Mo 01.12.1997
Wer der neue grüne Bundessprecher werden soll, steht noch nicht fest. Klar ist, daß nicht eine offene inhaltliche Diskussion, sondern die Akzeptanz durch die Medien die entscheidende Rolle bei der Auswahl spielt. Die sogenannte Basisdemokratie ist die Diktatur jener, denen von NEWS, ORF, Profil... gerne ein Mikrofon vor die Nase geschoben wird; und das ist nicht die Basis.
Auf dem letzten Bundeskongreß wollte die „Partei ohne Programm“ ein gemeinsames Grundsatzkonzept beschließen. Wilfried Graf von der Grünen Bildungswerkstatt stellte diesen Programmentwurf auf dem Kongreß vor, um mehr einheitliche Linie zu vermitteln und mehr Klarheit zu schaffen (wie er sagt). Und vor allem um, so hat man das Gefühl, endgültig der Parteibasis klarzumachen, daß die Sache mit der Kapitalismuskritik schon längst in die Schubladen der Vergangenheit verstaut gehört. So wird von „Spielräumen“ und der Ausgewogenheit zwischen Markt und Staat geschrieben. In Zeiten, wo Privatisierungen für unzählige Beschäftigte und KonsumentInnen fatale Folgen haben, spricht sich der Programmentwurf gegen „Staatsdirigismus“ aus und fordert für einzelne Bereiche sogar Privatisierungen.
Der Parteiprogrammentwurf ist aber eigentlich nicht aus diesem Grund abgelehnt worden. Der Knackpunkt war das Kratzen am Prinzip Gewaltfreiheit. Chorherr unterschätzte die emotionale Sprengkraft dieser Umorientierung auf „Friedenssicherung, notfalls mit Gewalt“. Gemeint ist damit „natürlich“ nicht das Recht Unterdrückter auf Selbstverteidigung, sondern Polizeiaktionen von UNO und letztlich NATO zur weltweiten Umsetzung von „law and order“ im Sinne des Westens. Der Hintergrund für diesen eindeutig „rechten“ Programmentwurf ist der grundsätzliche Versuch der Parteispitze, „Berechenbarkeit“ für Medien und die anderen Parteien - also Regierungsfähigkeit zu demonstrieren. Über diesen Punkt herrscht offensichtlich Konsens. Die Grünen sind keine Partei mit verschiedenen Flügeln. Es gibt keine Bereitschaft der sich als „links“ Verstehenden, offen den Kampf aufzunehmen, programmatische Gegenentwürfe zu formulieren. Nur so hätte ein linker Kandidat wie der Gewerkschafter Karl Öllinger Chancen oder auch Sinn.
Der aussichtsreichste Kandidat ist nun Wirtschaftssprecher Van der Bellen. Der bemüht sich, zu betonen, daß die Grünen nicht zum „linken Ast der SPÖ“ werden sollen. Klar, daß die Medien und auch politische Gegner in ihm einen „respektablen“ Kontrahenten sehen. Der politischen Notwendigkeit Druck von „linksunten“ gegen Haider und Regierungssozialabbau zu machen, würden die Grünen mit ihm genausowenig wie unter Christoph Chorherr gerecht.