Mi 06.05.2009
Der Gewinn-Einbruch in den USA entwickelte sich damals dramatisch: 1932 waren nur noch 7% des Standes von 1928 vorhanden. Zwischen 1930 und 1933 gingen an die 5.000 Banken pleite, 15% aller Einlagen wurden vernichtet. Mit der Krise verfielen die Preise, auch für Rohstoffe. Da die hohen Kreditzinsen nun nicht mehr gezahlt werden konnten, ging ein Betrieb nach dem anderen in Konkurs. Die Massenarbeitslosigkeit (rund 14 Millionen 1933) ging einher mit absurden Versuchen, die Marktpreise zu stabilisieren: Man verbrannte Mio. Tonnen an Lebensmitteln und Rohstoffen.
Welche Massnahmen umfasste der New Deal?
US-Präsident F.D. Roosevelt begann 1934 mit einer Ankurbelung der Geldentwertung (= Inflation). Dies führte vorerst zu einer Reduktion der Schulden. Gegen den Verfall der Agrarpreise gab es staatliche Regulierung und Prämien für brachgelegte Anbauflächen. Beim Kreditsystem wurde versucht, durch staatliche Garantien eine Kernschmelze zu stoppen.Der Druck von Massenbewegungen und Streiks sowie die Angst davor zwang die Strategen des New Deal, die Maßnahmenpalette zu erweitern: Gesetzliche Mindestlöhne, Senkung der Wochenarbeitszeit, Gewerkschaftsrechte, Sozialversicherung, Erbschaftssteuer und durch die öffentliche Hand finanzierte Arbeitsprogramme.
"Warum kann der New Deal nicht verwirklicht werden? Der einzige Grund dafür ist der hemmende Antagonismus, der sich zwischen dem kapitalistischen Eigentum und dem Bedürfnis der Gesellschaft nach einer steigenden Produktion entwickelt."*
Das System schleppt sich in den Weltkrieg
Ein wesentliches Ergebnis all dieser Maßnahmen war das Anwachsen der Staatsverschuldung. Die Arbeitslosigkeit sank jedoch nicht im erhofften Ausmaß. Ebenso lief der Wirtschaftsmotor nicht wie zuvor in den 1920ern. Ab 1938 wurde eine zusätzliche künstliche Nachfrage über ein enormes Rüstungsprogramm geschaffen. Der Zweite Weltkrieg und mit leichter Verzögerung der Eintritt der USA in diesen standen bevor.
Der Kapitalismus war schon in dieser Zeit widersprüchlich, da er längst aus seinen engen Kinderschuhen herausgewachsen war. Es herrscht eine private Aneignung bei de facto gesellschaftlicher Produktion. Dadurch hat die Mehrheit der Bevölkerung nicht das zur Verfügung, was sie praktisch erwirtschaftet. Dies führt langfristig zu einem Verfall der Profite. Der Profit (genauer: die Profitrate) ist jedoch die Triebfeder des Kapitals. Die Bedürnisbefriedigung der Menschen ist hingegen nicht entscheidend. Das führt zu den beschriebenen absurden und unmenschlichen Situationen. Konnte der New Deal all das regulieren?
Faschismus & New Deal
Der sozialistische Revolutionär Leo Trotzki beschrieb den New Deal als Versuch, den Kapitalismus zu retten. Den bürgerlichen und herrschenden Klassen der verschiedenen imperialistischen Staaten blieben in den 1930er Jahren von Krise und Massenunruhen letztlich zwei Methoden: Faschismus und New Deal. So unterschiedlich die kurzfristigen praktischen Auswirkungen (hier Zerschlagung der ArbeiterInnen-Organisationen und aggresivster Antisemitismus, dort breitangelegte Investitionen und sogar soziale Reformen), lief es in beiden Fällen auf Aufrüstungspolitik und Weltkrieg hinaus.
"Am unbeständigsten ist das Programm des New Deal darin, dass es einerseits an die kapitalistischen Magnaten Predigten auf die Vorteile der Teuerung hält, und dass andererseits die Regierung Prämien verteilt, um die Produktion zu senken. Kann man sich eine größere Konfusion vorstellen?"*
Warum konnte die herrschende Klasse auf den New Deal setzen?
