Sa 28.11.2015
Niemand macht das ohne triftigen Grund. Und schon gar nicht ein erfahrenes und abgebrühtes Handelsunternehmer wie Pfeiffer. Seit der Insolvenz-Ankündigung am 25. November abends wird die Presseabteilung des Pfeiffer-Konzerns nicht müde zu betonen, wirklich alles Mögliche getan zu haben. In diesem Jahr seien sogar noch Millionen Euro in die Zielpunkt Filialen investiert worden. Konzernleitung und Eigentümer-Familie stellen sich damit so naiv und gutmütig dar, dass es schon kitschig wirkt. In Wien wurden erst im Sommer/Herbst dieses Jahres viele Zielpunkt-Filialen umgebaut, Fassaden saniert und offensichtlich in die Geschäfte investiert. Zwei Monate später die „Reißleine zu ziehen“, weil das eben leider auch nichts mehr gebracht habe und das Ruder nicht mehr zum herumreißen war, passt einfach nicht! Wer so Geschäfte tätigt wird nicht 43. reichster Österreicher. Anderseits baut man auch kein Handelsimperium - wie das der Pfeiffers auf - wenn man so naiv ist. Investitionen, wie diese an den Zielpunkt-Filialen - rechnen sich nicht nach zwei Wochen und das wissen sowohl die Pfeiffers als auch das Konzernmanagement. Das Hauptargument zieht also nicht.
Eine andere Rechtfertigungsschiene der Konzernpresseabteilung lautet, dass von Seiten des Eigentümers seit dem Kauf 2014 alles getan wurde um Zielpunkt aufzubauen und zu retten, aber es sich halt alles nicht ausgegangen sei und das Unternehmen so schlecht dagestanden habe. Seit der Autor dieses Artikels Entwicklungen des Lebensmitteleinzelhandels aus der Distanz beobachtet, und das ist als ehemaliger Konsum-Beschäftigter seit 1994, ist Löwa/Tengelmann/Diskont/Zielpunkt ein „Problembär“ im österreichischen Lebensmittel-Einzelhandel. Bei den vielen Eigentümerwechseln in den letzten Jahren winkte im Hintergrund nicht nur der Zaunpfahl, sondern auch eine handfeste Pleite. Wie kann die so auf den Handel spezialisierte und erfolgreiche Familie Pfeiffer und ihre Konzernleitung dann jetzt überrascht sein? Ganz einfach, sie sind es nicht und haben auch gewusst, was sie mit Zielpunkt 2014 gekauft haben und was nicht.
Zu hinterfragen ist auch die Schnelligkeit und die „Radikalität“ mit der einerseits der Beschluss der Insolvenz getroffen und vor allem auch umgesetzt wird. Eine Sanierung mit Weiterbestand steht gar nicht zur Diskussion, Zielpunkt wird zugesperrt und abgewickelt. Wieso? Der Pfeiffer Konzern bezeichnet sich selbst als einen der größten Gläubiger vom Zielpunkt. Schließlich wird Zielpunkt Großteils von Pfeiffer beliefert. Bei einer Auflösung ist die Quote (=Anteil der bezahlten Schulden) im Regelfall wesentlich geringer als bei einer Sanierung mit Weiterbestand. Das Unternehmen oder Teile könnten dann auch noch verkauft werden und wieder zu Einnahmen führen. Warum wollen Konzernleitung und die Pfeiffers nicht sanieren und als Gläubiger mehr von ihren Schulden beim Zielpunkt in einem Sanierungsverfahren einbringen? So wirkt es fast, als sei man bei Pfeiffer Zielpunkt überdrüssig und schmeißt ihn einfach weg. Dieses Verhalten ist mir zwar aus meinem Alltagsleben bekannt. Es erklärt aber auch, warum ich im Ranking der reichsten Österreicher/innen ungefähr Platz 7.843.234 belege und Familie Pfeiffer Platz 43. Die machen sowas nicht!
