Di 01.10.2002
Die erfolgsverwöhnte FPÖ stand seit dem Antreten der Regierung unter einem vielfältigen Druck: Die "kleinen Leute" wandten sich als WählerInnen ab, Parteifunktionäre begannen um ihre Posten zu zittern, marktradikale Kräfte forderten ein höheres "Reformtempo" und rechtsextreme Hardliner in der Partei, suchten nach Chancen "ihre" Themen zu platzieren . Den Hintergrund der Krise der FPÖ bildeten die Wirtschaftsflaute und die Reaktion auf die spürbareren Belastungen durch Sozialabbau, Steuern, Selbstbehalte.
An der Steuerreform hatte sich bereits vor Monaten der Richtungsstreit in der FPÖ entzündet, auch bei anderen Themen - wie vor allem der EU-Osterweiterung - zeichneten sich Konflikte ab. Seit dem Regierungseintritt hat sich die FPÖ laut den Meinungsumfragen fast halbiert. Der rechtsextreme Populismus hatte zwar in der Vergangenheit für die Wahlerfolge gesorgt. Die FPÖ war aber nicht in der Lage auf diesen Erfolgen ein stabiles, in der Gesellschaft verankertes Fundament zu errichten. Der Vorteil der Wendigkeit in Opposition, entwickelte sich zum Schlingerkurs als Regierungspartei: Die FPÖ wurde zunehmend unglaubwürdig, Haiders Profilierungsversuche immer wahnwitziger. Während die Regierungsmannschaft durchaus bereit war den bisherigen Weg weiterzugehen und sich - zumindest vorläufig - der ÖVP in Sachfragen unterzuordnen. Die ÖVP hatte ja schließlich auch große Toleranz gegenüber den verschiedenen rechtsextremen Ausfällen freiheitlicher Funktionäre - von Haider abwärts - in den letzten beiden Jahren bewiesen. Umgekehrt markierte Knittelfeld aber den Wunsch der Mehrheit der Parteifunktionäre, unter Haiders Führung wieder die populistische Variante des Rechtsextremismus in den Vordergrund zu stellen. Doch statt der Rückkehr zu alten Erfolgen, kam es durch den Rücktritt von Riess-Passer und Co. praktisch zu einer Parteispaltung. Die Reaktion der ÖVP, angesichts der Krise in der FPÖ Neuwahlen auszuschreiben, führte die Freiheitlichen vollständig ins Desaster. Von nun an dominierte die Gegenbewegung in der FPÖ, welche anstrebte, unter allen Umständen für die ÖVP auch nach Neuwahlen koalitionsfähig zu bleiben. Die Putschisten wurden zum Rücktritt aufgefordert, Haider öffentlich kritisiert, worauf er - was sonst? - zurück trat.
FPÖ neu?
Das "Experten-Team" aus Mathias Reichhold, Herbert Haupt, Magda Bleckmann, Max Walch und Thomas Prinzhorn ist nicht nur ein "letztes Aufgebot". Diese farblosen Gestalten beweisen, dass es am Parteitag in Oberwart weder eine Richtungsentscheidung, noch einen echten Kompromiss gegeben hat. Die "starken Persönlichkeiten" der beiden Lager in der FPÖ werken weiter - momentan noch im Verborgenen. Wer sich durchsetzen wird, hängt - neben dem Abschneiden bei der Wahl - vor allem von der inneren Entwicklung in der ÖVP ab. Dass Kanzler Schüssel alles tut, um sein Projekt mit der FP fortzusetzen ist bekannt. Viel entscheidender wird aber sein, auf welches Pferd die Wirtschaft setzt. Auch Blauschwarz war eine bewusste Entscheidung der Wirtschaftskammer und vor allem der Industriellenvereinigung. Damals unter der Prämisse von "Speed kills", also schnelle Umgestaltung ohne lange (sozialpartnerschaftliche) Verhandlungen zu Gunsten der Wirtschaft. Heute gestaltet sich die Ausgangslage für die Wirtschaft anders. Das größte und wichtigste Projekt der österreichischen Wirtschaft ist die EU-Osterweiterung. Gerade aber hier muss trotz neuer FP-Führung immer befürchtet werden, dass zumindest Teile der FPÖ ausscheren - siehe Vetodebatte anhand Temelins! Die zweite Frage ist und bleibt natürlich, was die Unterschrift eines FPÖ Vorsitzenden, der nicht Haider heißt, tatsächlich Wert ist? Nichts, solange Jörg Haider auch nur ein einfaches Parteimitglied ist! Und zu guter Letzt kommt in Krisenzeiten der Stabilität, sowohl nach innen, wie nach außen eine größere Wichtigkeit zu. Alles in allem sind die Vorauszeichen für eine weitere Regierungsbeteiligung der FPÖ - das am Parteitag erklärte Hauptziel - also denkbar schlecht und damit Reichholds Amtszeit wahrscheinlich kurz. Je nach Ausmaß der Wahlniederlage wird der Ruf nach Jörg Haider in unterschiedlichen Tonlagen erschallen und die Partei vor einer weiteren Zerreißprobe stehen. Die zu erwartende neoliberale Politik einer kommenden, großen, oder SPÖ-Grüne-Koalition könnte dann aber sogar für die erfolgreiche Neuauflage des rechtsextremen Populismus sorgen.