Fr 16.03.2012
Die verschärften Angriffe des Kapitals im Zuge der Krise bringen die traditionelle Gewerkschaftspolitik der Klassenzusammenarbeit an ihre Grenzen. Die Gewerkschaften befinden sich weltweit in der Defensive. Sie werden oft zu harten Auseinandersetzungen gezwungen (z.B. brutale Polizeieinsätze gegen streikende DemonstrantInnen in Griechenland oder das Massaker mit über 200 Toten durch die Repressionskräfte an den seit Monaten streikenden ErdölarbeiterInnen in Kasachstan), nur um weitere Angriffe und Verschlechterungen auf die Löhne und Arbeitsbedingungen abzuwehren.
Die Gewerkschaften können nicht so weitermachen wie bisher, wenn sie die Interessen der arbeitenden Bevölkerung verteidigen wollen. In einer ähnlichen Situation formulierte der russische Marxist Trotzki:
„Die Gewerkschaften unserer Zeit können entweder als Hilfsinstrumente des imperialistischen Kapitalismus dienen, um die Arbeiter unterzuordnen, sie zu disziplinieren und die Revolution zu verhindern, oder sie können im Gegenteil die Instrumente der revolutionären Bewegung des Proletariats werden.“ (Die Gewerkschaften in der Epoche des imperialistischen Niedergangs)
In diesem Konflikt befinden sich alle Gewerkschaften. Die traditionelle, sozialpartnerschaftliche Politik kann Verschlechterungen bestenfalls mit-designen, aber nicht verhindern. Die Gewerkschaften können nur entweder-oder. Entweder: Zustimmung zu Sparpaketen, Abwiegeln und Scheinkämpfen. Oder: Übergangsforderungen und entschlossene Kämpfe. Dazu werden neue Führungen in den Gewerkschaften und neue Kampfformen – da und dort auch der Aufbau neuer Gewerkschaften – notwendig sein. Sie dürfen sich nicht an der Logik des Kapitalismus, sondern den Bedürfnissen der ArbeiterInnen orientieren.
Viele der Kampfaktionen, die von der Gewerkschaft organisiert werden, dienen nur dazu, Druck abzulassen. Kämpfe, die ohne Perspektive geführt werden – selbst wenn sie Massencharakter annehmen wie in Griechenland –, können die Angriffe nicht stoppen. Eine Serie von Generalstreiks hat in Griechenland kaum greifbare Ergebnisse gebracht. Der Grund ist nicht, dass das nicht möglich ist, sondern dass die Gewerkschaften die Machtfrage nicht stellen. Im Sommer 2011 wurde die Regierung nicht durch die EU, sondern die Massenstreiks gestürzt. Doch weil es keine politische Alternative gab, kam eine neue Regierung ans Ruder, die genauso weitermachte. Die Klassenkämpfe müssen die Perspektive auf eine an die Bedürfnisse der arbeitenden Menschen orientierte Gesellschaft - einen demokratischen Sozialismus - ins Zentrum stellen, wenn Sie angesichts der Tiefe der Krise des Kapitalismus die Rechte und Lebensgrundlagen der Arbeitenden wirksam verteidigen wollen. Gewerkschaften alleine können das nicht bewerkstelligen. Trotzki betonte im Übergangsprogramm von 1938: „Die Gewerkschaften haben kein vollkommenes revolutionäres Programm und können es angesichts ihrer Aufgaben, ihrer Zusammensetzung und der Art und Weise ihrer Mitgliederaufnahme auch gar nicht haben; deshalb können sie die Partei nicht ersetzen.“ Der Aufbau einer neuen ArbeiterInnenpartei mit sozialistischem Programm ist daher auch eine der dringlichsten Aufgaben der Gewerkschaftsbewegung.