihrem Privatvermögen, dass ja aus diesen Profiten entstanden ist. Die aktuelle Zielpunkt-Besitzerfamilie scheint im Ranking der 100 reichsten ÖsterreicherInnen auf – und zwar auf Platz 43. Die Familie verfügt über ein Vermögen von 770 Millionen Euro! Die aktuellen Schulden von Zielpunkt sind weniger als 10% dieses Vermögens – die Behauptung man könne das einfach nicht zahlen ist eine Lüge. Da Pfeiffer die Firma erst vor wenigen Jahren übernommen hat gehören auch die Vorbesitzer zu den Nutznießern der Arbeit der Beschäftigten. Die Tengelmann-Gruppe hat mehrere Jahrzehnte lang Gewinne aus dem Betrieb gemacht und ist Platz 29 der reichsten Deutschen – mit einem Vermögen von 3,4 Milliarden Euro. BluO (auch wenn die Firma nicht mehr existiert) gehörte dem deutschen Unternehmer Peter Löw, der ebenfalls im Ranking der 500 reichsten Deutschen vorkommt. Und auch Satek und die anderen Investoren werden sich gut abgesichert haben und sind weiterhin vermögend mit Top-bezahlten Jobs. Satek ist heute bei Accedo und streicht dort jede Menge Geld ein – die Zielpunktbeschäftigten aber werden zu einem großen Teil in der Arbeitslosigkeit landen. Mehrheitlich Frauen, viele über 40, haben kaum eine Chance auf einen neuen Job. Und wenn, dann zu noch mieseren Löhnen.
KundInnen leiden ebenfalls
Bis zum letzten Tag hat Zielpunkt noch Gutscheine verkauft. Viele KundInnen werden diese auch als Weihnachtsgeschenke gekauft haben – doch diese sind nun wertlos. Zielpunkt akzeptiert die Gutscheine nicht mehr, obwohl die Insolvenz noch gar nicht eingereicht wurde – ob das legal ist, ist fraglich. Theoretisch können sich die GutscheinbesitzerInnen am Insolvenzverfahren einbringen. Eine solche Forderung einzubringen kostet rund 20.-, die Quote, also wie viel die GläubigerInnen erhalten, liegt meist bei 5-10%. D.h. dass all jene, die Gutscheine über weniger als rund 200.- haben, leer ausgehen.
Doch auch künftig wird die „Marktbereinigung“ negative Folgen für die KundInnen haben. Die Filialdichte wird sich reduzieren, was für Menschen, die wenig mobil sind (ältere, gehbehinderte z.B.) das Einkaufen schwerer machen wird. Hinzu kommt noch, dass durch das Wegfallen eines Konkurrenten (der rund 3% Marktanteil hat) die Konzentration im Einzelhandel weiter ansteigt. Preisabsprachen waren schon bisher ein Problem (Zielpunkt selbst hatte von 2007-11 solche Absprachen gemacht und wurde dafür auch vom Kartellgericht bestraft) und werden nicht weniger werden. Der Chef der Bundeswettbewerbsbehörde befürchtet daher auch „dass die Preise steigen“ werden.
Wo ist die Gewerkschaft?
Die Beschäftigten sind verunsichert, wütend und frustriert. Sie haben ihre Arbeit gemacht (und machen sie auch weiterhin) und nun ist fraglich, wie ihre Zukunft aussehen wird. Während Pfeiffer & Familie sich ein luxuriöses Weihnachtsfest gönnen können, müssen die 2.500 Beschäftigten um die Zukunft bangen. Die Gewerkschaft ist „entsetzt“ das die Firma nicht versucht hat „eine sozialpartnerschaftliche Lösung zu finden“. Doch warum sollten sie das? Schon im Herbst wurde ein Betriebsrat, der zu laut dachte angesichts von Kündigungen, vor die Tür gesetzt. Es reicht nicht, wenn die Gewerkschaft sich bemüht, dass die Beschäftigten ihr Gehalt möglichst rasch aus dem Insolvenzentgeltfonds ausbezahlt bekommen. Die Gewerkschaft muss die Problematik umfassender aufgreifen: Millionen Werte liegen in den Lagern und den Geschäften. Hunderte Millionen besitzt die Eigentümerfamilie. Warum werden diese Vermögen nicht verwendet, um die Zukunft der Beschäftigten zu retten?