Sehen wir uns überhaupt einmal die Quote an. Selbst der völlig marode und abgewirtschaftete Konsum, bei dem das halbe Management wegen fahrlässiger Krida verurteilt wurde, hatte eine Quote von zirka 45% eingebracht. Er besteht auf dem Papier und mit einigen wenigen Geschäftszweigen bis heute weiter und wurde nicht in den Konkurs geschickt. Wieso rechnet der Eigentümer-Konzern bei einem offensichtlich wesentlich gesünderen Unternehmen nur mit einer einstelligen bzw. knapp zweistelligen Quote? Es macht fast den Anschein als wolle sich Pfeiffer als Eigentümer bewusst selbst schädigen. Erfahrungen der letzten 200 Jahre zeigen aber, dass das bei Kapitalisten auszuschließen ist. Über viele handfeste Werte dürfte die Zielpunkt GmbH also nicht (mehr) verfügen.
Mittlerweile ist aber bekannt, dass Zielpunkt in die Geschäfte nur eingemietet ist. Eigentümer der Geschäfte sind Dritte, wie zum Beispiel eine Immobilienfirma, die zur ursprünglichen Besitzerin und zwar der deutschen Tengelmann-Gruppe gehört. Damit stellt sich noch viel radikaler die Frage, wer denn tatsächlich so blöd ist und in Immobilien investiert, die ihm nicht gehören und noch dazu kurz bevor die Mietverträge (durch die Insolvenz) gekündigt werden? Auch hier liegt die Antwort auf der Hand: mit Sicherheit nicht Familie Pfeiffer und ihre Konzernleitung! Wer unternehmerisch agiert und in Fällen wie diesen investiert, sichert sich ab. Und vor allem sichert er sich so ab, dass die Investitionen nicht binnen eines halben Jahres völlig wertlos sind und zum Beispiel in einer Insolvenz bzw. Konkursmasse „versickern“. Genau das versucht man uns aber weiszumachen.
Zielpunkt selbst ist kaum was wert. Die Geschäftsausstattung ist schon sichtlich in die Jahre gekommen, die Marke nicht wirklich gut etabliert. Noch immer hängt das Schmuddel-Image von Diskont und dem alten Zielpunkt nach. Die Geschäfte sind nur eingemietet, die Immobilien gehören wie wir schon gesehen haben jemand anderes. Und selbst die Marke „Zielpunkt“ könnte wahrscheinlich sogar günstig aus der Konkursmasse gekauft werden (siehe Ditech). Ich glaube aber nicht, dass Pfeiffer an der Marke Zielpunkt lange Interesse hatte. Bleiben als einzige Aktivposten zur Bedienung der Schulden die Geschäftsausstattung und die Waren im Lager und den Geschäften. Das wird tatsächlich vielleicht nicht sehr viel sein, noch dazu wenn so wie angekündigt der Ausverkauf in den nächsten Tagen starten wird.
Zielpunkt unter Pfeiffer hat nicht am Konzept mit den eigenständigen von der Fleisch- und Wurstfirma Schirnhofer betriebenen Feinkost-Abteilungen festgehalten, sondern diese wieder reintegriert. In Wien (wo der Großteil der Zielpunkt Filialen ist) ist die Dichte an Lebensmittelgeschäften hoch. Immer wieder war auch die Rede von Schließung unrentabler Zielpunkt-Filialen in den letzten Jahren. Allerdings ist es auch nicht so leicht, einen Teil vom Zielpunkt „einfach" zu schließen und die MitarbeiterInnen auf die Straße zu setzen. Es ist also gut möglich, dass zum Zeitpunkt des Beschlusses nochmals in die Filialen "zu investieren", wie die Familie nicht müde wird zu betonen, in Wirklichkeit der Plan für das jetzige Szenario schon in der Lade lag. Statt sich mit der Gewerkschaft und dem Betriebsrat über die Kündigungen durch die Schließung der unrentablen Filialen zu streiten, die unbedeutende Marke Zielpunkt für den Pfeiffer Konzern „künstlich“ am Leben zu erhalten, wird der Teil, der nichts wert ist, in den Konkurs geschickt und abgewickelt. Die Krokodils-Tränen und Beteuerungen „eh alles Mögliche getan zu haben“ enttarnen sich ziemlich schnell als PR-Aktion um vom eiskalten Kalkül auf Kosten von Beschäftigten und KundInnen abzulenken.
