Di 23.05.2006
Spekulationsgeschäfte und undemokratische Entscheidungen rund um Bawag und ÖGB-Streikfonds haben den ÖGB in seine bisher tiefste Krise gestürzt. Zehntausende Gewerkschaftsmitglieder haben inzwischen – leider – enttäuscht ihre Mitgliedschaft zurückgelegt. Andere haben die Initiative “Zeichen setzen” (siehe Seite 3) unterschrieben. Fest steht: Die Krise der Bewegung ist nicht einmal ansatzweise vorbei.
Wozu brauchen wir Gewerkschaften?
Gerade jetzt wäre eine echte Gewerkschaft, die offensiv gegen die neoliberalen kapitalistischen Kürzungen auftritt, wichtig: Immer mehr Arbeitslose werden in – meist sinnlosen – Kursen versteckt, anstatt einen Job zu bekommen. Vollzeitjobs werden vernichtet und durch schlechtbezahlte Teilzeitjobs ersetzt. Junge Menschen landen zunehmend trotz guter Ausbildung in prekären, mies bezahlten Jobs. Unser Einkommen verliert an Kaufkraft, weil die tatsächliche Inflation weit höher ist als die offizielle. Österreich zählt zu den reichsten Staaten der Welt und trotzdem steigt die Armut.
Regierung will schwache Gewerkschaften
Mediengerecht inszeniert eröffneten Regierungsmitglieder am 2. Mai Bawag-Sparbücher. Die “Retter” Schüssel und Haider verlangten dafür einen hohen Preis: Billige Abgabe des Anteils an der Nationalbank, weitgehende Haftung des ÖGBs und die Offenlegung des Streikfonds gegenüber der Nationalbank. Hundstorfer macht das alles mit! Nein, die Regierung will den ÖGB nicht völlig vernichten. Aber Regierung und Unternehmen wollen einen geschwächten ÖGB, der noch stärker als in der Vergangenheit bremst und Kämpfe verhindern soll. Denn die kommende Regierung – egal in welcher Farbkombination – wird weitere und schärfere Angriffe auf den Lebensstandard der ArbeitnehmerInnen durchführen. Im Visier sind u.a. der Kündigungsschutz, bezahlte Überstunden, Arbeitslosengeld. Veit Sorger, Chef der Industriellenvereinigung, meint offen, dass Österreich eine “starke, berechenbare und kluge Arbeitnehmervertretung (braucht)... Arbeitgeber und Gewerkschaften müssen ... gemeinsam die treibende Kraft bei der Modernisierungs-Agenda sein”. Wir lehnen jede Form der Dankbarkeit gegenüber einer solchen “Unterstützung”, die uns künftig als GewerkschafterInnen lähmen soll, ab!
Rettung der Gewerkschaften möglich
Die Zukunft der Gewerkschaften ist offen. Es gibt Teile des ÖGB-Apparates, die die Krise zu einer zumindest teilweisen Veränderung nutzen wollen und rund um Initativen wie “Zeichen setzen”, Vorschläge für Strukturänderungen einbringen. Aber große Teile hoffen, die Krise einfach aussitzen zu können. Aus den Fachgewerkschaften – die unter einem direkteren Druck der Basis stehen als die ÖGB-Zentrale – gibt es auch Signale für einen etwas offensiveren Kurs. Teile der Führung haben erkannt, dass die Mitglieder nur dann bei der Gewerkschaft bleiben, wenn diese etwas für sie erreicht. Bei den jüngsten Lohnverhandlungen hat man sich daher auch “kämpferischer” gegeben. Das wird nicht reichen. Es geht nicht darum, die Krise des ÖGB “intern” zu lösen. In den führenden Gremien sitzen VertreterInnen aller Parlamentsparteien. Diese haben also alle Infos. “Intern” bedeutet, die Führung macht es sich unter Ausschluss der Mitglieder, nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit, aus.
Starke und neue Gewerkschaften nötig!
Wir brauchen starke Gewerkschaften gegen kommende Angriffe – auch um Verbesserungen zu erkämpfen. Gewerkschaften brauchen ein Programm, dass nicht die Logik von Neoliberalismus, Standortdenken und Kapitalismus als Ansatzpunkt hat, sondern die Bedürfnisse der Beschäftigten, Arbeitslosen und Jugendlichen. Wir brauchen ein Programm dass mit dem sozialpartnerschaftlichen Kuschelkurs endgültig Schluss macht. Zentrale Punkte in einem solchen Programm könnten sein:
- eine einschneidende Arbeitszeitverkürzung (z.B. 30-Stundenwoche) bei vollem Lohn/Gehalt
- eine Wertschöpfungsabgabe,
- die Einführung der Vermögenssteuer und die Abschaffung des Stiftungsrechts
- die Anhebung von Mindestpension und Arbeitslosengeld auf EUR 1.100,– netto
- soziale und arbeitsrechtliche Absicherung für prekär Beschäftigte.
Und Gewerkschaften brauchen demokratische Strukturen, in denen die Mitgliedschaft und nicht eine Handvoll von FunktionärInnen entscheidet. Für eine solche Demokratisierung schlägt die Plattform für kämpferische und demokratische Gewerkschaften z.B. folgendes vor:
- die Einbeziehung der Mitgliedschaft durch Abstimmungen über Verhandlungsergebnisse, demokratische Wahlen der FunktionärInnen,
- das Recht auf Informationen über Arbeit und Einkommen der FunktionärInnen,
- die regelmäßige Durchführung von BetriebsrätInnenkonferenzen und AktivistInnentreffen.
In welcher Form es möglich sein wird, für die Umsetzung starker und neuer Gewerkschaftspolitik und Strukturen zu kämpfen, ist im Moment noch völlig offen. Die SLP wird jedenfalls nicht nur im ÖGB für einen solchen Kurswechsel eintreten. Wir werden v.a. auch bemüht sein, Menschen, die sich heute nicht in diesen Gewerkschaften organisieren wollen, bei jeder Gegenwehr gegen Sozialabbau und Ausbeutung zu unterstützen.