Do 15.10.2009
Letzte Woche bestätigte General Motors (GM) den Verkauf des Großteils der Produktionsstätten seiner europäisch Tochterfirmen, Opel und Vauxhall, an ein Konsortium, bestehend aus dem kanadisch-österreichischen Autozulieferer Magna und Sberbank, Russlands größter staatseigener Bank.
Nach dieser Ankündigung wird Magna/Sberbank einen Anteil von 55 Prozent an Opel kaufen, wobei GM 35 Prozent behält und die verbleibenden 10 Prozent an „die Arbeiter“ gehen. Es war von Anfang an klar, dass dieses Abkommen von einem sozialen Blutbad begleitet sein würde, egal wer den Zuschlag für die Übernahme bekommen würde: Der Abbau von mehr als zehntausend Arbeitsplätzen in mehreren Ländern in Europa wird angekündigt.
Insgesamt wollen Magna/Sberbank 11.000 Arbeitsplätze streichen von den 50.000, die Opel und sein britisches Pendant Vauxhall gegenwärtig in Europa beschäftigen. Allein in Deutschland sind 4.500 Arbeitsplätze bedroht, während in Spanien etwa 2.000 der 7.000 ArbeiterInnen des Figueruelas-Werks (bei Saragossa) ihre Arbeitsplätze verlieren werden. Die jüngsten Zahlen, die über das Ausmaß des Stellenabbaus in Britannien kursieren, sind etwa 1.300, und manche osteuropäischen Länder wie Ungarn und Polen, wo es auch Opel-Werke gibt, könnten ebenfalls betroffen sein.
Schließlich und endlich wird das Werk in Antwerpen (Belgien) höchstwahrscheinlich die Opel-Fertigung einstellen, wenn es nicht völlig dichtgemacht wird. Laut Gewerkschaften und laut Klaus Franz, dem IG-Metall-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von Opel Deutschland wird es keine Betriebsschließungen geben. 2001 wurde das so genannte „Olympia-Abkommen“ vereinbart, das der GM-Politik entgegenwirken sollte, die europäischen Standorte gegeneinander auszuspielen bei der Entscheidung, wo neue Modelle hergestellt werden sollen. Aber dieses Abkommen stellte einen „geordneten“ Rückzug dar, weil die Gewerkschaftsführer nicht wirklich versuchten, die Kürzungen zu stoppen, sondern einfach ihre Auswirkungen auf die verschiedenen Standorte zu „verteilen“. Man könnte das „Solidarität im Rückzug“ nennen und laut Gewerkschaftsangaben wird eine ähnliche Politik bei den jüngsten Kürzungen angewandt werden.
Aber es ist klar, dass selbst wenn das Werk Antwerpen nicht völlig dichtgemacht wird, wie es GM und Magna unmittelbar nach dem Verkauf angekündigt hatten, es bestenfalls zu einem Zulieferer oder einem Fließband für extrem beschränkte und flexible Produktion reduziert werden wird, mit einer massive verringerten Belegschaft zu schlechteren Löhnen und Bedingungen. Egal welches Szenario verwirklicht wird, die 2.600 ArbeiterInnen im Werk, aber auch weitere Tausende bei seinen Zulieferern, werden schwer getroffen werden. Deshalb ist es wesentlich, dass Widerstand gegen alle Arbeitsplatzverluste und Kürzungen in ganz Europa organisiert wird.
Nach dem jüngsten Bankrott von GM und Chrysler in den USA und der folgenden Streichung von Zehntausenden Stellen und den 20.000 Entlassungen, die vom japanischen Hersteller Nissan angekündigt wurden, sind diese Ankündigungen nicht wirklich überraschend; sie stellen nur ein neues Kapitel in der langen Reihe von massiven Stellenstreichungen und Werksschließungen dar, die die Autoindustrie seit Jahren treffen, aber besonders dieses Jahr, wo der Kapitalismus vor seiner schlimmsten Rezession seit den1930ern steht.
„Das Ende der Krise”?