Inzwischen ist auch schon ans Licht gekommen, dass Pfeiffer ein Immobilien-Pakt, zu dem auch viele der Zielpunkt-Märkte gehören, am Dienstag vom ursprünglichen Eigentümer gekauft hat. Auch hier: wer kauft am Dienstag die Immobilien des Unternehmens, das er am Tag darauf in die Insolvenz schickt? Es wurde in den Medien bereits ausgebreitet, dass es kaum einen Käufer für alle Filialen geben wird, da die Lebensmittelhandels-Dichte v.a. in Wien überdurchschnittlich groß ist. Mit der Ankündigung (Androhung) Zielpunkt nicht zu sanieren, sondern abzuwickeln und damit die Standorte zu schließen, sind die Werte der Immobilien sicher nicht gestiegen, sondern ziemlich rapid in den Keller gefallen. Wir können also annehmen, dass Pfeiffer die Immobilien zu einem sehr guten Preis bekommen hat bzw. noch bekommen wird. Da aber niemand hunderte Geschäftsimmobilien kauft, um sie leer stehen zu lassen, können wir wahrscheinlich auch annehmen, dass sie bald unter dem Namen eines anderen Unternehmens des Pfeiffer Imperiums betrieben werden – wie z. B. Unimarkt oder MPreis. Wie gut trifft es sich da, dass die bemüht und gut eingeführte Eigenmarke von Zielpunkt „Jeden Tag“ auch bei Unimarkt und MPreis im Regal steht. Ein gutes Immobilien-Geschäft war es also so oder so. Wahrscheinlich werden auch in den nächsten Tagen die ersten Angebote an junge, "fleissige" Zielpunkt-Mitarbeiterinnen ergehen, dass wenn sie jetzt beim Abwickeln brav mithelfen, bei einem Neustart unter anderen Vorzeichen dabei sein können (wenn auch vielleicht mit Abschlägen beim Lohn, aber welche Wahl haben die KollegInnen schon angesichts der hohen Arbeitslosigkeit im Handel und der laschen Gewerkschaft) ...
Letztlich dreht sich alles um die Frage: Warum will der Eigentümer die Zielpunkt GmbH scheinbar unbedingt auflösen und abwickeln? Um diese Frage wirklich eindeutig zu klären, fehlt uns leider ein tieferer Einblick. Das zeigt, wie wichtig die Forderung nach Offenlegung der Bücher und eine unabhängige Prüfung der Vorgänge z. B. durch Gewerkschaften und VertreterInnen der Belegschaft sind. Die Zielpunkt GmbH ist als Kapitalgesellschaft in das Pfeifferische Imperium eingebunden. Bei Kapitalgesellschaften gibt es keine Haftung der Eigentümer. Das Unternehmen haftet quasi für und mit sich selbst. Es ist nicht auszuschließen, dass Schulden innerhalb des Konzerns in die Zielpunkt GmbH verschoben wurden und diese jetzt in Pleite geschickt wird. Dinge wie diese passieren laufend und gehören zum unternehmerischen Alltag.
Familie Pfeiffer und die Konzernleitung waren also mitnichten so naiv und gutmütig, wie sie sich die letzten Tage in der Öffentlichkeit durch ihre Pressearbeit gegeben haben, sondern haben genau kalkulierend und wahrscheinlich auch von langer Hand geplant gehandelt. Die Pfeiffers werden dabei in der Rangliste der Superreichen in Österreich wohl ein paar Plätze nach vorne rücken, die MitarbeiterInnen müssen dafür über die Klinge springen. Und die Gewerkschaft? Es ist zu befürchten dass sie - wieder einmal - keine Aktionen setzt, sondern sich auf juristische Schritte und Appelle beschränkt. Den Beschäftigten wird das nichts nützen, und die Gewerkschaft wird so einen weiteren Vertrauensverlust hinnehmen müssen. Die einzigen denen das nützt sind die KapitalistInnen vom Schlage Pfeiffers....