Gesundheit im Kapitalismus

Dieser VORWÄRTS-Schwerpunkt wurde erstellt von Flo Klabacher, Jan Millonig, Moritz Erkl, Sebastian Kugler und Stefan R.

Kapitalismus: Pest und Cholera

„Gesundheit für Alle“ ist mit diesem kapitalistischen System nicht möglich!

2014: Ebola richtet in Westafrika tausende Menschen zugrunde. Auf Madagaskar bricht die Pest aus. Weltweit haben 880 Millionen Menschen keinen Zugang zu medizinischer Basisversorgung. 17 Millionen Menschen sterben jährlich an heilbaren Krankheiten wie Durchfall, Malaria und Tuberkulose. Immer wieder tötet die Cholera Tausende, wie 2012 in Haiti. Die Bekämpfung der Epidemien scheitert oft an fehlenden Ressourcen für simple Hilfsmittel wie Einweghandschuhe.

Wir leben in einem System der Profitlogik, der Ausbeutung, der ungerechten Ressourcen- und Reichtumsverteilung. So wird im Kapitalismus auch Gesundheit verwaltet. Die Folgen sind: Behandelt wird nicht, wer oder was es nötig hat, sondern wer oder was Geld bringt. Pharmakonzerne machen mit Krankheiten enorme Gewinne, Prävention wird vernachlässigt. Die Wirtschaftskrise hat die Barbarei dieses Systems auch in den reichen Staaten ans Licht gebracht.

Trotz all der Forschung, des Wissens und der medizinischen Möglichkeiten ist Gesundheit, auch in Europa, Luxus. Laut Europäischem Gesundheitsbericht ist der Gesundheitszustand im ärmeren Osten Europas beträchtlich schlechter als im Westen. Eine deutsche Studie zeigte, dass arme Menschen um mehrere Jahre kürzer leben als Wohlhabendere. Laut Beamtenversicherung leiden bis zu 30 % der ÖsterreicherInnen an Burn-Out-Symptomen. Laut WHO leiden hierzulande ca. 800.000 an Depressionen.

In Europa ist in den letzten Jahren eine beispiellose Welle an Kürzungen und Privatisierungen über die Gesundheitssysteme hereingebrochen. Griechenland ist das extremste Beispiel. Es fehlt an Allem und die Bevölkerung ist massiv unterversorgt. Auch in Österreich zeigen die aktuellen „Reformen“, wohin die Reise geht: Gesundheit ist ein Kostenfaktor, bei dem gekürzt werden soll. Wer sich Selbstbehalte oder private Zusatzversicherungen nicht leisten kann, schaut durch die Finger. Die Folgen: Überfüllte öffentlich Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen machen eine persönliche Betreuung und Begleitung unmöglich. Stationen verkommen zu Massenlagern, PatientInnen werden zu früh entlassen und in der Folge schneller wieder krank. Aus Angst um den Arbeitsplatz gehen immer mehr Menschen krank arbeiten, was zu schweren gesundheitlichen Schäden führen kann. Davon sind besonders auch Beschäftigte im Gesundheitsbereich betroffen. Gerade hier ignorieren die Beschäftigten oft ihre eigenen Bedürfnisse, weil sie sich für ihre KlientInnen verantwortlich fühlen. Diese Selbstausbeutung mag edel wirken, kommt aber ausschließlich den Chefetagen und Besitzern der Einrichtungen zu Gute. Beschäftigte werden genötigt, immer größere Gruppen zu betreuen, Ruhepausen und Maximalarbeitszeiten zu ignorieren und (unbezahlte) Überstunden zu leisten. Die Qualität der Betreuung leidet darunter. Die „Angehörigenpflege“ muss ÄrztInnen- und Pflegemangel ausgleichen. Geschätzte 42.700 Jugendliche und Kinder (!) pflegen Angehörige in Österreich. Jetzt wird auch noch der Zugang zum Pflegegeld erschwert und Betten gekürzt.

Diesen „Dreck“ haben alle Parteien am Stecken. Neben der rot-schwarzen Regierung, die SPÖ im Gesundheits- und Sozialministerium, in Wien und der Steiermark. Bemerkenswert sind hier auch die Grünen, die in Koalitionen mit der ÖVP in Oberösterreich und der SPÖ in Wien sind. Dass auch die FPÖ, wo sie kann, solchen Kürzungen zustimmt, wie der oberösterreichischen Spitalsreform, zeigt, dass sie eben keine „soziale Heimatpartei“ ist. Höchste Zeit, diesem kranken System den Kampf anzusagen!

