Mi 01.07.1998
Ankerbrot steckt in einer Finanzkrise. Seit der Übernahme der Konsum-Tochter Ährenstolz in der ersten Hälfte des Jahres 1996 nehmen die Hiobsbotschaften kein Ende. Noch bevor die Mehrheit der Ankerbrot AG im Frühjahr 1997 an die bayrische Müller – Brot GmbH verkauft wurde, schrieb der Standard am 11.1.97 noch: „Anker muß die Übernahme von Ährenstolz erst verdauen".
Durch Expansion sollten die Probleme überwunden werden - aber trotzdem wurde durch „natürliche Fluktuation" der Personalstand von 3.200 auf 2.900 gekürzt. Doch offensichtlich war das Konzept des Wachstums nicht effektiv genug: Zusätzlich zum bereits 1996 geschlossenen Ährenstolz - Standort in Linz wurde 1997 noch die Backwaren - Produktion in Wr. Neustadt und St. Pölten eingestellt.
Prognosen nicht eingetroffen
Entgegen der Prognosen des Vorstandsvorsitzenden Skrobarczyk „im letzten Quartal 1997 erstmals ... schwarze Zahlen" zu schreiben, mußte sich Ankerbrot im Dezember 1997 um zusätzliche Bankkredite bemühen. Bis zur Jahresmitte 1997 war der Personalstand bereits auf 2.459 Beschäftigte reduziert worden. Doch auch diese Gelder reichten noch nicht aus. Ein Verkauf der Anker - Mühle steht zur Diskussion, und Ankerbrot profiliert sich als Vorreiter einer Strategie der Umsatzsteigerung, die in letzter Zeit immer öfter als legitime Variante, als Kavaliersdelikt gehandelt wird: Die illegale Sonntagsöffnung. Letztens wurde sogar kolportiert, daß Ankerbrot um eine EU-Förderung für Restrukturierungsmaßnahmen angesucht habe. Ankerbrot hat das Erbe einer Konsum - Tochter angetreten und sich dadurch in die Position des klaren Marktführers gehievt.
NAP schafft keine Arbeitsplätze
Auch im „Nationalen Aktionsplan" gegen Arbeitslosigkeit stützt sich die Regierung auf die These, daß private Unternehmer bei genügendem Wirtschaftswachstum für ausreichend Arbeitsplätze sorgen würden. Das Beispiel Ankerbrot zeigt wieder einmal, daß diese Theorie nicht aufgeht. Die Überexpansion, die sich Ankerbrot mit und nach der Übernahme von Ährenstolz geleistet hat, führte unweigerlich in die Sackgasse, in der sich der Betrieb jetzt befindet. Doch leider betrifft dieser Fehler sehr viele Menschen. Ankerbrot beschäftigt derzeit noch ca. 1.450 Angestellte, vorwiegend als Verkaufspersonal, davon 1.200 alleine in Wien. Das Verhältnis Frauen zu Männer beträgt dabei lt. GPA ca. 5:1, .ca. 30% der Angestellten sind teilzeitbeschäftigt. Dazu kommen dann noch ca. 1.300 ArbeiterInnen in der Produktion.
Frauen doppelt belastet
Ein guter Teil der Belegschaft besteht also aus Frauen, die üblicherweise der Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf ausgesetzt sind und dadurch auch so oft gezwungen sind, in Teilzeit zu arbeiten. Nun versucht Ankerbrot durch Erhöhung des Drucks auf diese Bediensteten die Bilanzen in die Höhe zu treiben - denn nur so kann man die Sonntagsöffnung interpretieren. Ein besserer Ansatz als Verkleinerung des Personalstands und anschließend erhöhte Belastung der restlichen Belegschaft ist die 30-Stunden-Woche und der 6-Stunden-Tag bei vollem Lohn. Die Überproduktionsprobleme können dadurch ausgeglichen werden, die Bediensteten werden entlastet und Kapazitäten zur Personalaufstockung und damit Arbeitslosigkeitsbekämpfung werden frei.