Warum der Kapitalismus in den USA nicht auf Faschismus oder Diktatur setzte – trotz des Vorhandenseins von faschistischen Organisationen und einem gesellschaftlich verankerten Rassismus und Antisemitismus – lag offenbar im Vorhandensein der bisher angehäuften gewaltigen Reichtümer. Diese waren die Voraussetzung für den kostspieligen New Deal. Die USA trugen kein feudales Erbe und keine Kriegsfolgen als Last. Und man verfügte über einen Kontinent mit riesigen Ressourcen und das dynamischste Unternehmertum. Doch auch unter diesen Voraussetzungen (im Gegensatz zur “Alten Welt”) entwickelte sich kein harmonischer Kapitalismus mit Wohlstand für alle. Dabei hatte es zu Beginn der 1920er teilweise noch anders ausgesehen: Der Konsum nahm in breiten Schichten der Bevölkerung zu. Sogar Autos wurden in millionenfacher Stückzahl hergestellt, und diese konnten anfänglich ver- und gekauft werden. Ein großer Teil basierte jedoch auf Krediten. Dem folgte ein Investitions- sowie Börsenboom. Doch schon bald kam es zur Kollision mit den angestauten Überkapazitäten in der Sachgüterproduktion. Ebenso fand eine Konzentration von Kapital und extremem Reichtum in der Hand einer winzigen Schicht statt; bei gleichzeitiger bitterer Armut der Massen. Der New Deal und Roosevelt versuchten vor dem Hintergrund von Weltwirtschaftskrise und der sich erhebenden ArbeiterInnen-Bewegung auch diesen Teil des Bürgertums und ihre Konzerne für das ambitionierte Programm zur Kassa zu bitten. Ohne die Macht dieser Mega-Konzerne zu brechen, vermittelte der New Deal kurz die Illusion, er würde ein Art demokratischer Kontrolle über die Stahlbarone und Bankenhäuser ausüben. Mehr als ein Schattenspiel wurde es jedoch nicht.
"Die Politik des New Deal mit ihren Scheinresultaten und dem wirklichen Anwachsen der nationalen Schuld muss unweigerlich zu einer blutdürstigen
kapitalistischen Reaktion und einer verheerenden Explosion des Imperialismus führen. Mit anderen Worten, sie führt zu dem gleichen Ergebnis wie die Politik des Faschismus."*
Obama 2009: New Deal reloaded?
Mit dem Übergang des Präsidentenamtes von Georg W. Bush auf Barack Obama erhielt dieser auch einen enormen Schuldenberg. Schon unter Präsident Ronald Reagan waren die USA die größte Schuldnernation der Welt geworden. Dieser Ballast wurde in den letzten Jahren durch die Kriegspolitik und Steuergeschenke an Reiche enorm vergrößert. Die Frage des Umgangs mit der Wirtschaftskrise war schon im Präsidentschafts-Wahlkampf von Bedeutung.
Steuererleichterungen für Unternehmen
Obamas erstes “Stimulations-Paket” vom Beginn dieses Jahres umfasst zu rund 40 % Steuererleichterungen für Unternehmen und “Mittelklasse”-Familien. Dies ist aber keine “klassisch” keynesianische Maßnahme. Der seit seinen Aussagen zur bevorstehenden Explosion der österreichischen Staatsschulden weitreichend bekannte Ökonom und “Keynesianer” Paul Krugman gilt seit langem als Unterstützer Obamas. Doch angesichts der Zusammensetzung des Stimualtions-Pakets äusserte er sich sehr kritisch. Er nannte es einen “mitunter enttäuschenden Wirtschafts-Plan” (New York Times, 8.1.2009). Diese Steuersenkungen schaffen – im Gegensatz zu den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen des New Deal – unmittelbar noch keine neuen Jobs. Trotzdem ist es – und das zeigt im Grunde bereits das Problem – das größte Investitionsprogramm in den USA seit den 1930er Jahren. Und es wird durch Zusatzpakete noch größer werden. Dies wird zu einem unfassbar hohen Staatsdefizit (2009: mehr als 13% des Bruttoinlandsprodukts Neuverschuldung) und der Gefahr enormer Inflation zu einem späteren Zeitpunkt führen. Doch eine Mehrzahl in der herrschenden Klasse der USA unterstützt diese Pakete, um einen totalen Zusammenbruch des Systems wie wir es kennen zu verhindern (bzw. letztlich nur, um ihn hinauszuschieben.) Es wird in der Zukunft versucht werden, den Schuldenberg auf Kosten der ArbeiterInnenschaft abzubauen. Bereits Ende April forderte Obama sofort 100 Millionen Einsparungen von seinen Ministern, obwohl das angesichts des enormen Haushaltsdefizits erst ein “Tropfen auf dem heißen Stein” sei.
Arbeitslosigkeit real bei 16 Prozent
Obama kündigte auch an, drei Millionen Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Doch auch das wäre nur ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein, denn: “Die offizielle Arbeitslosenquote von 8,1 Prozent, die höchste in 25 Jahren, zeigt nur mehr die Oberfläche. Die Arbeitslosenquote wird in den USA ganz anders als in Europa bestimmt, auf der Basis einer Umfrage des Arbeitsministeriums, die jeden Monat eine Woche lang läuft. Die Methode ist gerade in der Krise so unzuverlässig, dass einige Experten nach einer Faustregel die offizielle Rate verdoppeln, um eine realistischere Größe zu erhalten. Demnach suchten schon 16 Prozent einen Job.” (www.diezeit.de). Gegenüber den 1930ern ist Obamas “Deal” letztlich nicht nur zaghaft, sondern auch ohne jegliche Zugständnisse an die ArbeiterInnenschaft während Milliarden in den Finanzmarkt fließen. Eine wesentliche Parallele zum New Deal ist allerdings trotzdem vorhanden: Die Krise wird nicht an ihren (kapitalistischen) Wurzeln gepackt und deshalb ebenfalls “nicht von selbst” überwunden werden.