 

Zahlen und Fakten zur Gesundheit

Ein profitables Geschäft

  • Weltweit werden jährlich 5 Billionen durch die Gesundheitsindustrie umgesetzt
  • Die Medikamentenpreise stiegen seit 1995 doppelt so stark wie die restlichen Preise

Kürzen bei der Gesundheit

  • 2012 wurden 24,7 Milliarden für Gesundheit und Soziales ausgegeben. Die aktuelle Gesundheitsreform sieht Einsparungen von 3,4 Milliarden bis 2016 vor. Zum Vergleich: 30 Euro-MilliardärInnen in Österreich besitzen 100 Milliarden Euro.
  • Von Armut betroffene Menschen werden doppelt so oft krank wie Reiche. Sie üben oft körperlich anstrengende Jobs aus, wohnen neben dicht befahrenen Straßen und ernähren sich schlechter. Arme leiden 3x öfter unter der „ManagerInnenkrankheit“ Bluthochdruck als ManagerInnen selbst.
  • Durch die Spitalsreformen in Oberösterreich wurden sieben Abteilungen geschlossen und 760 Betten gestrichen, bis 2020 sollen 2,4 Milliarden gekürzt werden. In Wien wurden fünf Krankenhäuser geschlossen oder zusammengelegt.
  • Schon jetzt wird der Großteil der Pflegearbeit unbezahlt von Angehörigen geleistet – darunter geschätzte 42.700 Kinder und Jugendliche.

Arbeit macht krank

  • Drei Viertel aller Pflegekräfte leiden an Rückenproblemen. Der Großteil geht davon aus, die Arbeit bis zur Pension körperlich nicht durchhalten zu können.
  • Die Zahl psychischer Erkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdreifacht. Hauptgründe sind steigender Arbeits- und Zeitdruck aufgrund von Personalabbau und Umstrukturierungen, finanzielle Probleme („working poor“), weniger Möglichkeit erholsamer Freizeit und sozialer Anbindung. Der Großteil kann sich Psychotherapie nicht leisten. Der Zuschuss der Gebietskrankenkasse liegt bei 21,8 Euro. Die Kosten für eine psychotherapeutische Sitzung: 70-150 Euro. Psychotherapie auf Krankenschein ist Mangel: In ganz Wien gibt es derzeit 2(!) freie Plätze.
  • Gleichzeitig werden in Österreich im Jahr rund 840.000 Menschen (2009) Psychopharmaka verschrieben. Sogar 2.180 Kinder zwischen 0-4 Jahren haben 2013 Antidepressiva bekommen.
  • 40 % der Beschäftigten in Österreich gehen aus Angst um den Job und fehlende Vertretung krank zur Arbeit.. Burn-Out-Erkrankungen sind immer öfter die Folge – bis zu 30 % leiden hierzulande an Burn-Out-Symptomen.

 

Im Kapitalismus sind Mensch und Gesundheit Ware

Bei unserer Gesundheit zeigt sich besonders deutlich, dass es im Kapitalismus nur um Profite geht.

Heute sind die medizinischen Möglichkeiten enorm. Längst wäre es möglich, allen Menschen die medizinische Versorgung zukommen zu lassen, die sie brauchen – unabhängig von Herkunft und Einkommen. Doch im Kapitalismus geht es eben nicht um Menschen, sondern um Profite. Wie es um unsere Gesundheit und das Gesundheitswesen insgesamt steht, hängt von der Konjunktur, den Notwendigkeiten des Kapitalismus und der Kampfbereitschaft der ArbeiterInnenbewegung ab:

Als in Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts die Versorgungslage von oben verbessert wurde, war das nicht Ausdruck des Humanismus des deutschen Kaiserreichs. Vielmehr war der Gesundheitszustand der Soldaten so schlecht, dass das „Menschenmaterial“ von ungenügender Qualität war. Die revolutionären Nachwehen des 1. Weltkriegs führten zu einem verbesserten Gesundheitswesen, das nicht mehr ausschließlich einer reichen Elite zur Verfügung stand. Unter den Nazis war die „Volksgesundheit“ nur insofern von Bedeutung, als sie (arische) Soldaten für den Eroberungskrieg sicherte. Im Zeitalter des kalten Krieges wurden die westlichen Sozialstaaten ausgebaut, denn der Kapitalismus sah sich in Form des Stalinismus mit einer Systemalternative konfrontiert. So verdorben dieser auch war, zwang er den Kapitalismus, soziale Standards einzuführen, um keine Hoffnungen in den Ostblock zu schüren (wo zwar Diktaturen herrschten, die Menschen jedoch z.B. eine garantierte Gesundheitsversorgung hatten).

Kapitalistische Staaten halten sich kein größeres Gesundheitswesen, als zur Aufrechterhaltung des Bestehenden nötig ist. Es muss also garantiert sein, dass sich die Mehrheit der ArbeiterInnenklasse erhalten kann und arbeitsfähig ist. Dementsprechend sind auch die Methoden des Gesundheitssystems im Kapitalismus. Erstes Ziel ist es, diejenigen, die nicht mehr fähig sind, sich ausbeuten zu lassen, wieder fit genug zu machen, ihre Arbeitskraft zu verkaufen. Gleichzeitig macht Kapitalismus krank: 80% aller Beschäftigten sind im Job Gesundheitsrisiken ausgesetzt, eine Million hat bereits arbeitsbedingte Gesundheitsprobleme. Harte körperliche Arbeit (nicht nur am Bau, auch in der Pflege etc.) schädigt den Bewegungsapparat, immer mehr Chemikalien führen zu Allergien, Atemwegserkrankungen und erhöhtem Krebsrisiko. Mangelnde Sicherheitsvorkehrungen haben Arbeitsunfälle zur Folge. Wegen steigenden Arbeitsdrucks bzw. Arbeitslosigkeit, sinkender Reallöhne, Wuchermieten und Teuerung kommen viele kaum über die Runden. Das führt zu psychischen und psychosomatischen Erkrankungen, zu dem, was bereits Marx im „Kapital“ als „industrielle Pathologie“ bezeichnet hat.
In den letzten Jahrzehnten haben in den entwickelten kapitalistischen Ländern v.a. psychische Krankheiten, aber auch andere „moderne“ Krankheiten so zugenommen, dass der Ausbau des Gesundheitswesens immer notwendiger wurde. Arbeiteten in Österreich 1985 noch 45.043 Menschen in nichtärztlichen Gesundheitsberufen (bei 7,5 Mio. EinwohnerInnen), waren es 2013 bereits 87.491 (bei 8,4 Mio. EinwohnerInnen). Allerdings wurde darauf geachtet, nicht etwa die kommunale Versorgung auszubauen, im Gegenteil: Trotzdem sank (!) die Anzahl der Krankenanstalten im gleichen Zeitraum von 300 auf 278, die Zahl der tatsächlich aufgestellten Betten von 75,168 auf 64.825! (Alle Zahlen: Statistik Austria) Es geht also zunehmend um Massenabfertigung. Welche Behandlung durchgeführt wird, hängt davon ab, wie „wichtig“ der/die PatientIn ist. Beispiel Hermann Maier: Jeder/m anderen wäre nach einem Motorradunfall wie seinem das Bein sofort amputiert worden – laut den behandelnden Ärzten. Auch in Österreich wird die 2-Klassen-Medizin immer deutlicher.

Aus diesem Phänomen der „industriellen Klinik“ wuchs auch die „klinische Industrie“. Pharmakonzerne scheffeln weltweit Milliarden durch den Verkauf von Medikamenten. An tatsächlicher, umfassender Gesundheit können sie kein Interesse haben, weil ihr Geschäft ja die Krankheit ist. Sie entscheiden, welche Medikamente verabreicht werden und prägen den Charakter des Gesundheitssystems: „Nicht die Bedürftigkeit der defekten Arbeitskraft, sondern die Profitbedürftigkeit der sie reparierenden Industrien bestimmt Art und Ausmaß des 'Gesundheitswesens' (M. Schneider, Klassenkampf und Neurose)

Spätestens mit Ende des Nachkriegsaufschwungs suchte sich das aufgestaute Kapital nicht nur in der Deregulierung von Finanzmärkten profitable Märkte – sondern zunehmend auch im Gesundheitswesen. Gesundheit/Krankheit wurde eine zusätzliche Profitquelle.