Überall werden Beschäftigte „abgebaut“ und verlieren ihre Jobs in Folge von Pleiten – Alpine, FMT, FEP, Ring aber auch Baumax, Bank Austria und jetzt Zielpunkt. Die GPA-djp darf sich nicht auf Bitten beschränken und sich nicht auf „das Privatvermögen von Pfeiffer & Co. hat damit nichts zu tun“ zurückziehen. Es ist nicht die Aufgabe der Gewerkschaft, Sanierungs- oder Insolvenzverfahren optimal mit abzuwickeln. Die Aufgabe der Gewerkschaft ist es, für die Löhne und Jobs der Beschäftigten zu kämpfen.
Es braucht eine kämpferische Kampagne unter aktiver Teilnahme der Beschäftigten und unter Einbindung von KundInnen um Geld für die Beschäftigten und ihre Familien zu bekommen und die Jobs zu erhalten. Vor einigen Jahren haben in Irland KollegInnen einer Einzelhandelskette, die pleite ging, ihre Filialen besetzt – und damit auch viel Zuspruch aus der Bevölkerung erhalten. Ein erster Schritt einer kämpferischen Kampagne kann eine Demonstration vor dem Firmensitz in Traun von Beschäftigten, Gewerkschaft und Menschen die solidarisch sind, sein. Wichtig ist es auch, sich mit anderen Beschäftigten der Pfeiffer-Gruppe zusammen zu schließen, damit nicht die Zielpunkt-KollegInnen gegen die bei Nah&Frisch etc. ausgespielt werden können. Wenn Pfeiffersches Privatvermögen eingesetzt wird, profitieren davon ALLE Beschäftigten des Konzerns.
Wenn die Gewerkschaft nur zahnlose Kampagnen macht, wird sie weiter an Boden verlieren und die Beschäftigten bleiben auf sich alleine gestellt. Die Zielpunktpleite wird auch in den anderen Handelsketten den Druck auf die Beschäftigten erhöhen. Ein Grund mehr, dass die GPA-djp hier eine offensive Kampagne gegen den steigenden Arbeitsdruck und für höhere Löhne macht. Das letztlich zahnlose Verhalten der Gewerkschaft bei Baumax, Bank Austria & Co. ist auch ein Ansporn für Unternehmen immer und immer wieder dasselbe Prinzip anzuwenden: Gewinne raus ziehen, dann in den Konkurs schicken mit einer Quote von 10% für Gläubiger.
Durch eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn könnten im Handel zehntausende neue Jobs geschaffen werden und somit auch die Arbeitslosigkeit von den Zielpunkt-KollegInnen abgewendet werden.
Letztlich braucht die Krise im Einzelhandel, die ja nur Ausdruck der Krise der kapitalistischen Wirtschaft ist, aber eine weitergehende Antwort. Nämlich das Handelsunternehmen nicht einfach geschlossen werden, sondern durch die öffentliche Hand übernommen werden und durch demokratische Kontrolle von Beschäftigten, KundInnen und Gewerkschaften geführt werden, also ein demokratisches öffentliches Handelsunternehmen, wo die Filialdichte, die Preise und die Arbeitsbedingungen dadurch bestimmt werden, was für die Menschen vor Ort und die Beschäftigten notwendig ist. Doch dafür braucht es ein Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, indem nicht die Profite im Zentrum stehen.
Die SLP fordert:
- Kampf um jeden Arbeitsplatz!
- Pfeiffer & Co. müssen zahlen, nicht die Beschäftigten!
- Offenlegung der gesamten Finanzunterlagen der Firma und Prüfung durch VertreterInenn von Gewerkschaften und Belegschaft: wo sind die Gewinne der letzten Jahre hingeflossen?!
- Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn um Jobs zu schaffen!
- Offensive Strategie der GPA-djp und anderer Fachgewerkschaften bzw. des ÖGB gegen Arbeitslosigkeit und Firmenschließungen.
- Volle Annahme aller Einzelgutscheine in den Filialen!