In den letzten Monaten war in der kapitalistischen Presse Propaganda weit verbreitet, dass sich die Krise dem Ende nähere. Wenige Tage bevor die Nachrichten über das Magna-Abkommen öffentlich bekannt wurden, verkündete, Autolos Ghosn, der Boss von Renault-Nissan, stolz „das Ende der Krise im Autosektor” (Le Figaro, 09.09.09). Das mag vielleicht der Fall für die Manager und Großaktionäre sein, die die Autoindustrie kontrollieren, die die Krise für die Beschleunigung von Umstrukturierungsplänen nutzen, aber für Tausende Familien haben Krise und Zukunftsangst gerade erst begonnen.
Sergio Marchionne, der Boss der italienischen Autofirma Fiat, machte kürzlich eine aussagekräftigere Bemerkung über die Zukunft der Autoindustrie auf kapitalistischer Grundlage, indem er vorhersagte, dass die Wirtschaftskrise die weltweite Autoindustrie schließlich zwingen werde, die profitzerstörende Überkapazität anzugehen, indem sie immer mehr Werke schließen werde, um die Überkapazität zu reduzieren, und indem sie die Branche in eine immer geringer werdende Anzahl einer Handvoll von Riesenfirmen konzentrieren werde. Er kommentierte sehr unzufrieden, dass „in Europa kein einziges Werk als Folge der Krise dichtgemacht worden ist.” (Financial Times, 19.09.09)
Überproduktion – die Krankheit des Kapitalismus
Überproduktion und Überkapazität in der Autoindustrie sind unleugbare Fakten. Sie waren es schon lange Zeit vor dem Ausbruch der gegenwärtigen Wirtschaftskrise. Kürzlich wies ein Artikel im „Economist“ darauf hin, dass „in Europa Fabriken in der Lage waren, vier Millionen mehr Autos auf den Markt zu schwemmen, als der selbst in einem guten Jahr wie 2007 fassen konnte.” (The Economist, 17.09.09). Seitdem hat die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise zu einem scharfen Anstieg der Arbeitslosigkeit und wichtigen Beschränkungen beim Kreditzugang geführt.
Für den Autosektor hat dies konkret einen scharfen Rückgang in der Nachfrage nach neuen Autos geführt, was das Problem beträchtlich verschärft hat. In mehreren Ländern sind die Autoverkäufe dramatisch zurückgegangen, in manchen Fällen war das Ausmaß im letzten halben Jahrhundert beispiellos. Nach manchen Experten wird die Überkapazität nächstes Jahr bei etwa 7 Millionen PKW-Einheiten (30 Prozent) in Europa und bei über 4 Millionen Einheiten in den Vereinigten Staaten sein, selbst wenn man die Welle brutaler Kürzungen und Werksschließungen berücksichtigt, die die „Großen Drei“ (GM, Chrysler und Ford) umsetzten.
Dies beleuchtet einen der Hauptwidersprüche, der in der anarchischen, profitgetriebenen, kapitalistischen Wirtschaft enthalten ist. Harte Konkurrenz zwischen verschiedenen Firmen zwingt sie, die Produktion auszuweiten, um ihre Konkurrenten auszustechen, und in die neuste Technologie und das neuste Material zu investieren, um immer mehr mit einer kleineren Belegschaft zu produzieren. Die Bosse versuchen konsequent, die Arbeitskosten auf die eine oder andere Weise zu verringern, um ihre Gewinnspannen hochzuhalten.
Das Ergebnis ist, dass die VerbraucherInnen (überwiegend ArbeiterInnen) nicht in der Lage sind, alle Produkte zu kaufen, die den Markt überfluten. Die Krise der Überproduktion ergibt sich aus diesem Widerspruch zwischen der Tendenz zu unbegrenzter Ausdehnung der Produktion auf der einen Seite und begrenzter Verbraucherkapazität auf der anderen. Dies passiert auf dem Autosektor heute. Neue Entlassungen und Angriffe auf die Löhne werden nur die Kluft vergrößern und die endlose Spirale nach unten beschleunigen, bei der der Arbeiter immer der Verlierer und der Kapitalist immer der Gewinner ist.
