Mi 13.09.2017
Eines der Prinzipien, für das ernstzunehmende Gewerkschaften einstehen sollten, ist die Einheit aller ArbeitnehmerInnen, weil Spaltung schwächt. Allein dies müsste jegliche Diskussion zur Zusammenarbeit mit der rechtsextremen, rassistischen und sexistischen FPÖ erübrigen. Die FPÖ steht gegen diese Einheit, da sie wesentliche Teile der hier lebenden ArbeitnehmerInnen sowie Erwerbsarbeitslosen als Menschen zweiter oder dritter Klasse betrachtet und ihnen die Schuld an der sozialen Misere gibt. FPÖ-Entscheidungsträger fordern mitunter die „Auflösung der Gewerkschaften“ (Dörfler), sind für „Notgesetze gegen Gewerkschaften“ (Ring Freiheitlicher Wirtschaftstreibender) und bekämpfen jeden Streik als „Gefährdung“ (FPÖ-Funktionär Amann). Doch verdrängen wir einmal diese Punkte, um der Strategie-Diskussion in SPÖ und Gewerkschaften zu folgen. Wie können Menschen von der FPÖ zurückgewonnen und die Gewerkschaften als kämpferische Interessensvertretung der ArbeitnehmerInnen wieder gestärkt werden?
Die Zugänge zur FPÖ-Koalitionsfrage sind in den Fachgewerkschaften durchaus unterschiedlich. Auch ist GewerkschafterIn nicht gleich GewerkschafterIn. Die haarsträubende Position des Bau-Holz-Vorsitzenden Muchitsch, der kein Problem mit rot-blau hat, verwundert nicht weiter: er ist ein etablierter Politiker und lebt in einer Sozialbau-Wohnung um unter 290 € bei einem Brutto-Einkommen bis zu 15.000 €. Es geht vielmehr um engagierte KollegInnen, die für die Interessen von Beschäftigten und Erwerbsarbeitslosen kämpfen wollen. Der Tenor lautet oftmals: „Die SPÖ soll mittels FPÖ-Koalition soziale Politik machen.“ Zuerst muss man verstehen, warum sich so viele ArbeiterInnen von der SPÖ abwenden: Die SPÖ führte neben der ÖVP (und einem kurzen FPÖ-Gastspiel) den neoliberalen Kahlschlag an. Weder der sogenannte linke noch der ArbeiterInnen-Flügel in der SPÖ konnte dies verhindern und schrumpfte bzw. verlor an Einfluss. So zementierte die SPÖ ihre Position als eine der wesentlichen Stützen des österreichischen Kapitals; nunmehr in Zeiten der Krise. Der Gewerkschaftsflügel verkam zu einem Anhängsel wie es bei der Volkspartei schon immer der Fall war. SPÖ-GewerkschafterInnen dürfen in Wahlzeiten rennen und versuchen, die unausweichlichen Verluste in Grenzen zu halten. Es ist diese Verbürgerlichung und das Fehlen einer echten ArbeiterInnen-Partei, welche einer FPÖ ermöglicht, sich als soziale Alternative hinstellen zu können. Der Bluff funktioniert, weil viele Menschen (völlig zu Recht) die neoliberale SPÖ ablehnen und „Veränderung“ wollen. Strache & Co. spielen dazu das passende Theater. Dass die FPÖ die noch aggressivere Sozialabbau-Partei ist, fällt in dem ganzen Chaos kaum auf. Die Schuld liegt dabei jedoch nicht bei den „Massen“, sondern den politisch Verantwortlichen in SPÖ, AK, ÖGB und den Einzelgewerkschaften. In der allgemeinen Praxis treten viele Gewerkschaften anstatt zu kämpfen als verlängerter Arm von Regierung oder Geschäftsführung auf. Raum für demokratische Gestaltung gibt es kaum, da dies die Agenda der abgehobenen Führung durchkreuzen würde. Das kommt halt raus, wenn man einen Burgfrieden mit dem herrschenden Wirtschafts- und Gesellschaftssystem anstrebt. Unsere Prognose lautet: wenn eine FPÖ-SPÖ-Koalition kommt, wird dies all jene, die engagierte gewerkschaftliche Interessensvertretung wollen, weiter schwächen. Das wäre natürlich bei einer SPÖVP-Koalition nicht anders. Hinzu kommt jedoch, dass durch den FPÖ-Rassismus die Ent-Solidarisierung noch schneller vorangetrieben wird. Das Ergebnis sind Nachteile für ALLE ArbeitnehmerInnen in Österreich. Dies zeigte sich bei der Mindestsicherung in OÖ, NÖ und Tirol. Man begann mit Hetze gegen Asylberechtigte und weitete dann auf eine „Deckelung“ für alle Familien aus.
Stimmt man dieser Einschätzung im Großen und Ganzen zu, müsste man als Gewerkschafts-AktivistIn und gleichzeitiges SPÖ-Mitglied grundsätzlich gegen jedwede Koalition mit der FPÖ als auch der ÖVP sein. Genaugenommen wäre ebenso eine Infragestellung dieser SPÖ überfällig, da sie selbst wesentlich die Axt des sozialen Kahlschlags führte.
Wir brauchen Erneuerung auf zwei Ebenen: In den Gewerkschaften müssen kämpferische Methoden gegen die abgehobene Führung durchgesetzt werden und zwar mit den Betroffenen. Selbst ein kleiner regional begrenzter Arbeitskampf, der echte Erfolge, Aktivität und Organisierung bringt, wäre wertvoller als ein gut formulierter Antrag, der angenommen wird, nur um im Mistkübel zu landen. Jeder Arbeitskampf könnte das Selbstvertrauen heben und gleichzeitig offenlegen, dass die FPÖ keine Antworten hat und tatsächlich auf Seiten der Besitzenden steht. Zweitens: es gibt derzeit keine Partei, die mit und für ArbeitnehmerInnen und einem Anti-Kürzungs bzw. anti-kapitalistischen Programm auftritt. Die Wahrscheinlichkeit, dass die SPÖ sich wandelt, ist verschwindend gering. Eher wird sich der bisherige Trend fortsetzen, und alle ernsthaften GewerkschafterInnen werden in konkreten Bewegungen den Angriffen der nächsten Regierung (mit oder ohne SPÖ) gegenüberstehen müssen. Genau darin läge die Chance, die ArbeiterInnen-Bewegung auf neue Beine zu stellen.