Seit den 1980ern, verstärkt seit Beginn der Weltwirtschaftskrise, rollt eine Welle von Kürzungen über den staatlichen Gesundheits- und Sozialbereich. Das Geld wird für Bankenrettungen und Unternehmenssubventionen gebraucht. Seither wird auch hierzulande das Gesundheitssystem mit „Strukturreformen“ und „Effizienzsteigerung“ immer weiter ausgehöhlt. So wurden Versicherungen, Spitäler und Pflegeeinrichtungen ausgelagert und privatisiert. So wurden Staatsausgaben reduziert, die Kosten mussten die PatientInnen tragen. Die privaten Gesundheitsversorger profitierten, während sich die Leistungen und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten verschlechterten. Im ach so sozialen Österreich ist der Anteil der privaten Ausgaben für Gesundheit nun höher als im EU-Schnitt!

Staatliche Strukturen, die mehr boten als der Kapitalismus eigentlich bereit war zu geben (zur Versorgung und Begleitung von Kranken, Beeinträchtigten, Kindern oder älteren Menschen usw.), wurden über Jahrzehnte von der ArbeiterInnenbewegung erkämpft. Sie waren kein Geschenk des bürgerlichen Staates. Sie waren für ihn erträglich, solange der Nachkriegsaufschwung anhielt. Nun werden sie demontiert.

Frauen sind von Kürzungen im Gesundheitswesen dreifach betroffen: als Kranke, Pflegende, Beschäftigte!

Die Verschlechterungen bzw. aktuell schon oft katastrophale Situation sind für Beschäftigte, PatientInnen und Angehörige – also uns alle – spürbar. Frauen sind doppelt betroffen: zum einen direkt, weil sie den Großteil der Beschäftigten ausmachen. Zweitens, weil durch Mangel an Plätzen in Kindergärten und Pflegeeinrichtungen und der Verlagerung von stationärer auf ambulante Betreuung in Krankenhäusern immer mehr Menschen zu Hause betreut werden müssen. Das bleibt meistens an den weiblichen Angehörigen hängen – und zwar unbezahlt. Hier ist großes Potential für Widerstand! Eine gemeinsame Bewegung aller Betroffenen kann Regierungen und KapitalistInnen gehörig unter Druck setzen.

Wir haben ein Recht auf eine flächendeckende und hochwertige Gesundheitsversorgung. Diese kann und darf nicht profitorientiert sein, denn das bedeutet schlechte Qualität. Solange für Profite gewirtschaftet wird, bleibt Gesundheit eine Ware. Nötig ist eine demokratische Planung der Wirtschaft und auch des gesamten Gesundheitsbereiches. So könnten Beschäftigte und Betroffene – also die ganze Gesellschaft – entscheiden, welche Leistungen benötigt werden und wie viele Ressourcen in die Erhaltung der Gesundheit gesteckt werden. Das Gesundheitswesen und die ganze Gesellschaft muss vom Kapitalismus geheilt werden.

 

Finger weg von unserem historischen Element!

Nicht erst seit Beginn der Wirtschaftskrise sinken die Reallöhne in Österreich. Der Kollektivvertragsabschluss der Metaller mit +2,1 % liegt erneut unter der Inflation. Die anderen Branchen werden ähnlich abschließen und den Trend der letzten Jahre fortsetzen.

Wie hoch der Arbeitslohn in der kapitalistischen Produktion ist, hängt nicht von der individuellen Leistung des Arbeiters/der Arbeiterin ab. Für einen festgelegten Lohn stellen die ArbeiterInnen ihre Arbeitskraft jeweils für eine bestimmte Zeit zur Verfügung. Damit werden die ArbeiterInnen selbst zu VerkäuferInnen der eigenen Arbeitskraft und befinden sich mit den Unternehmen in einem Interessenskonflikt.