„Abwrackprämien“ – mit der einen Hand geben, um mit der anderen zu nehmen
In diesem Jahr gab es riesige Staatseingriffe in die Autoindustrie. Um Arbeitsplätze zu retten? Eindeutig nicht. Tatsächlich ist die Zahl der Arbeitsplatzverluste im Autosektor dieses Jahr historisch hoch. Öffentliche Hilfe wurde hauptsächlich in die berühmten „Abwrackprämien”-Programme konzentriert, deren Ziel es ist, den Markt künstlich in Schwung zu halten, indem mit Steuergeldern der Verkauf neuer Autos dadurch angeregt wird, dass Kunden einen Zuschuss dafür kriegen, dass sie ihre alten Fahrzeuge gegen neue Modelle umtauschen.
Die „Umweltwirkung“ dieser Maßnahmen ist sehr begrenzt. Diese staatlich unterstützten Abwrackprogramme sollten hauptsächlich die KäuferInnen zurück auf den Markt bringen, damit die Großkapitalisten, die die Autoindustrie kontrollieren, weiter Profite machen.
Aber die Bosse der Autoindustrie fürchten selbst, dass das Volumen der Verkäufe wieder sinken wird, sobald die Wirkungen dieser Anreize aufhören – mit allen Folgen, die wir dadurch erwarten können. „In dem Jahr, nachdem Frankreich in den 90er Jahren ein ähnliches Programm beendete, brachen die Autoverkäufe um 20 Prozent ein” (The Economist, 15.08.09). In den US gehen manche Vorhersagen davon aus, dass die Verkäufe schon Ende September auf das „Vor-Abwrackprämien-Niveau“ sinken könnten, trotz der drei Milliarden Dollar, die für diese Programme investiert wurden, da der Vorrat an geeigneten Autokäufern zur Neige geht.
Die Verkäufe wurden dank der Regierungssubventionen vorübergehend auf einem gewissen Niveau gehalten, aber dies sind nur kurzlebige Anreize, die gewiss nicht zu einer strukturellen Lösung der gegenwärtigen Krise führen werden.
Politische Kalkulationen hinter dem Rücken der ArbeiterInnen
Vor dem Abschluss des Magna-Abkommens hatte die kanadische Firma schon ihre Absicht bekannt gegeben, etwa 10.000 Arbeitsplätze in Europa zu vernichten. Da die Hälfte der Opel-Belegschaft in Deutschland ist (25.000 ArbeiterInnen von 50.000), fürchtete die Merkel-Regierung, dass diese Frage ihr in ihrer Wahlkampagne in die Quere kommen würde (für die Bundestagswahlen, die nächstes Wochenende stattfinden). Merkel hat 4,5 Milliarden Euro an Staatsgarantien an Magna versprochen unter der Bedingung, dass keine Werke in Deutschland geschlossen würden.
Sie war stolz, sehr optimistisch zu erklären, dass „die Geduld, die Entschlossenheit und die Klarheit der Regierung und von mir persönlich zu dieser Entscheidung beigetragen haben.” (Le Soir, 11.09.09). Aber die Motive dahinter, dass Merkel große Summen von öffentlichem Geld verwendet hat, um ein Abkommen mit Magna zu kaufen, haben nichts mit der Zukunft der AutoarbeiterInnen oder der Rettung von Arbeitsplätzen zu tun und alles mit Wahlerfolgen.
Letzte Woche berichteten Zeitungen, dass Magna mehr Arbeitsplätze in Deutschlands Opel-Werken streichen würde als vorher erwartet worden war (um 4.000, statt zwischen 2.500 und 3.000). Es ist nicht sicher, dass die Frage von Werksschließungen nach den Wahlen nicht wieder auf die Tagesordnung kommen wird. Der Boss von PSA-Peugeot Citroen erklärte einmal, nachdem die Sarkozy-Regierung den französischen Autofirmen im Februar 2009 6,5 Milliarden Euro gegeben hatte – unter der Bedingung, dass diese Firmen keine Werke in Frankreich schließen würden – „wir können nie die Schließung eines Werks ausschließen, wenn die Bedingungen uns dazu zwingen.” (Le Monde, 10.2.09)
Heuchelei und Nationalismus
In den letzten Tagen, nach der Intervention der deutschen Regierung, machten andere EU-Staaten mit Opel- oder Vauxhall-Werken auf ihrem Boden Erklärungen, in denen sie Deutschland „Protektionismus“ und „Nationalismus“ vorwarfen. Gleichzeitig haben sie selbst ständig die nationalistische Karte gespielt und die Konkurrenzfähigkeit „ihrer“ Autowerke im Unterschied zu den ausländischen gerühmt.
