Di 22.10.2013
Der Bedarf an sozialer Arbeit wächst. Immer mehr Menschen verlieren ihre Jobs, leiden unter Stress und Zukunftsangst, rutschen in Armut und/oder sind zumindest vorübergehend Unterstützungsbedürftig. Die von SozialarbeiterInnen verrichtete Arbeit bekämpft nicht nur bloß Symptome des Übels Kapitalismus. Sie ist auch ein Fass ohne Boden. Kaum glaubt man eine Wunde geschlossen zu haben, brechen drei neue auf.
Doch damit nicht genug: Ein Großteil der Arbeit im Sozial- und Pflegebereich wird privat erledigt. Ob in Kindererziehung oder Pflege, ob in der Betreuung von Menschen mit Behinderung oder in der Pflege von chronisch kranken Angehörigen: Diese Arbeit wird privat und meist von Frauen zuhause geleistet! Die Wenigsten können diese Leistungen zukaufen. Und es herrscht ein enormer moralischer Druck. Betreuung von außen wird immer nur als zweitbeste Lösung präsentiert. Dieser Ansatz spart Regierungen Geld: „Warum für etwas zahlen, was man auch auf die Familie abwälzen kann“. Und er führt zum so genannten Verdeckungseffekt: „Soziale Arbeit arbeitet dann gut, wenn man die von ihr behandelten Problemfelder in unserer Gesellschaft nicht wahrnimmt“. Das bedeutet aber nicht nur einen enormen Druck für die Familienmitglieder, die diese Arbeit ohne Ausbildung, ohne Bezahlung, ohne Hilfe leisten. Das bedeutet auch, dass die zu Betreuenden nicht die optimale Unterstützung bekommen, die sie brauchen, da sie nicht von Profis gemacht wird.
Der ideologische Hintergrund ist, dass Menschen ihrer Familie gehören und sich Verantwortung aus biologischer Zugehörigkeit und nicht aus Sympathie oder Liebe ergibt. Doch die Familie ist für viele kein freiwilliger Zusammenschluss von Menschen. Oft ist sie ein gefährlicher Ort – 9 von 10 sexuellen Übergriffen finden in der Familie statt. Ob man sich um einen anderen Menschen kümmert, muss eine freie Entscheidung sein, nicht das Ergebnis von Abstammung. Und jeder Mensch hat das Recht auf die optimale Betreuung – und das ist nicht automatisch jene durch Angehörige.
Daher muss die Verantwortung für diese Arbeit die Gesellschaft übernehmen! Der technische Fortschritt ermöglicht eine starke Verkürzung der Arbeitszeit. In der Ausbildung können Menschen lernen, mit Pflegebedürftigen professionell umzugehen. V.a. aber muss diese Unterstützung von der Gesellschaft angeboten werden. Und zwar nicht in unpersönlichen Einrichtungen, in welchen Menschen aus Kostengründen mangelhaft betreut werden, sondern in optimal ausgestatteten, in die Gesellschaft integrierten Einrichtungen, wo alle Menschen, die Unterstützung brauchen, diese von Vollprofis mit ausreichend Zeit erhalten. Damit jeder Mensch das Optimum bekommt und nicht nur das, was der zufällige Stammbaum ihm/ihr zugestanden hat.
"Pflicht der Gesellschaft ist, die Mutter dem Kinde für die Zeit zu erhalten, wo sie tatsächlich die natürliche Erzieherin und Pflegerin derselben ist: für die Periode der Schwangerschaft und das Säuglingsalter. Für die folgende Entwicklungszeit hat sie dem Kinde alle Einrichtungen und Anstalten zu bieten, welche die Mutter – hier als Zusammenfassung aller erzieherischen Einflüsse gedacht – in der besten Weise ersetzen." (Clara Zetkin: Für die Befreiung der Frau! 1889)