Fr 11.11.2011
Das Hackernetzwerk Anonymous bringt die Leichen der Herrschenden aus den Kellern. Die Piratenpartei in Berlin erhält 9%, in Österreich können sich bis zu 31% vorstellen, sie zu wählen. Millionen Menschen weltweit beobachten voll Sympathie die Occupy-Bewegung oder nehmen daran teil.
Es herrscht eine weit verbreitete Ablehnung von Parteien. Die etablierten Parteien haben auch nichts anderes verdient. Sie alle haben bewiesen, dass sie fest am Boden des Kapitalismus stehen und kein Interesse an wirklicher Veränderung zugunsten der breiten Masse haben. Viele meinen zurecht, dass wir etwas „komplett Neues“ brauchen. Auch wir. Die SLP ist eine revolutionäre Organisation – wir wollen den Kapitalismus nicht nur verändern, sondern stürzen. Wir sind der Meinung, dass es eine Organisation braucht, die international geschlossen agiert. Die demokratisch organisiert ist und fest auf einem revolutionär-sozialistischem Programm steht. Die Geschichte hat gezeigt, dass es viele revolutionäre Situationen gab, doch die Chance meist ungenutzt blieb. Grund dafür war nie fehlende Begeisterung oder zahlenmäßige Schwäche. Es fehlte eine starke Organisation, die den Forderungen der Bewegung Ausdruck verleiht und programmatische und taktische Vorschläge macht um sie weiter zu entwickeln.
Die neuen Bewegungen und ihre verschiedenen Ausdrucksformen wie Occupy, Anonymous oder Piratenparteien wollen breit sein. Das ist ein guter und richtiger Ansatz. Ohne Massenbewegungen wird der Kapitalismus nicht zu stürzen sein. Es ist auch klar, dass es in solchen Bewegungen eine Vielzahl an verschiedenen Zugängen und Taktiken gibt.
Doch vieles an den „neuen“ Bewegungen ist nicht so neu. Geheimbünde wie Anonymous gab es immer. Das Konzept von Anonymous ist, ohne Strukturen als Plattform für allerlei Widerstand gegen das System zu dienen. Das bedeutet das komplette Fehlen demokratischer Strukturen – und damit Willkür der AkteurInnen, die schon länger „drin“ sind, oder aus sonstigen Gründen mehr Einfluss haben. Sie können zwar aufdecken und den Herrschenden lästig sein, doch gestürzt haben Geheimbünde ein herrschendes System nie. Dazu brauchte es stets Massenbewegungen.
Neue Parteien, die das Vakuum gefüllt haben, dass die korrupten und abgehobenen etablierten Parteien entstehen lassen, gab es auch immer wieder. Doch meist hat ihnen das Programm, die Strategie und die Basis gefehlt, um sich auf Dauer als kritische und kämpferische Alternative halten zu können. Das bekannteste Beispiel dafür sind die Grünen.
In der aktuellen Bewegung suchen immer mehr Menschen nach Alternativen zum Profitsystem. Eine zentrale Frage ist, wie und auf welcher programmatischen Grundlage der Kapitalismus überwunden werden soll.
Die mit Abstand breiteste und aktivste neue Entwicklung ist die Occupy-Bewegung. Auch ihr fehlen demokratische Strukturen schmerzlich. Wer nicht Zeit hat, an sämtlichen Versammlungen teilzunehmen, hat kaum eine Möglichkeit, mitzubestimmen. Das Fehlen demokratischer Strukturen bedeutet nicht, dass es keine Führung gibt,sondern nur, dass diese keine demokratische Legitimation hat. Schon oft haben sich Bewegungen mangels solcher Strukturen totgelaufen, wie die UniBrennt-Bewegung in Österreich 2009.
Der Mangel an programmatischer Klarheit und demokratischen Strukturen birgt aber noch eine weitere Gefahr: Die Unterwanderung durch obskure und reaktionäre Kräfte. Die (selbsternannten) SprecherInnen preisen das Fehlen von Strukturen und Forderungen als Stärke. Währenddessen versuchen Rechte und Reaktionäre das auszunützen und in die Bewegung einzusickern.
Dubiose VerschwörungstheoretikerInnen sind auf Occupy-Demos keine Ausnahme. Sie setzen bei der berechtigten Kritik am Finanzsystem an und landen oft ganz schnell bei antisemitischen Verschwörungstheorien. Sie sind ein verschwindend kleiner Teil der Bewegung, nutzen aber das Fehlen von Strukturen um ihre Ideen zu verbreitern. Da ist es dann nicht verwunderlich, wenn im Internet hinter der Anonymous-Maske der Holocaust geleugnet wird oder bei Occupy-Demos in Österreich Reden über die angebliche „Rothschild-Verschwörung“ geschwungen werden.
Die Ablehnung der etablierten Parteien ist verständlich und richtig. Doch daraus eine Ablehnung aller Parteien zu konstruieren schwächt die Bewegung. Denn es schließt jene politischen AktivistInnen aus, die Mitglied in Parteien sind, ist aber offen für jene, die ihre Parteilichkeit verstecken.
Die Occupy-Bewegung ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Damit sie Erfolg hat müssen wir reaktionäre Strömungen zurückdrängen und neue politische Formationen aufbauen, die die Bewegungen aktiv unterstützen und weiterbringen. So eine neue Partei darf nichts zu tun haben mit dem, was es zurzeit auf der politischen Landkarte gibt – sie müssen demokratisch sein. Ihre VertreterInnen müssen jederzeit abwählbar und rechenschaftspflichtig sein. Sie darf nicht abhängig sein von Großspenden und Lobbyismus und muss sich inhaltlich klar vom Kapitalismus abgrenzen.