„Ich bin überzeugt, dass auf der Grundlage wirtschaftlicher Maßstäbe Antwerpen besser ist als viele andere Standorte in Deutschland”, erklärte der flämisch Präsident Kris Peeters auf einer Pressekonferenz am Montag, 14. September, und betonte die Produktivität der Antwerpener ArbeiterInnen. „Unsere Vauxhall-Werke in Ellesmere Port und Luton sind hocheffizient und lukrativ, und ich bin sicher und wir bestehen darauf, dass dies anerkannt wird”, sagt der britische Wirtschaftsminister Peter Mandelson in einem Interview im BBC-Radio am selben Tag. „Jede Entscheidung über Werke und Arbeitsplätze sollte nach Produktivitätskriterien getroffen werden”, betonte ein Sprecher des spanischen Industrieministeriums und fügte hinzu, dass „wir viel ruhiger wären, wenn dieses Prinzip angenommen würde, weil das spanische Werk von Figueruelas mit 7.000 Arbeitsplätzen als eines der produktivsten in Europa gilt”.
Spirale nach unten für die ArbeiterInnen, mehr Profite für die Aktionäre
ArbeiterInnen haben von dieser nationalistischen Propaganda nichts zu gewinnen, die versucht, verschiedene Teile der ArbeiterInnen gegen ihresgleichen im Ausland auszuspielen. Die klassische Teile-und-Herrsche-Taktik wurde immer als Mittel genutzt, um den Widerstand der ArbeiterInnen zu schwächen und leichter Angriffe auf ihren Lebensstandard und ihre Arbeitsbedingungen machen zu können.
Die obige öffentliche Erklärung von Kris Peeters erinnert an frühere Erklärungen des ehemaligen belgischen Ministerpräsidenten Guy Verhofstadt vor drei Jahren, zu einer Zeit, als massive Entlassungen im Volkswagenwerk in Brüssel angekündigt wurden, als er den „Nationalismus“ der deutschen Gewerkschaften kritisierte und auf die unbestreitbare Produktivität und Flexibilität der belgischen ArbeiterInnen hinwies. Aber alle in der Vergangenheit gemachten Opfer der VW-ArbeiterInnen (Kürzungen bei Pausenzeiten, größere Arbeitsbelastung etc.) und alles Geld, dass die Brüsseler Regierung VW gegeben hatte, verhinderte nicht, dass schließlich 3.000 ArbeiterInnen im Werk gefeuert wurden und den ArbeiterInnen, die im Werk verblieben, neue „Flexibilitäts“-Vereinbarungen und längere Wochenarbeitszeit aufgezwungen wurden.
Die einzigen Sieger bei dieser Art Spiel sind die Kapitalisten selbst, die diese „Spirale nach unten“ systematisch nutzen, um ihre Profite auf Kosten der Interessen der ArbeiterInnen zu maximieren. Der Weg zur Rettung von Arbeitsplätzen ist nicht, „hier ein paar mehr Arbeitsplätze zu erhalten, um dort mehr zu streichen“, sondern der Aufbau eines gemeinsamen Kampfes der Arbeiterklasse über nationale Grenzen hinweg. Gegen die Spaltungsversuche der herrschenden Klasse ist es entscheidend, Forderungen aufzustellen, die Arbeitereinheit aufbauen können. Der einzige Weg dahin ist, einen Kampf zur Verteidigung aller Arbeitsplätze zu führen. Leider scheint das nicht das Ziel der Gewerkschaftsführer zu sein, die keine derartigen Forderungen aufstellen.