Laut Marx setzt sich die momentane Höhe des Lohnes aus zwei Teilen zusammen. Zum einen ist da das „physische Element“. Das ist die Untergrenze des möglichen Lohnes. Darunter hat die ArbeiterInnenklasse zu wenig Geld, um sich dauerhaft zu reproduzieren (also sich zu ernähren, kleiden, erholen und eine nächste Generation zu „produzieren“). Zusätzlich gibt es das „historische Element“, das das Maß an Lebensqualität bezeichnet, das sich die ArbeiterInnenklasse darüber hinaus erkämpft hat. Dieses Maß wird durch die Höhe des Lohns, aber auch durch den Zugang zu Sozialleistungen, Bildung etc. geprägt. In Europa ist das historische Element noch höher als anderswo. Die ArbeiterInnenbewegung war stärker und konnte einen größeren Teil vom Kuchen erkämpfen. Das historische Element ist aber nicht in Stein gemeißelt, sondern hängt vom Kräfteverhältnis zwischen ArbeiterInnen und Kapital ab. Je mehr ArbeiterInnen am Arbeitsmarkt zu Verfügung stehen, umso mehr Druck kann so auch auf den Lohn jedes/r Einzelnen ausgeübt werden. Marx schreibt dazu: „Dies historische oder gesellschaftliche Element, das in den Wert der Arbeit eingeht, kann gestärkt oder geschwächt, ja ganz ausgelöscht werden, so dass nichts übrigbleibt als die physische Grenze.“ (Karl Marx: Lohn, Preis, Profit).

Hier kommt der Gesundheits- und Sozialbereich ins Spiel. Hart ausgedrückt: kranke ArbeiterInnen produzieren den KapitalistInnen keinen Profit. Deshalb verlangt die kapitalistische Logik jemanden, der die Arbeitskräfte arbeitsfähig hält. Traditionell wurden und werden solche Aufgaben Frauen aufgebürdet. Doch der moderne Kapitalismus benötigt daneben professionelle und systematisch organisierte Reproduktions-Strukturen. Die ArbeiterInnen in diesem Bereich produzieren zwar keinen direkten Mehrwert in Form von Waren – z.B. machen Spitäler nur insofern Profite, als sie Menschen wieder „profitabel machen“ – sie sind aber den gleichen Widersprüchen ausgesetzt wie ihre KollegInnen in der Produktion. Auch hier werden Löhne gedrückt und Arbeit intensiviert, um Mehrarbeit rauszupressen. Wird im Gesundheitsbereich gekürzt, ist dies aber auch ein allgemeiner Angriff auf den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse. Das historische Maß an zugänglicher Gesundheit und Lebensqualität wird für die ganze Klasse gesenkt. Es wird versucht, den Lebensstandard an das „physische Element“ anzunähern. Deswegen ist Widerstand in diesem Bereich nicht nur die Angelegenheit der dort Beschäftigten, sondern ein gemeinsamer Kampf um den Lebensstandard der ArbeiterInnenklasse.

 

Krankfeiern statt Gesundschrumpfen?!

Der Gesundheitsbereich ist ein Pulverfass – Arbeitskämpfe sind wahrscheinlich, nötig & möglich.

Widerstand im Gesundheitsbereich? Geht das überhaupt? Ein Blick auf die Kämpfe der letzten Monate und Jahre zeigt dies eindeutig. An der Berliner Charité, dem größten Universitätsklinikum Europas, erreichte eine wochenlange Streikbewegung 2011 starke Gehaltserhöhungen von bis zu 300 €. Gerade entwickelt sich in Britannien eine Massenbewegung gegen die Zerschlagung des Gesundheitssystems. Die Streiks und Massendemonstrationen haben starken Rückhalt in der Bevölkerung. Selbst unter den unmenschlichsten Bedingungen leisten Beschäftigte im Gesundheitswesen Widerstand, um ihre Arbeitsbedingungen und damit ihre und die Gesundheit ihrer PatientInnen zu verteidigen: Im Zuge der Ebola-Krise streikten PflegerInnen in Liberia, um grundlegende Schutzausrüstung zu fordern.

