Di 30.01.2007
Die Industriellen-Vereinigung hat ihr Programm durchgesetzt und jubelt: “Die vorliegenden inhaltlichen Eckpunkte des neuen Regierungsprogramms zeugen von Kontinuität (...)Für die österreichische Industrie war entscheidend: Keine Änderung bei den steuerlichen Rahmenbedingungen im Unternehmenssteuerbereich (...)” Neben der Freude über die Beibehaltung der Studienbeiträge bezeichnete der Generalsekretär der Großindustrie, Markus Beyrer, die Einigung zur Arbeitszeitflexibilisierung als “ersten Schritt in die richtige Richtung, der ohne den Einsatz der Industrie nicht erreicht worden wäre”. Das Schlimmste dabei ist aber: Die Fraktionsspitzen von SPÖ und Christgewerkschaftern im ÖGB haben das Regierungsprogramm abgenickt. Viele Angriffe wurden direkt aus einem Sozialpartner-Papier übernommen, das AK und ÖGB mit-ausgearbeitet haben.
Gewerkschaftsführung: Umgefallen!
Dass die Gewerkschaftsführung zuerst Sozialabbau Tür und Tor öffnet und dann auch noch zustimmt, ist ein Skandal. Der Unmut darüber war auf dem ÖGB-Kongress daher auch nicht zu überhören. Das Argument der Führung war, es würde auch viel Gutes enthalten. Doch einigen unausgefeilten Zugeständnissen wie der Errichtung von Lehrwerkstätten stehen sehr konkrete Verschlechterungen, wie die leichtere Kündbarkeit von Lehrlingen, gegenüber. Neoliberalismus prägt dieses Programm, etwa durch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten, weitere Privatisierungen durch Privat-Public-Partnership-Modelle, erhöhter Druck auf Arbeitslose (was durch die bedarfsorientierte Grundsicherung verschärft wird, da bisherige SozialhilfeempfängerInnen ebenfalls dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen müssen), die Anhebung der wöchentlichen/täglichen Höchstarbeitszeit und die Schwächung der Gewerkschaften durch Verlagerung diverser Arbeitszeitregelungen auf die betriebliche Ebene. Diese Vorhaben setzen den Umverteilungsprozess von unten nach oben fort. Irgendwie kein Wunder. Denn überall wo die SPÖ in den letzten Jahren bereits an der Macht war, hat sie eine ebensolche Politik betrieben.
Nicht bis zur nächsten Wahl warten
Nun stellt sich die Frage: Was tun? Manche empfehlen, lasst sie mal arbeiten. Doch dieses Risiko können wir uns einfach nicht mehr leisten. Die neue Regierung wird alte Armut nicht bekämpfen, sondern neue Belastungen schaffen. Sie wird den Druck auf Arbeitslose erhöhen und erstmals seit langem könnte es wieder Menschen geben, die “ausgesteuert”, also völlig ohne Unterstützung durch den Staat, sind (siehe S.2). Abgesehen davon, dass sich auch bei der kommenden Wahl die Frage stellen wird, ob es überhaupt eine wählbare Alternative gibt, können die meisten von uns nicht so lange warten. Dass der ÖGB das Sozialpartnerpapier mit-entwickelt hat ist schlimm - und die Basis darüber wütend. Hier gilt es anzusetzen. Die Proteste, welche die Studierenden begonnen haben, müssen ausgeweitet werden. ArbeitnehmerInnen, Arbeitslose und Jugendliche können gemeinsam deutliche Zeichen setzen. Es kann in Zukunft durchaus verstärkt zu Protesten kommen, weil die Hoffnung vor der letzten Wahl “Wir wählen die SPÖ und dann wird's weniger schlimm” so bitter enttäuscht wurde. Die Schonfrist für die SPÖ ist vorbei, bevor sie begonnen hat. Diese Proteste gilt es zu vereinen und entschieden zu führen. Die Gewerkschaften haben die Aufgabe, die Interessen der Mitglieder entschieden und kämpferisch zu vertreten - auch gegen eine SPÖ-geführte Regierung.