Schwäche führt zu Aggression
Die Reaktion der verschiedenen Gewerkschaftsführer war bisher extrem schwach. Manche schienen interessierter daran, die ArbeiterInnen an der Gegenwehr zu hindern als die Bosse an Fabrikschließungen und Arbeitsplatzvernichtung, während andere einfach die nationalistische Propaganda der kapitalistischen Politiker nachbeten und die Logik der Konkurrenz zwischen den ArbeiterInnen aus verschiedenen von den Entlassungen betroffenen Ländern und Werken akzeptieren.
Die meisten heutigen Gewerkschaftsführer stellen nur die so genannte „unausgeglichene“ Verteilung des Stellenabbaus auf die verschiedenen Länder in Frage, statt ihn ganz abzulehnen. Außerhalb Deutschlands beschweren sich manche ausdrücklich darüber, dass wir „prozentual beträchtlich mehr als Deutschland und beträchtlich mehr als jedes andere Land verlieren. Daher ist der Plan, so wie er vorliegt, nicht akzeptabel”. (Dave Osborne, Nationaler Sekretär für die Autoindustrie in Unite, einer britischen Gewerkschaft, in der Financial Times, 22.09.09).
Im gleichen nationalistischen Ton argumentierte Rainer Einenkel, der Gewerkschaftsführer im Werk Bochum in Deutschland, dass „Bochums Produktion pro Auto 200 Euro billiger als in Antwerpen” sei (Deutsche Welle, 21.09.09). Eine internationalistische und kämpferische Alternative zur gegenwärtigen Strategie der Gewerkschaftsführung ist entschieden notwendig. Für die gegenwärtigen Führungen scheint nicht nur Solidarität mit ArbeiterInnen in anderen Ländern ein Buch mit sieben Siegeln zu sein, sondern letztlich werden sie den ArbeiterInnen in „ihrem eigenen Land" auch nicht helfen.
In der Tat scheint die heutige Gewerkschaftsführung die vergangenen Niederlagen wiederholen zu wollen, statt aus ihnen zu lernen. In den letzten Jahren akzeptierten die IG-Metall-Gewerkschaftsführer in Deutschland eine ganze Reihe von Verschlechterungen der Löhne und Arbeitsbedingungen bei Opel, immer mit der Begründung, Arbeitsplätze zu retten. Aber diese Zugeständnisse halfen tatsächlich dem Management, den Stellenabbau fortzusetzen. Jetzt, mit der Aussicht auf einen „Neuen Opel", haben sie schon gesagt, dass sie akzeptieren würden, dass die ArbeiterInnen einen „Beitrag“ leisten müssen, indem sie auf einen Teil ihrer Löhne verzichten und dafür Aktien erhalten!
Deutsche Gewerkschaften haben vorher mit „spektakulären Aktionen“ gedroht – aber nur, wenn das Magna-Abkommen nicht durchkommt. Da Rudy Kennis, der oberste Vertrauensmann im Werk Antwerpen der Ansicht war, die Übernahme durch Magna sei die beste Lösung, konnte er seine „Befriedigung“ und sein „Vertrauen in das Magna-Konzept”, „eine einmalige Gelegenheit für eine Verhandlungslösung, um das Werk offen zu halten“ (Le Soir, 11.09.09) nicht verbergen, als das Magna-Abkommen angekündigt wurde!
Diese Gewerkschaftsführer scheinen nicht einmal darüber besorgt zu sein, dass Magna für seine harte Anti-Gewerkschaftspolitik berüchtigt ist. Seit seiner Gründung vor 50 Jahren wurde Magna tatsächlich immer als einer der schlimmsten Feinde der organisierten Arbeiterbewegung betrachtet. Bis 2007 waren nur 3 seiner 43 kanadischen Werke gewerkschaftlich organisiert, aber vor zwei Jahren wurde ein formelles Abkommen zwischen Magnas Bossen und der Führung der CWA, Kanadas bekanntester Gewerkschaft getroffen, das eine Zunahme der gewerkschaftlichen Organisierung zulässt – unter der Bedingung, dass Streiks in allen Werken der Firma verboten sind.