Geld ist nicht der Grund, warum PflegerInnen & Co im Gesundheitswesen arbeiten, dazu ist die Bezahlung zu mies. Doch viele wollen nicht mehr nur Löcher stopfen und dabei ständig selbst unter die Räder kommen. Auch in Österreich gab und gibt es Widerstand gegen Niedriglöhne und prekäre Verhältnisse. 1987 formierte sich die Basisbewegung „Aktionsgemeinschaft Pflegepersonal“ (AP). Getragen wurde sie von PflegerInnen, PflegeschülerInnen, SozialistInnen und kritischen GewerkschafterInnen. Ihre Hauptforderungen: „Mehr Geld, mehr Personal, mehr Mitbestimmung!“ Die AP begann mit einer Unterschriftenliste, baute Basisgruppen in verschiedenen Spitälern wie im Otto-Wagner-Spital, dem Wiener AKH und dem St.Anna Kinderspital auf. Zusätzlich gab es wöchentliche wienweite Treffen der AktivistInnen. Schließlich organisierte sie eine Demo mit über 3.500 TeilnehmerInnen und trieb die Gewerkschaftsspitzen vor sich her! Die Bilanz der AP im Jahr 1989: Durchschnittliche Gehaltserhöhungen von 10 % und 1.200 zusätzliches Personal an Wiener Spitälern.

Heute ist es wichtiger denn je, an solche Traditionen anzuknüpfen. Denn die Gewerkschaftsführung kritisiert zwar die Kürzungen, akzeptiert aber den „Sparzwang“. In der Folge organisiert die ÖGB-Bürokratie kaum Widerstand, steht kämpferischen Kampagnen oft im Weg und fällt den eigenen Mitgliedern in den Rücken. Doch die Beschäftigten wollen sich wehren: Wann immer Gewerkschaften zu Protesten aufrufen, wird dieses Angebot von Beschäftigten wahrgenommen. In Österreich gab es in den vergangenen Jahren eine Vielzahl an Protesten gegen Sozialkürzungen: 2011 gab es in der Steiermark Ansätze einer Massenbewegung gegen Kürzungen des Sozialbudgets um 25 %. Ebenfalls 2011 konnten Kürzungen beim Krankenanstaltsverbund durch eine Mobilisierung von über 1.000 KollegInnen verhindert werden. Im selben Jahr gab es Warnstreiks bei den Sozialeinrichtungen Pro-Mente und Exit Sozial. 2012 gab es erfolgreichen Widerstand gegen die Nulllohnrunde: Mehr als die Hälfte der Wiener Gemeindebediensteten unterschrieben dagegen. Bevor sich die Wut in eine Bewegung entladen konnte, die die GdG-Führung nicht kontrollieren konnte, wurde die Nulllohnrunde aufgehoben. Ebenfalls 2012 gab es zwei de facto Streiks der Beschäftigten der Salzburger Krankenhäuser gegen die Nulllohnrunde – wieder erfolgreich. 2013 kam es zu Streiks bei den Linzer Ordensspitälern. Seit 2013 heizt die von der SLP initiierte Kampagne „Sozial aber nicht blöd“ der Gewerkschaftsführung ordentlich ein und vernetzt kämpferische KollegInnen.

Um Druck auf Regierungen und Trägerorganisationen zu erzeugen und echte Verbesserungen durchzusetzen, sind breite Bewegungen nötig. Kindergärten, Krankenhäuser, Pflegeheime,...  haben im Grunde die gleichen Probleme, egal ob öffentlich oder privat. Eine Verbindung der Kämpfe im gesamten Gesundheits- & Sozialbereich, mit gemeinsamen Aktionen bis hin zu Streiks wäre weit schlagkräftiger, als „mal hier, mal da“ zu demonstrieren.

Viele KollegInnen im Gesundheitswesen haben Angst, dass bei Kampfmaßnahmen wie Streiks die PatientInnen oder KlientInnen leiden. Eingangs erwähnte internationale Beispiele beweisen das Gegenteil. Die Notfallpläne in Spitälern oder Betreuungseinrichtungen zeigen wie's geht. Dort ist detailliert festgehalten, wie man eine Notfallbetreuung einrichtet, welches lebensnotwendige Dienste sind und wie man die Station „leerräumt“. Wenn alle Beschäftigten, KlientInnen/PatientInnen und Angehörige in die Aktivitäten einbezogen werden, gemeinsam vorbereitet und entschieden wird, welche Notfalldienste aufrecht bleiben, dann lässt sich nicht nur streiken, sondern auch gewinnen.

 

 

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