Fr 01.07.2005
Britannien: Bergarbeiterstreik 1984/85
Das Beispiel des britischen Bergarbeiterstreiks 1984/85 steht nicht nur am Anfang der jüngeren Geschichte von Privatisierungen. Diese Auseinandersetzung markiert als Auseinandersetzung zwischen Margaret Thatcher und den britischen Bergarbeitern auch den Beginn des Kampfs der Neoliberalen gegen die ArbeiterInnenbewegung.
1979 begann die Tory-Regierung die komplette Privatisierung der britischen Kohleindustrie zu planen. 1980 wurden die Produktionsziele durch unrealistisch hohe Gewinnziele ersetzt, die die Argumentationsgrundlage für die Schließung von weniger profitablen Minen bildeten. Dadurch sollten die Bergwerke attraktiver für private Investoren werden.
1983 wurde Ian MacGregor Vorsitzender des “National Coal Board (NCB)” – er war berühmt geworden, als er in der Stahlindustrie 100.000 Arbeitsplätze abbaute.
Am 1. März 1984 verkündete das NCB die Schließung des Bergwerks in Cortonwood, Yorkshire und die Planungen zur Schließung von 20 anderen Minen mit insgesamt 20.000 Beschäftigten. Die Antwort der Kumpels kam sofort: Am 6. März verkündeten die Bergarbeiter von Yorkshire den unbegrenzten Streik, am 7. März zogen die schottischen Kollegen nach, am 9. Durham und Kent.
In den nächsten Monaten schlossen sich noch zahlreiche andere Minen an. Die Streikposten wurden von der Polizei brutalst attackiert, mehrere Streikende wurden dabei getötet.
Der Streik dauerte fast genau ein Jahr, involvierte bis zum Ende 100.000 der 160.000 Bergarbeiter, und kostete die Regierung wesentlich mehr als sie jemals durch eine Schließung von Minen verdienen könnte. Doch die Regierung war bereit, 6 Mrd. Pfund allein für die Bekämpfung des Streiks, und 26 Mrd. Pfund für die Zerschlagung der staatlichen Kohlenindustrie auszugeben. Tories bezeichneten dies als “Investition in die Nation” und verglichen ihren Kampf mit dem Kampf gegen Hitler. Was den Minenarbeitern zum Sieg fehlte, war die Ausweitung des Streiks hin zu einem Generalstreik. So konnte Thatchers Kalkül aufgehen und die Niederlage der Minenarbeiter den Auftakt für eine weltweite Welle von Privatisierungen und Angriffen auf Rechte der ArbeiterInnenklasse werden. Umgekehrt gilt es, die Frage aufzuwerfen, ob nicht ein Sieg der Bergarbeiter den Verlauf der historischen Entwicklung in eine ganz andere Richtung geprägt hätte.
Bolivien 2005: Präsident gestürzt
Die letzten Jahre zeigten wieder einen Aufschwung des Widerstands gegen diese neoliberale Politik. Jüngstes Beispiel dafür ist die bolivianische Bewegung gegen die Ausbeutung der Bodenschätze durch imperialistische Konzerne, die Anfang Juni den Präsidenten Carlos Mesa zum Rücktritt zwingen konnte. In den 1990ern wurde der staatliche Öl- und Gaskonzern privatisiert und die Steuern auf die Ausbeutung der großen Erdgasreserven von 50 auf 18% herabgesetzt. Es wurde behauptet, dass ganz Bolivien von einem größeren Investitionsvolumen profitieren würde, doch von den 5 Mrd. Dollar an Auslandsinvestitionen seit 1997 sind nur 5% in höhere Kaufkraft geflossen. Bei der extrem großen Schere zwischen Arm und Reich ist davon fast nichts den ärmeren Schichten zu gute gekommen.
Die Bolivien hat bereits schmerzliche Erfahrungen mit dem Ausverkauf von Bodenschätzen gemacht. In der Kolonialzeit wurden die Silberlagerstätten geplündert, in den 50er Jahren der Zinn und jetzt das Erdgas. Bereits des Vorgänger von Mesa war über diese Frage gestolpert. Mesa hatte darum zum Amtsantritt versprochen, ein Referendum über die Verstaatlichung der gesamten Öl- und Gasvorkommen abzuhalten. Als das Referendum letztendlich nur zur Einführung einer unbedeutenden zusätzlichen Steuer führte, begannen im März 2005 die Proteste.
An der Spitze stand der Gewerkschaftsdachverband COB. Die große Linkspartei MAS (Bewegung zum Sozialismus) und ihr Führer Evo Morales schien in erster Linie den Sieg bei den nächsten Wahlen im Kopf zu haben und stützte Anfangs Morales, erst nach Aufkommen der Bewegung schwenkte sie um.
Dagegen fordern COB und speziell die Gewerkschaften der Bergarbeiter, der Kokabauern und der LehrerInnen nicht nur die Verstaatlichung von Öl und Gas, sondern auch die Ersetzung des Parlaments durch eine “Volksversammlung”. 400.000 demonstrierten dafür am 6. Juni. Am 31. Mai verhinderten 40.000 Demonstranten eine Parlamentssitzung und drohten, das Parlamentsgebäude niederzubrennen, sollte keine Verstaatlichung beschlossen werden.
Mit dem Übergangspräsidenten einigten sich COB und andere Gruppen jetzt auf die Aufnahme von Verhandlungen über die Verstaatlichung und öffneten dafür die von Besetzern geschlossenen Straßen, um die Versorgung der Städte zu gewährleisten. Auch die Besetzung von sieben BP und Repsol-Ölfeldern und einer Exxon/Shell-Pumpstation wurden aufgehoben, die den Export verhindert hatten. In manchen Bereichen, vor allem in der Stadt El Alto gibt es bereits Strukturen einer Doppelmacht, wo lokale Komitees die Nahrungsmittel- und Treibstoffversorgung organisierten. SozialistInnen fordern den Aufbau einer ArbeiterInnen- und Bauernregierung, die Bodenschätze, Banken und die wichtigsten Betriebe unter demokratischer Kontrolle und Leitung durch die ArbeiterInnenklasse nationalisieren würde. Die Delegierten in den Versammlungen dürfen keine Privilegien haben und müssen jederzeit wähl- und abwählbar sein, damit die Entwicklung einer neuen Bürokratie vermieden wird.
Was bis jetzt fehlt, um die Bewegung um ein revolutionäres sozialistisches Programm zu versammeln, ist eine sozialistische Massenpartei mit einer klaren Strategie, Perspektiven und Programm. Gerade am Beispiel Boliviens zeigt sich somit, dass die Überwindung der Privatisierungspolitik gleichzeitig ein Infragestellen der kapitalistischen Gesellschaftsordnung an sich ist, auf die eine Bewegung eine sozialistische Antwort finden muß.