Mo 12.01.2015
Widerstand im Gesundheitsbereich? Geht das überhaupt? Ein Blick auf die Kämpfe der letzten Monate und Jahre zeigt dies eindeutig. An der Berliner Charité, dem größten Universitätsklinikum Europas, erreichte eine wochenlange Streikbewegung 2011 starke Gehaltserhöhungen von bis zu 300 €. Gerade entwickelt sich in Britannien eine Massenbewegung gegen die Zerschlagung des Gesundheitssystems. Die Streiks und Massendemonstrationen haben starken Rückhalt in der Bevölkerung. Selbst unter den unmenschlichsten Bedingungen leisten Beschäftigte im Gesundheitswesen Widerstand, um ihre Arbeitsbedingungen und damit ihre und die Gesundheit ihrer PatientInnen zu verteidigen: Im Zuge der Ebola-Krise streikten PflegerInnen in Liberia, um grundlegende Schutzausrüstung zu fordern.
Geld ist nicht der Grund, warum PflegerInnen & Co im Gesundheitswesen arbeiten, dazu ist die Bezahlung zu mies. Doch viele wollen nicht mehr nur Löcher stopfen und dabei ständig selbst unter die Räder kommen. Auch in Österreich gab und gibt es Widerstand gegen Niedriglöhne und prekäre Verhältnisse. 1987 formierte sich die Basisbewegung „Aktionsgemeinschaft Pflegepersonal“ (AP). Getragen wurde sie von PflegerInnen, PflegeschülerInnen, SozialistInnen und kritischen GewerkschafterInnen. Ihre Hauptforderungen: „Mehr Geld, mehr Personal, mehr Mitbestimmung!“ Die AP begann mit einer Unterschriftenliste, baute Basisgruppen in verschiedenen Spitälern wie im Otto-Wagner-Spital, dem Wiener AKH und dem St.Anna Kinderspital auf. Zusätzlich gab es wöchentliche wienweite Treffen der AktivistInnen. Schließlich organisierte sie eine Demo mit über 3.500 TeilnehmerInnen und trieb die Gewerkschaftsspitzen vor sich her! Die Bilanz der AP im Jahr 1989: Durchschnittliche Gehaltserhöhungen von 10 % und 1.200 zusätzliches Personal an Wiener Spitälern.
Heute ist es wichtiger denn je, an solche Traditionen anzuknüpfen. Denn die Gewerkschaftsführung kritisiert zwar die Kürzungen, akzeptiert aber den „Sparzwang“. In der Folge organisiert die ÖGB-Bürokratie kaum Widerstand, steht kämpferischen Kampagnen oft im Weg und fällt den eigenen Mitgliedern in den Rücken. Doch die Beschäftigten wollen sich wehren: Wann immer Gewerkschaften zu Protesten aufrufen, wird dieses Angebot von Beschäftigten wahrgenommen. In Österreich gab es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Protesten gegen Sozialkürzungen: 2011 gab es in der Steiermark Ansätze einer Massenbewegung gegen Kürzungen des Sozialbudgets um 25 %. Ebenfalls 2011 konnten Kürzungen beim Krankenanstaltsverbund durch eine Mobilisierung von über 1.000 KollegInnen verhindert werden. Im selben Jahr gab es Warnstreiks bei den Sozialeinrichtungen Pro-Mente und Exit Sozial. 2012 gab es erfolgreichen Widerstand gegen die Nulllohnrunde: Mehr als die Hälfte der Wiener Gemeindebediensteten unterschrieben dagegen. Bevor sich die Wut in eine Bewegung entladen konnte, die die GdG-Führung nicht kontrollieren konnte, wurde die Nulllohnrunde aufgehoben. Ebenfalls 2012 gab es zwei de facto Streiks der Beschäftigten der Salzburger Krankenhäuser gegen die Nulllohnrunde – wieder erfolgreich. 2013 kam es zu Streiks bei den Linzer Ordensspitälern. Seit 2013 heizt die von der SLP initiierte Kampagne „Sozial aber nicht blöd“ der Gewerkschaftsführung ordentlich ein und vernetzt kämpferische KollegInnen.
Um Druck auf Regierungen und Trägerorganisationen zu erzeugen und echte Verbesserungen durchzusetzen, sind breite Bewegungen nötig. Kindergärten, Krankenhäuser, Pflegeheime,... haben im Grunde die gleichen Probleme, egal ob öffentlich oder privat. Eine Verbindung der Kämpfe im gesamten Gesundheits- & Sozialbereich, mit gemeinsamen Aktionen bis hin zu Streiks wäre weit schlagkräftiger, als „mal hier, mal da“ zu demonstrieren.
Viele KollegInnen im Gesundheitswesen haben Angst, dass bei Kampfmaßnahmen wie Streiks die PatientInnen oder KlientInnen leiden. Eingangs erwähnte internationale Beispiele beweisen das Gegenteil. Die Notfallpläne in Spitälern oder Betreuungseinrichtungen zeigen wie's geht. Dort ist detailliert festgehalten, wie man eine Notfallbetreuung einrichtet, welches lebensnotwendige Dienste sind und wie man die Station „leerräumt“. Wenn alle Beschäftigten, KlientInnen/PatientInnen und Angehörige in die Aktivitäten einbezogen werden, gemeinsam vorbereitet und entschieden wird, welche Notfalldienste aufrecht bleiben, dann lässt sich nicht nur streiken, sondern auch gewinnen.