Mo 01.12.1997
Wien schlägt zurück. Als Antwort auf das „Wahnsinnsprojekt“ von Multimillionär Stronach in Ebreichsdorf, der dort eine überdimensionale Erdkugel und eine Art Disneyworld schaffen will, droht nun die Stadt Wien mit Projekten selben Stils und selber Sinnhaftigkeit.
Weil in Ebreichsdorf vor allem Wiener BesucherInnen erwartet werden, drohe der Stadt ein Kaufkraftabfluß und Steuerausfälle in gigantischer Höhe. Die weitsichtige Antwort der rot-schwarzen „Stadtväter“ besteht darin, in Wien ebensolche Projekte der Freizeitindustrie zu errichten. Daß diese Rechnung nicht aufgehen kann und wird, liegt in der beschränkten Nachfrage. Wenn jede Gemeinde ihr eigenes Freizeitkonsumcenter baut, werden ebendiese mangels Rentabilität sehr bald wieder zusperren. Dies zeigte schon das lange defizitäre Projekt von Eurodisney in Frankreich. Doch gegen jede Logik plant Wien die Umwandlung des Praters in eine Erlebniswelt und die Errichtung von sechs Kinocentern a la UCI in der SCS in Vösendorf.
Schöne neue Erlebniswelt
Ganz im Sinne des vorherrschenden Zeitgeistes liegt die totale Vermarktung der ohnehin kargen Freizeit. Der Mensch muß auch noch in seinen letzten Freiräumen „marktgerecht“ sein. Freizeit- und Sportindustrie gehören leider zu den boomenden Branchen. Erlebnisse, die nichts kosten, sind keine, wird schon den Schulkindern eingetrichtert. Solchen Entwicklungen muß Widerstand entgegengesetzt werden.
Nicht berücksichtigt ist die Tatsache, daß es in Wien seit langem ein Kinosterben gibt und die vorhandenen Kinos unter geringer Auslastung leiden. Mit dem Bau dieser Kinocenters droht vielen kleineren und alten Kinos das Aus. Die der Gemeinde Wien gehördenden KIBA-Kinos, die sich auf das Ausstrahlen von Kommerzfilmen beschränken, haben neuerdings die Atmosphäre und das Styling eines Supermarkts. Auf diesen Kinotypus zu setzen, bedeutet für den Lichtspielbereich dasselbe, wie wenn sich alle Theater auf den Spielplan der von Peter Weck geleiteten Vereinigten Bühnen Wiens beschränken würden, die nur amerikanische Kommerz-Musicals bringen. Hier würde es einen breiten Aufschrei geben. Das bedeutet einen Qualitätsverlust und stärkere Dominanz des Hollywood-Einheitsbreis, der Filme auf seichteste Unterhaltung beschränkt und Gesellschaftskritik ausklammert. Interessante Filme finden sich (leider) hauptsächlich in den privat betriebenen kleinen Kinos. Diese Entwicklung wird von der Stadt noch unterstützt und gefördert! Es war die Gemeinde, die das legendäre Taborkino zusperrte und die sich um eine sinnvolle Nachnutzung kümmerte: Das Lokal wird an eine Supermarktkette vergeben!
Neben überhöhten Preisen und dem qualitativ armseligen Spielplan zeichnen sich KIBA- und UCI- Kinos durch Stimmungstöter wie Alkoholverbot aus. Wer will sich bitte Blutrausch mit Kurt Ostbahn bei Cola und Popcorn statt bei einem Bier anschauen? Das ist kulturelle Blasphemie. Auch die Funktion des Kinos als erster Treffpunkt sich anbahnender Beziehungen wird durch die neuen Kinos in Mitleidenschaft gezogen, haben sie doch die Romantik eines Tankstellenshops. Und das wollen wir doch wirklich nicht!