Monatelang haben die belgischen Gewerkschaftsführer systematisch die Gefahr für das Werk Antwerpen klein geredet und selbst die Medien für ihre „negativen Ansichten” angegriffen. Als das GM-Management den Verkauf an Magna bekannt gab und hinzufügte, das Werk Antwerpen würde geschlossen, erklärte Rudy Kennis, die Gewerkschaft würde keine Aktionen machen. „Unsere Mitglieder sind zu intelligent, auf die Provokationen der Ex-GM-Führung zu reagieren”, sagte er. Wir denken nicht, dass die ArbeiterInnen einfach abwarten und Kürzungen und Entlassungen erdulden können, als ob sie Schicksal wären, ohne etwas zu machen. Gegenwehr und Kampf waren nie Zeichen von Dummheit.
Gefährden Aktionen der ArbeiterInnen mehr Arbeitsplätze, wie manche in den Gewerkschaften akzeptiert zu haben scheinen? Tatsächlich ist das Gegenteil wahr. Eine fügsame Reaktion der Arbeiterklasse ist genau das, was die Bosse wollen. Wenn die Reaktion der ArbeiterInnen ängstlich ist, wissen die Bosse, dass sie sie leichter angreifen können und ziehen Werksschließungen ohne viel Widerstand durch. Wie das Sprichwort sagt: „Schwäche führt zu Aggression”.
Proteste haben begonnen
Wut auf diese massiven Stellenkürzungen gibt es überall. Tausende von Opel-ArbeiterInnen demonstrierten heute, am Mittwoch, 23. September, beim Werk in Antwerpen, und ihnen schlossen sich ihre KollegInnen vom deutschen Werk in Bochum an. Trotz dem mangelnden Kampfwillen auf Seiten der Gewerkschaftsführung haben ArbeiterInnen und Menschen in den verschiedenen Gebieten schon demonstriert, dass sie nicht bereit sind, diese Angriffe passiv hinzunehmen. Proteste gegen mögliche Werksschließungen und Stellenabbau fanden nicht nur in Belgien statt, sondern auch in Britannien und ganz besonders in Spanien, wo sich Demonstrationen der Unzufriedenheit sehr schnell verbreitet haben – in einem Land, wo die Arbeitslosenquote bald über 20 Prozent steigen könnte … mehr als das Doppelte des europäischen Durchschnitts.
Letzten Sonntag, am 20. September, demonstrierten mehr als 15.000 Menschen in Saragossa für die Verteidigung der 7.000 Stellen beim Opel-Werk im nahe gelegenen Figueruelas. Die ArbeiterInnen dort haben massive Streiks angedroht, wenn es im Werk großen Stellenabbau gibt. Bei den Protestierenden waren nicht nur ArbeiterInnen aus dem Werk, sondern auch Menschen von anderen Arbeitsplätzen und Regionen, die Plakate dabei hatten, auf denen sie die Unterstützung und die Solidarität mit den Figueruelas-ArbeiterInnen zum Ausdruck brachten.
Diese Proteste zeigen den Weg vorwärts und die instinktive Solidarität, die sich von unten entwickelt hat. Dies könnte der Ausgangspunkt für die Organisierung großer internationaler Protestaktionen werden; keine Proteste, die bloß „Dampf ablassen“ und zeigen sollen, dass die Gewerkschaftsführer etwas machen, während sie sich gleichzeitig weigern, einen wirklichen Kampf anzuführen. Im Gegenteil muss es wirkliche kämpferische Proteste geben, die als Schritt zur Entwicklung konkreter Solidarität zwischen den ArbeiterInnen der verschiedenen Opel- und Vauxhall-Werke dienen mit dem Ziel, die Pläne der Bosse durch Kampf zu besiegen, auch mit den wirksamsten Waffen in den Händen der ArbeiterInnen – Streiks und Werksbesetzungen.
Sofortige Europaweite Konferenzen wirklicher BelegschaftsvertreterInnen von Opel, Vauxhall und GM sollten einberufen werden, um ein Aktionsprogramm zu diskutieren und zu beschließen, das mit einem ganztägigen europäischen Streik zur Rettung von Arbeitsplätzen und zum Schutz von Lebensstandards beginnt.
