Fr 01.06.2001
Der KSV ist kämpferisch in den ÖH-Wahlkampf gegangen: Nur unter der Bedingung eines Boykotts der Studiengebühren würde er eine linke Koalition unterstützen. Am 8. Juni haben GRAS, VSStÖ und KSV ihr Koalitionsabkommen präsentiert. Kommt jetzt der Boykott?
Nach der schweren Niederlage der AkionsGemeinschaft (ÖVP) liegt es jetzt an den linken ÖH-Fraktionen, ihre Kampfbereitschaft unter Beweis zu stellen. Die GRAS hat sich schon im Wahlkampf der Forderung des KSV angeschlossen und sich für einen Boykott der Studiengebühren ausgesprochen.
Boykott oder Treuhandkonto?!
Das Boykott-Modell, das dabei im Raum steht, ist ein „Treuhandkonto-Boykott“: StudentInnen zahlen die Studiengebühren auf ein Treuhandkonto ein. Sobald ein bestimmter Anteil aller StudentInnen dies getan hat, „gilt“ der Boykott. Sollte bis zum Stichtag das Quorum nicht erreicht sein, wird das Geld ans Ministerium weitergeleitet – ein Boykott bleibt aus und alle StudentInnen sind normal inskribiert.
Dieses Modell zeigt eine Tendenz, die in Österreich vorherrschend ist. Die Illusion, Kämpfe könnten rechtlich wasserdicht und trotzdem erfolgreich sein. Dieser Auffassung liegt die Vorstellung eines „neutralen Rechtsstaates“ zugrunde. Den gibt es nicht – sobald die bürgerliche Ordnung erschüttert wird, muss der Staat mit Repressalien antworten, ob diese rechtlich gedeckt sind oder nicht. Kämpfe sind nun mal Kämpfe. Und Kämpfe sind unbequem.
Tatsächlich herrscht eine gewisse Angst vor einer Zuspitzung vor: die notwendige Masse an StudentInnen könnte abgeschreckt werden. Das vorgeschlagene Modell ist generell auf eine sehr breite Unterstützung angewiesen. Die ÖH-Führung hat sich eine hohe Latte gelegt: ab 30.000 StudentInnen wird boykottiert. Dies sind etwa 25% der voraussichtlich Inskribierten. Die Wahlbeteiligung bei den ÖH-Wahlen war nur unbedeutend höher. Wie dieses Ziel auf den ersten Schritt erreicht werden soll, bleibt unklar.
Offene Fragen
Überhaupt bleiben einige Fragen offen.
- Was ist etwa, wenn insgesamt weniger StudentInnen als vorgesehen boykottieren, an einzelnen Instituten aber mehrheitlich nicht bezahlt wird? Sowenig wie 30.000 StudentInnen exmatrikuliert würden, würde ein gesamtes Philosophie-Institut lahmgelegt.
- Was soll über den organisatorischen Teil des Boykotts hinaus passieren? Wird es Demonstrationen und HörerInnenversammlungen geben? Internationale Erfahrungen zeigen, dass für den Erfolg eines Boykotts eine Massenmobilisierung unumgänglich ist. Bisher hat keine Unifraktion aber auf eine solche gesetzt. Im Gegenteil, ihr Modell geht einer solchen aus dem Weg.
- Wie sollen demokratische Strukturen sichergestellt werden? Derzeit würde die ÖH ohne „Rücksprache“ und Kontrolle darüber entscheiden, ob mein persönlicher Boykott fortgesetzt wird oder nicht.
Gemeinsam statt einsam
Die Sozialistische LinksPartei wird einen etwaigen Boykott natürlich mittragen. Wir werden uns dabei unter anderem für demokratische Strukturen und Massenmobilisierung stark machen. Und für einen weiteren Punkt: den gemeinsamen Kampf mit anderen, speziell mit den Lehrenden. Gerade an der Uni wurde hier bisher in eine andere Richtung gearbeitet. So enthält das AG-Bildungsbegehren klar lehrendenfeindliche Forderungen. Der VSStÖ unterstützt es trotzdem nach wie vor.
Ein gemeinsamer Kampf im Bildungsbereich hätte enorme Sprengkraft. Das Lehrpersonal sowohl der Unis als auch der Schulen hat seine Kampfbereitschaft mehrfach gezeigt.
Unterstützung der Lehrenden!
So konnte die Gewerkschaftsführung Kampfmaßnahmen von LehrerInnen nur mit bürokratischen Finten verhindern. Dabei ist sie einigen einen Schritt zu weit gegangen: in Vorarlberg hat sich die Unabhängige Bildungsgewerkschaft gegründet. Sie arbeitet außerhalb der GÖD (=Gewerkschaft Öffentlicher Dienst), Chancen für den Aufbau einer kämpferischen Opposition innerhalb des ÖGB haben die InitiatorInnen nicht gesehen. Fast 10% der Vorarlberger LehrerInnen haben sich der UBG bereits angeschlossen und unterstützen damit die Zielsetzung, noch im Herbst einen “wilden” Streik zu organisieren. (siehe Artikel Seite 2!).
Auch an der Uni ist ein Kampf letztlich an der GÖD-Führung gescheitert. Sie spielt mit ihrer Politik der Regierung in die Hände. Nur wenige Tage, nachdem die Gewerkschaft dem undurchsichtigen Kompromiss beim Unidienstrecht zugestimmt hat, kam die nächste blauschwarze Drohung: die Abschaffung des BeamtInnenstatus für 120.000 LehrerInnen.
Soll der Kampf gegen Studiengebühren langfristig erfolgreich sein, muss er in einen breiten Zusammenhang eingebettet sein. Er muss Teil eines gemeinsamen Kampfes gegen die gemeinsame Ursache von Verschlechterungen sein: den neoliberalen Umbau. Im Bildungsbereich zeigt sich dieser in seiner ganzen Vielschichtigkeit, zeigen sich sowohl ideologische als auch gesellschafts- und wirtschaftspolitische Aspekte. Recht leicht können hier Gruppen gegeneinander ausgespielt werden – SchülerInnen gegen LehrerInnen, Pflichtschulen gegen Gymnasien.
Doch in kaum einem Bereich liegt derzeit mehr kämpferisches Potential. Der Kampf gegen Studiengebühren und die Proteste der Lehrenden sind handgreifliche Beispiel dafür, dass auch in Österreich Kämpfe entflammen können. Wo auch immer diese beginnen mögen: für ihren Erfolg wird es entscheidend sein, eine gemeinsame Klammer von SchülerInnen, StudentInnen und Lehrenden zu finden.