Pariser Kommune 1871: Der Staat ist nicht neutral

Teil 2 der Artikelserie: Revolutionen und ihre Lehren
Anna Hiemann

 

Die Pariser Kommune war der erste Versuch der Arbeiter*innenklasse, die Macht zu ergreifen. Am 28. Mai 1871 brachten die Arbeiter*innen und Armen Paris unter ihre Kontrolle. Doch sie konnten diese Macht nur für 72 Tage halten. Am Ende wurde die Kommune innerhalb einer Woche in einem grausamen Blutbad niedergeschlagen.

Klassenkrieg statt Völkerkrieg

Zwischen Frankreich auf der einen und Deutschland unter preussischer Führung auf der anderen Seite herrscht 1871 bereits seit Monaten Krieg. Die reguläre Armee ist großteils in deutscher Kriegsgefangenschaft, die Bevölkerung von Paris erhält Waffen, um die Stadt zu verteidigen. Die ohnehin große gesellschaftliche Ungleichheit wird durch Krieg und die Belagerung von Paris weiter verstärkt. Der Unmut steigt, auch sozialistische Gruppen erfahren regen Zulauf, da viele Leute sich von der französischen herrschenden Klasse entfremdet haben. Bereits Anfang März 1871 kommt es zu Unruhen und viele der Reichen verlassen die Stadt. Aus Angst vor dem Unmut der Arbeiter*innen und Armen versucht die bürgerliche Regierung, die inzwischen einen Deal mit dem bisherigen Feind geschlossen hat, die Waffen zurückzuholen, was misslingt. Ab diesem Zeitpunkt steht sie dem revolutionären Paris feindlich gegenüber.

Denn die Arbeiter*innen beginnen mit dem Aufbau einer neuen, proletarischen Demokratie. Das stehende Heer wird abgeschafft und durch eine Nationalgarde ersetzt. Außerdem werden die Wohnungen der Reichen beschlagnahmt und Mieten erlassen. Fabriken, die von geflohenen Besitzer*innen zurückgelassen werden, werden von den Arbeiter*innen betrieben. Die Kirche verliert ihre Macht und Privilegien, dafür erhalten die neugewählten Vertreter*innen nur einen durchschnittlichen Arbeiter*innenlohn. Frauen nehmen aktiv am politischen Leben teil und sind an der Verteidigung der Kommune beteiligt. Nachdem sich die französischen Bürgerlichen mit den deutschen Herrschenden zusammengetan haben, gelingt es ihnen, in die Stadt einzudringen, es kommt zu blutigsten Kämpfen und die Kommune und mit ihr rund 30.000 Kommunard*innen fallen.

Lehren über die Rolle des Staates

Die Kommune hatte den Staat der herrschenden Klasse nicht zerschlagen. Deren Vermögen blieben weitgehend unangetastet, sie konnten ungeschoren abziehen. Das ist jedoch verheerend, wie Karl Marx 1872 schreibt: „Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eignen Zwecke in Bewegung setzen kann“, sondern sie muss sie „zerbrechen“. Bis dahin hatte auch in der sozialistischen Bewegung ein klares Bild vom Staat gefehlt, die Kommune hatte dafür teuer bezahlt. Die zentrale Rolle des Staates, nämlich die unterdrückten Klassen kleinzuhalten und so die Stabilität des herrschenden Systems zu gewährleisten, wurde deutlich. Seit der Entstehung von Klassengesellschaften und den daraus resultierenden Klassengegensätzen nutzen die Herrschenden den Staat für ihre Interessen. 

Das französische Bürgertum gab den Arbeiter*innen Waffen, um Paris für sie zu verteidigen. Als das Proletariat jedoch auch für sich etwas wollte, verbündete sich das französische Bürgertum mit dem deutschen Militär. Die Erkenntnis daraus ist bis heute gültig: Der iranische “Prinz” will die Bewegung nutzen, um wieder an die Macht zu kommen. Die Ziele der heutigen Protestbewegungen aber würden nicht erfüllt werden, wenn sie Bündnisse mit diesem oder bürgerlichen Kräften, die das iranische Öl an westliche Konzerne verkaufen möchten, eingeht. Länder wie der Iran werden nur durch eine breit organisierte Arbeiter*innenbewegung den Kampf für echte Demokratie gewinnen. 

In revolutionären Bewegungen reicht es nicht, Ämter bzw. staatliche Institutionen mit “eigenen” Leuten zu besetzen, denn “der Staat ist eine Maschine zur Aufrechterhaltung der Herrschaft einer Klasse über eine andere.“ (Lenin 1917)

Die Erfahrungen der Pariser Kommune führten dazu, dass im Zuge der Russischen Revolution 1917 die bestehenden staatlichen Institutionen zerschlagen und die Herrschaftsverhältnisse grundlegend neugestaltet wurden, um die Basis für eine gänzlich andere Gesellschaft zu legen. Das muss auch das Ziel von Bewegungen des 21. Jahrhunderts sein.

 

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