Marx aktuell: Frauenstreik und Klassenkampf

Ella Kempter und Sebastian Kugler

In vielen Ländern werden dieses Jahr zum 8. März Frauenstreiks ausgerufen, doch unterscheiden sich die Aktionen oft stark in Form und Inhalt. Die neue Popularität des Streiks als Kampfmethode im Kampf gegen patriarchale Unterdrückung ist ein gutes Zeichen. Sie ist Ausdruck eines steigenden Bewusstseins für gemeinsame, kollektive Kämpfe. Doch noch herrscht viel Verwirrung über den Streikbegriff: Von Sex- bis zu Hausarbeitsstreiks gibt es eine Tendenz, „Streik“ mit jeglicher Form von Verweigerung gleichzusetzen. Streiks sind aber eigentlich eine langbewährte Widerstandsmethode, bei der durch Entzug der Arbeitskraft Druck auf eine ausbeutende Gruppe ausgeübt wird um die Interessen der Streikenden durchzusetzen. Viele „Streik“-Formen, die nun diskutiert werden, wollen durch Formen von Verweigerung Verbesserungen in der häuslichen Sphäre erzielen. Das ist aber nur jenen Frauen möglich, die nicht aufgrund verschiedenster Abhängigkeitsverhältnisse existenziell an ihren Partner und den Haushalt gebunden sind. Außerdem haben diese Abhängigkeitsverhältnisse (Finanzen, Wohnraum, Rechtsansprüche…) ihren Ursprung außerhalb der häuslichen Sphäre, im kapitalistischen System. Im Haushalt sind Männer kurzfristig Nutznießer der Frauenunterdrückung – doch langfristig schadet sie ihnen auch, da Frauenunterdrückung das kapitalistische System stabilisiert, von dem sie selbst ausgebeutet werden.
Kapitalismus bedeutet Sexismus von Oben in Form von ungleichen Löhnen, unleistbarer Kinderbetreuung, Objektifizierung von Frauenkörpern als Werbestrategie und Macho-Justiz. Kapitalismus bedeutet aber auch das Einberechnen der Frau als unbezahlte Arbeitskraft für Tätigkeiten, die die Leistungsfähigkeit der Arbeiter*innen und ihres Nachwuchses, zu gewährleisten - ohne dass der Lohn erhöht werden muss. Um das zu bekämpfen, braucht Streiks, die diejenigen treffen, die von Ausbeutung profitieren. Das bedeutet, den Kampf für Frauenrechte als Klassenkampf zu führen: „Nicht, weil die Klasse die einzige Unterdrückungsform ist oder gar die häufigste, beständigste oder stärkste Quelle sozialer Konflikte, sondern vielmehr, weil ihr Terrain die die materiellen Existenzbedingungen schaffende gesellschaftliche Organisation der Produktion ist.“ (Ellen Meiksins Wood: Demokratie kontra Kapitalismus, 1995)

Wenn wir für frauenspezifische Forderungen streiken, sollten Männer eingebunden aufgefordert werden, sich zu beteiligen – so können sie nicht als Streikbrecher missbraucht werden und sie können Bewusstsein für die Notwendigkeit des Kampfes gegen Frauenunterdrückung gewinnen. Solche Streiks zeigen auch das Potential der vereinten Arbeiter*innenklasse, die gesamte Produktion und Reproduktion der Gesellschaft selbst zu übernehmen – ohne Ausbeutung und Unterdrückung.


Lesetipp:

Christine Thomas: Es muss nicht bleiben, wie es ist. Frauen und der Kampf für eine sozialistische Gesellschaft

In diesem Buch erklärt die sozialistische Aktivistin Christine Thomas die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes für Frauenbefreiung und Sozialismus

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