Fr 24.06.2005
Der Skandal
Der türkische Baumulti GAMA beschäftigt in der Republik Irland rund tausend Arbeiter, überwiegend türkischer Herkunft. Sie mussten regelmäßig 80 Stunden und mehr pro Woche arbeiten – für einen Stundenlohn zwischen 2 und 3 Euro. Lohnzettel haben die ArbeiterInnen nie zu Gesicht bekommen. Aufzeichnungen über Arbeitszeiten hat das Unternehmen – eigenen Angaben zufolge – vernichtet. Einen großen Teil der Löhne, insgesamt mindestens 30 Millionen Euro, hat GAMA einfach unterschlagen: Er landete auf Konten der holländischen „Finansbank”. Die Konten lauteten zwar auf die Namen der türkischen Arbeiter – diese wussten aber nichts von ihrer Existenz. Jene, die über mehrere Jahre bei GAMA in Irland beschäftigt waren, haben bis zu 60.000 Euro „angespart”, im Schnitt kommt jeder Arbeiter auf 15.000 Euro.
Noch mehr dürfte die Summe der ausständigen Löhne für Überstunden ausmachen. Deren Auszahlung wird durch das Fehlen von Arbeitszeitaufzeichnungen erschwert.
Der Arbeitskampf
Wäre nicht die „Socialist Party” auf die Zustände bei GAMA aufmerksam geworden, der Konzern hätte noch jahrelang weiter werken können. Die Bedingungen für einen Arbeitskampf waren denkbar schlecht: Die türkischen Männer sprechen kaum Englisch und waren anfangs aus Angst um ihren Job sehr zurückhaltend. Nach Monaten von Gesprächen und Recherchen brachte Joe Higgins, Parlamentarier der Socialist Party, das Thema im Parlament auf.
Erst aufgrund des nun entstehenden Drucks kam die Existenz der holländischen Konten zutage. Irische Arbeitsinspektoren mussten sich mit GAMA beschäftigen – und das ganze Ausmaß der dramatischen Zustände bestätigen. 350 Arbeiter legten für Wochen die Arbeit nieder. Ihre beiden wichtigsten Forderungen waren die sofortige Überweisung der bei der Finansbank liegenden Beträge auf ein Konto ihrer Wahl und die volle Bezahlung der geleisteten Überstunden. Einige Forderungen, darunter jene zur Finansbank, konnten bereits durchgesetzt werden. Die Bezahlung der Überstunden wird wahrscheinlich vor Gericht geklärt. Vor allem haben die ArbeiterInnen, auch dank der Präsenz von Joe Higgins im Parlament und damit in den Medien, wiederholt Angriffe abwehren können. Neben der Bedrohung der in der Türkei gebliebenen Familien drohte GAMA wiederholt mit Entlassungen.
„Gastarbeit” in Irland
Das Vorgehen von GAMA wurde letzlich nur durch die Zunwanderungspolitik der irischen Regierung – vergleichbar der GastarbeiterInnenpolitik in Österreich und Deutschland – möglich. Das Aufenthaltsrecht der ArbeiterInnen gilt nur für die Dauer der Beschäftigung. Die Beschäftigungsbewilligung wird dem Unternehmen, nicht der/dem ArbeiterIn ausgestellt. Dadurch sind gerade jene, die aus Ländern mit hohem Armuts- und Arbeitslosigkeitsniveau kommen, den Unternehmen vollkommen ausgeliefert. Die Unterkünfte für die ArbeiterInnen werden von den Unternehmen zur Verfügung gestellt – im Fall von GAMA teilten sich jeweils sechs Personen ein Zimmer in einer Baracke. In Verbindung mit den bestehenden Sprachschwierigkeiten ergeben sich für Konzerne wie GAMA ideale Rahmenbedingungen. Der irische Staat hat seinerseits profitiert: Bauvorhaben konnten weit unter den üblichen Preisen fertig gestellt werden. GAMA war außerdem für die schnelle Umsetzung von Bauprojekten bekannt: bei 80 Stunden die Woche ohne Unterbrechung bei Schlechtwetter nicht weiter verwunderlich.
Die Rolle der Gewerkschaften
Praktisch alle bei GAMA beschäftigten TürkInnen waren Mitglieder der SIPTU – der größten irischen Gewerkschaft mit einem Mitarbeiterstab von mehreren hundert Personen. Auch sie zeichnete sich in den vergangenen Jahren hauptsächlich durch Ignoranz und Untätigkeit aus. Gewerkschaftsfunktionäre wollen über Jahre nichts von den Missständen bemerkt haben. Im Einklang mit den Konzernen arbeiten EU und nationale Regierungen daran, Arbeitsbedingungen und Löhne weiter zu verschlechtern. Der Arbeitskampf der GAMA-Arbeiter ist ein Beispiel dafür, wie ArbeiterInnen unterschiedlicher Herkunft gemeinsam die neoliberale Logik durchbrechen können. Nicht umsonst haben sich große Teile der irischen ArbeiterInnenklasse mit den Streikenden solidarisch gezeigt.