Ein demokratischer sozialistischer Plan ist notwendig, um die Autoindustrie auf soziale und Umweltbedürfnisse umzustellen
All dies weist auf die dringende Notwendigkeit von kämpferischen und demokratischen Gewerkschaften im internationalen Maßstab hin, die in allen Werken Betriebsversammlungen der ArbeiterInnen organisieren, um ihre Strategie für die Gegenwehr gegen die Pläne der Bosse demokratisch zu diskutieren. Dies muss Solidaritätsappelle an die ArbeiterInnen aller Subunternehmer und Zulieferer umfassen, die von den stattfindenden Umstrukturierungen betroffen sind, sich auch dem Kampf anzuschließen.
Aber zuerst müssen wir uns weigern, die Teile-und-Herrsche-Logik der Bosse zu akzeptieren. Unser Ausgangspunkt kann nicht sein: „Wie viele Arbeitsplätze werden wir aufgeben müssen, um das Überleben unseres Werks zu sichern?”, sondern im Gegenteil: „Wie entwerfen wir einen Aktionsplan, um die Profitgeier zurückzudrängen, unsere Werke offen zu halten und alle unsere Arbeitsplätze zu retten?”
Ein von unten organisierter Offensivkampf ist notwendig, um diesen Stellenabbau zu stoppen. Dieser muss Forderungen wie Verkürzung der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und die Öffnung der Geschäftsbücher des Managements umfassen. Aber wie können wir die Argumente mancher kapitalistischer Ökonomen, Journalisten und Politiker kontern, die argumentieren, dass die Schließung von Autowerken und Stellenabbau ein notwendiger Schritt seien, um den gesättigten Automarkt zu „bereinigen“?
Heute steht die Autoindustrie vor Überproduktion, während auf der anderen Seite viele soziale Bedürfnisse nicht befriedigt werden. Es fehlt an ausreichendem freien öffentlichem Transport, während unserem Planeten eine Katastrophe droht. So lange die Autoindustrie von privaten Interessen dominiert wird und nur an kurzfristigem Profit interessiert ist, wird das immer der Fall sein. Die ArbeiterInnen und ihre Familien für die Krise zahlen zu lassen ist aus Sicht der Kapitalisten der einzige Weg vorwärts.
Notwendig ist ein Programm, das sich auf die Ansichten, Bedürfnisse und Interessen der arbeitenden Menschen stützt. Wir denken, dass die Debatte über die Rettung der Arbeitsplätze mit der Diskussion verbunden werden muss, wie die gewaltige Technologie, das Wissen und der Reichtum der Autoindustrie genutzt werden können, um umweltfreundliche Technologie und öffentliche Verkehrsmittel im massiven Umfang zu entwickeln.
Deshalb treten SozialistInnen dafür ein, dass die Verstaatlichung der gesamten Autoindustrie notwendig ist, mit Entschädigung nur auf der Grundlage von erwiesener Bedürftigkeit. Das bedeutet nicht: Verstaatlichung der Verluste und Privatisierung danach, wenn wieder Profite für die Bosse gemacht werden können. Die Produktion von Gütern, die soziale Bedürfnisse befriedigen, und die Entwicklung alternativer Transportformen kann nur verwirklicht werden, wenn die ganze Autoindustrie unter die demokratische Kontrolle und Verwaltung gewählter ArbeitervertreterInnen gestellt wird, die jederzeit wieder abberufen werden können. Die Krise ist international, weshalb solche Planung nicht auf nur nationaler Ebene funktionieren kann, sondern auch international sein muss. Die Autoindustrie ist ein Musterbeispiel für das Chaos, das das Marktsystem erzeugt. Ein erfolgreicher Kampf von AutoarbeiterInnen könnte ein Vorbild für andere sein und helfen, Unterstützung für die einzige Alternative zum kapitalistischen System der Booms und Krisen aufzubauen, einer demokratisch geplanten sozialistischen Wirtschaft, in der die Kommandohöhen der Wirtschaft in öffentlichen Eigentum überführt werden. ArbeiterInnen schaffen den Reichtum. Sie müssen das letzte Wort dabei haben, wie dieser Reichtum verwendet wird.