Roma und Sinti: Im Fadenkreuz der Rechten

Die Liste der Vorurteile und Klischees ist lang. Doch was es v.a. gibt sind soziale Probleme
Sonja Grusch

Der Fall der kleinen Maria, die in einer Roma-Siedlung in Griechenland entdeckt wurde, bedient die gängigen „Zigeuner“-Klischees: Kindes(ver)kauf, Sozialschmarotzer, Betrug, Betteln und Armut. Der Fall zeigt aber v.a. eines: die dramatische soziale Situation, in der viele Roma und Sinti in ganz Europa leben müssen. Sie gehören zu den ersten Opfern der Kürzungspolitik und stehen im Fadenkreuz der Rechten. In ganz Europa nehmen Übergriffe und Diskriminierung von Roma zu. PolitikerInnen bedienen Klischees vom „Sozialschmarotzer“ und in Irland nimmt die Polizei einer Romafamilie das Kind weg, weil es blond ist – es ist ihr eigenes, wie sich herausstellt.

In Ungarn sind Roma und Sinti Opfer von teilweise systematischer Unterdrückung und Verfolgung nicht nur durch die faschistische Jobbik, sondern auch durch den Staat unter Orbans Fidesz. In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Todesopfern infolge rassistischer Anschläge. Doch auch in anderen Ländern wird das Leben für Roma und Sinti immer schwerer. In Slowenien wurde 2006 eine Roma-Familie durch eine „Bürgerwehr“ vertrieben; ähnliches gab es auch in Tschechien. Die Regierungen schweigen bzw. greifen selbst zu Rassismus und Repression. In der Slowakei wurde eine Mauer zur Abgrenzung von einer Roma-Siedlung errichtet. 2007 und 2008 kam es in Italien zu pogromartigen Übergriffen auf Roma und Sinti und die Regierung kündigte Massenabschiebungen an. Jüngst kam es wieder zum Abriss von Romasiedlungen (die ja das Ergebnis von erzwungener Armut sind, an der sich nach dem Abriss nichts ändert). 2011 gab es in Bulgarien Ausschreitungen gegen Roma. 2013 wurde bekannt, dass in Schweden die Polizei teilweise eigene Roma- und Sinti-Datenbanken führte, in der völlig unbescholtene Menschen, auch Kinder und Jugendliche, erfasst wurden, nur weil sie Roma bzw. Sinti sind. Betteln sei „keine ehrliche Weise“, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, erklärte der schwedische Migrationsminister als Rechtfertigung für die Abschiebung von Roma. In Dänemark und Finnland gab es 2013 Razzien und Abschiebungen. Frankreich hatte schon 2010 rund 8.000 Roma nach Rumänien und Bulgarien abgeschoben.

Von staatlicher Seite nimmt die rassistische Politik gegen Roma und Sinti zu. Die Medien machen fleißig mit und zeichnen Bilder, die den Klischees entsprechen. Die Ursachen für die oft dramatische soziale Lage von Roma und Sinti wird meistens ausgeklammert. Oder auf eine letztlich rassistische Ebene zurückgeführt, dass Roma und Sinti „halt so sind“ oder „es ihrer Kultur entspricht“ oder „sie es halt nicht anders kennen“. Tatsächlich sind Roma und Sinti sesshaft, arbeiten, schicken ihre Kinder zur Schule - wenn es ihnen möglich ist. In wirtschaftlichen Krisenzeiten sind es immer die Randgruppen einer Gesellschaft, die als erstes erfasst werden. Aktuell sind das u.a. Roma und Sinti. Und die Politik bedient sich rassistischer Stereotypen, um von der Verantwortung der kapitalistischen Kürzungspolitik abzulenken, die die Ursache der sozialen Probleme ist. Die PolitikerInnen feiern gerne mit Harri Stojka bei „rassiger Musik“, essen ein „feuriges Zigeuner-Schnitzel“ und erfreuen sich an der „bunten Folklore“. Manche Parteien wie die ungarische Fidesz setzen sogar Roma auf ihre Liste. Und beschließen am nächsten Tag Kürzungen, die Roma und Sinti den Weg aus der sozialen Misere erschwert. Es ist an der Zeit, dass die ArbeiterInnenbewegung Roma und Sinti als Teil der meistunterdrückten Schichten sieht und den gemeinsamen Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung führt.

 

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