Do 01.06.2000
Durch die neue Regierung und ihre Angriffe zeigt sich wieder einmal deutlich die Rolle der Gewerkschaftsführung. Anstatt gegen die blauschwarze Sozialabbaupolitik zu mobilisieren und an der Widerstandsbewegung teilzunehmen, beschränkt sich die ÖGB-Spitze auf „Bittprozessionen” bei Regierungsmitgliedern, um doch an Verhandlungen teilnehmen zu dürfen. Damit zeigt sie sich gegenüber der Situation heillos überfordert. Wenigstens die Eisenbahner haben endlich Streiks angekündigt: Doch nur für 30 Minuten ...
Seit dem Koalitionspoker nach den Wahlen vom Oktober 1999 stehen sowohl AK als auch ÖGB im Brennpunkt. Die einseitige Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch Wirtschaft und Regierung bringt die Gewerkschaftsführung in arge Bedrängnis. Sie ringt, wie ein Nichtschwimmer, um über Wasser zu bleiben, um ihre künftige Existenzberechtigung. Ihr Handeln ist bestimmt von dem Versuch, das Rad der Zeit zurückzudrehen, um wieder in die Rolle als Vermittler zwischen Wirtschaft und Arbeit schlüpfen zu können. Dabei verzichten Verzetnisch, Neugebauer & Co in vorauseilendem Gehorsam in „alt bewährter” Tradition auf die effizientesten gewerkschaftlichen Druckmittel – der Mobilisierung von Streiks und Kampfmaßnahmen. Schließlich will man/frau sich ja eine „gute” Gesprächsbasis bewahren.
Taten statt Worte!
Eine potentiell kämpferische Stimmung zeigte sich in den vergangenen Monaten mehrmals. Sowohl vereinzelte Proteste (Demonstrationen) als auch die Betriebsräte-“Konferenz” am 5. Mai im Austria Center waren vom Grundtenor „Jetzt müssen Taten folgen” geprägt. Es brodelt an der Basis und bei vielen FunktionärInnen. Dieser Druck von unten hat zumindest die „1000-Nadelstich-Kampagne” als schwachen Trost nach sich gezogen. Neben dieser konkreten Ankündigung gibt es dann noch die seit Februar dauernden verbalen Streikdrohungen einzelner Fachgewerkschaften. Bis jetzt verhinderte die ÖGB-Führung diese angemessene und wirksame Antwort der ArbeitnehmerInnen auf Sozialabbau und Privatisierungsterror. Zu groß ist ihre Angst, dass sich eine Bewegung bilden könnte, die ihr entgleitet und so setzen die ÖGB-Granden auf „Abwarten” und Alibiaktionen, wo die Beschäftigten ihren Frust ablassen können. Dabei übersehen sie nur, dass die Zeit gegen sie und für Regierung und Wirtschaft arbeitet. Je länger diese Regierung im Amt bleibt, desto mehr gelingt es ihr, sich zu stabilisieren und den Widerstand und Unmut abzuschwächen. Damit ist es nachwievor entscheidend, soviel Druck auf die Gewerkschafftsführung auszuüben, dass sie zu konkreten Kampfmaßnahmen greifen muss – ob sie will oder nicht.
Linke Opposition aufbauen!
Gelingt es, die Auseinandersetzungen weiter zuzuspitzen und es kommt zu Arbeitskämpfen in Form von Streiks, werden damit die Rahmenbedingungen in Österreich radikal verändert. Es würde das Selbstbewusstsein der Beschäftigten stärken und sowohl für die Gewerkschaften als auch die politische Bühne würden die Karten neu gemischt: eine für Österreich neue Form der politischen Auseinandersetzung. Unbestritten ist die Etablierung einer neuen Tradition kämpferischer und demokratischer Gewerkschaftspolitik eine sehr schwierige Aufgabe. Sind doch seit der Niederlage des großen Streiks von 1950 (unter strammer Mithilfe des ÖGB) Generationen von KollegInnen durch die „Schule” der Sozialpartnerschaft, des Stellvertreter-tums und der Passivität, gegangen. Darum kämpft die SLP schon seit Jahren für eine kämpferische und demokratische Gewerkschaft und den Aufbau einer Opposition zu den ÖGB-Fraktionen der SPÖ, ÖVP und FPÖ. Zu diesem Zweck hat die SLP gemeinsam mit dem GLB (Gewerkschaftlicher Links Block) und MigrantInnenorganisationen für die Arbeiterkammerwahl in Wien kandidiert. Über eines muß man/frau sich aber letztlich klar werden: Soll die Gewerkschaft wieder zu einer wirklichen Kampforganisation werden, ist ein Bruch mit der verbürgerlichten SPÖ unausweichlich. Sie und ihre „Vorarbeit” bei Sozialabbau und Privatisierung sind an der jetzigen Situation entscheidend mitschuld!
Wir versuchen gemeinsam mit anderen KollegInnen, um die aktuelle Streikfor-derung gegen die blauschwarzen Attacken kritische und kämpferische BetriebsrätInnen und KollegInnen zu sammeln. Dazu organisiert der SLP-GewerkschaftsStammtisch am 19. Juni zum Thema „Die Pläne der Regierung & gewerkschaftliche Gegenstrategien” ein Treffen in Wien.