Do 22.01.2004
200.000 Frauen leben in Österreich dauerhaft unter der Armutsgrenze, also in akuter Armut. Sie sind damit fast doppelt so stark von Armut betroffen wie Männer (110.000). 16% aller Frauen ab 60 Jahren haben weder eine eigene Pension noch eine Witwenpension. 17% aller Alleinerzieherinnen bekommen weder Unterhalt für Kinder noch Unterhaltsvorschuss. (Quelle: Armutskonferenz).
Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Denn die Sparmaßnahmen der Bundesregierung haben die Lebenssituation vieler Frauen verschlechtert. Ob flexibel beschäftigte Billa-Kassiererin oder Sprachlehrerin in einem Privatinstitut mit freiem Dienstvertrag - die Verschlechterungen in der Arbeitswelt treffen Frauen härter als Männer. Die Lohnschere zwischen Frauen und Männern ist weiter auseinander gegangen, die Teilzeitquote und die Anzahl unsicherer Arbeitsverhältnisse steigt.
Einer der Bereiche, wo hauptsächlich Frauen (68%) in schlecht bezahlten Teilzeitjobs arbeiten, ist der Einzelhandel. Die Teilzeitquote im Handel beträgt jetzt schon mehr als 40% und wird in den nächsten Jahren vermutlich auf bis zu 60% steigen. Die Gehälter werden in dieser Niedriglohnbranche damit immer geringer und eine gesicherte Existenz ist gefährdet. Hier hat die Regierung, aber auch die SPÖ bewiesen, wie wenig sie die Interessen der Frauen kümmern. Die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten hat für Frauen im Handel katastrophale Auswirkungen auf Arbeits- und Lebensbedingungen gebracht. Möglich wurde diese Entwicklung in Wien, weil auch die SPÖ in der Frage der Ladenöffnungszeiten einer Erweiterung zugestimmt hat. Frauen-Stadträtin Brauner lobte die Regelung, die zwei lange Einkaufsabende pro Woche für den "Wirtschaftsstandort Wien" ermöglichte. Wie jene Frauen, die gezwungen sind, bis 21 Uhr zu arbeiten, die Kinderbetreuung organisieren, interessierte sie nicht.
Die Gewerkschaft der Privatangestellten ließ bei dieser Verschlechterung sogar den verbalen Protest aus. Sie beschränkten sich darauf, auf die Gültigkeit des Kollektivvertrags hinzuweisen - also auf Überstundenregelungen, an die sich heute kaum noch ein Handelsunternehmen hält.
Steuerreform - mehr Geld für die Reichen
Die kürzlich beschlossene Steuerreform ist so wie schon die Neuregeldung des Kinderbetreuungsgeldes geprägt von reaktionärer Familienpolitik zu Lasten der Frauen.
Gefördert werden kinderreiche Familien mit dem traditionellen Rollenbild des Mannes als "Familienernährer", da der Alleinverdienerabsetzbetrag daran gebunden ist, dass die Frau entweder gar nicht oder nur zu einem geringen Ausmaß erwerbstätig ist. Von Alleinerzieherinnen kann - sofern es zu keiner Erhöhung der Negativsteuer kommt- dieser erhöhte Absetzbetrag erst bei einem monatlichen Bruttoeinkommen von 1.164 € (bei einem Kind) und von 1.209 € ( bei zwei Kindern) ausgeschöpft werden. Für alle, die weniger verdienen, ändert sich trotz Kindern nichts.
Mit den 250 Millionen Euro, die die Steuererleichterungen für Alleinverdienende kostet, könnten laut Arbeiterkammer ca.60.000 Kinderbetreuungsplätze geschaffen und damit der Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert werden.
Aber in erster Linie ging es darum, die Unternehmen zu entlasten. 2,015 Milliarden Euro Entlastung für die Wirtschaft stehen 975 Millionen Entlastung für ArbeitnehmerInnen und PensionistInnen für 2004 und 2005 gegenüber - obwohl sie die Hauptlast der Belastungen der letzten Jahre zu tragen hatten und nicht die Unternehmen.
Und Frauen zahlen wieder einmal doppelt drauf. Denn die Veränderung des Steuertarifs ab 1.1. 2005 bringt den EinkommensbezieherInnen unterhalb der Steuergrenze nichts. Sie werden aber besonders hart von den diversen Gebühren- und Abgabenerhöhungen getroffen (Energieabgabe, Selbstbehalte etc.).
Kirche & Co gegen das Recht auf Abtreibung
Das Recht auf Abtreibung bleibt ein heiß umkämpftes Thema - Ausdruck dafür, dass der konservative Umschwung vorangeht. Sowohl der ÖVP-Bundesrat Vinzenz Liechtenstein als auch Bischof Aichern forderten anlässlich des 30. Jahrestages des Parlamentsvotums zur Einführung der Fristenregelung, dass "flankierende Maßnahmen" zur Fristenregelung umgesetzt werden.
Gemeint ist damit eine verpflichtende Beratung der Schwangeren - nach Möglichkeit unter Einbeziehung des Vaters, die Trennung von Beratung und Durchführung - und mindestens drei Tage Nachdenkpause nach der Beratung. Argumentiert wurden diese Maßnahmen (unter anderem vom Leiter der Landesstatistik Steiermark) mit der "alarmierende demographische Entwicklung auf regionaler und europäischer Ebene".
Bischof Küng sowie Bischof Kapellari mahnten: "Die Abtreibung ist die Schwester der Euthanasie - Anfang und Ende des Lebens sollen in Gottes Hand bleiben!" Die Ausübung der Fristenlösung wird schon seit langem massiv erschwert. Gruppen wie Human Life International stehen vor Abtreibungskliniken und organisieren Psychoterror gegen Patientinnen. Die Geschichte der Abtreibungsklinik Lucina im 2.Bezirk macht dies deutlich.
Kampf für Frauenrechte notwendig
2003 war das Jahr der großen Streiks. GewerkschafterInnen bei ÖBB, Postbus und andere leisteten wichtigen sozialpolitischen Widerstand. Bezeichnend war, dass weder die ÖGB-Frauen noch Gewerkschaften mit einem hohen Frauenanteil eigene Proteste organisierten. Während bei der ÖBB die Züge standen, ging die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten ohne jeglichen Aufschrei über die Bühne. Selbst beim Kampf gegen die Pensionskürzungen gab es kaum Versuche, die prekär beschäftigten Frauen zu organisieren. Diese Aufgabe muss eine neue, starke Frauenbewegung leisten. Diese gilt es aufzubauen und der Internationale Frauentag am 8. März soll ein Signal in diese Richtung sein.